01.02.2018 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 11 / Zusatzpunkt 5

Christoph MatschieSPD - Aktuelle Stunde zum Einmarsch der Türkei in Syrien mit Panzern aus deutscher Produktion

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Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich habe die Debatte aufmerksam verfolgt. Ich glaube, uns eint die Sorge – jedenfalls weitgehend in diesem Haus – über diesen Einmarsch und die militärische Eskalation; die skurrilen Äußerungen der AfD lasse ich an dieser Stelle einmal beiseite. Ich glaube aber auch – damit möchte ich auf Ihren Beitrag eingehen, Frau Kipping –, dass diese sehr ernsthafte Situation eher Nachdenklichkeit als Agitation erfordert. Mit dem, was Sie hier abgeliefert haben, ist in diesem Konflikt niemandem geholfen.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Tobias Pflüger [DIE LINKE]: Es bedarf einer Entscheidung, nämlich die Exporte zu stoppen! – Katrin Werner [DIE LINKE]: Klare Worte!)

Die Situation, die wir vorfinden, ist nicht einfach auflösbar, und sie ist auch nicht mit einfachen Parolen zu bewältigen. Wir stehen hier vor einem sehr komplizierten Konflikt. Und es ist einfach nicht wahr – das will ich mit aller Deutlichkeit sagen –, dass die Bundesregierung zu diesem Konflikt schweigt. Das stimmt nicht, Frau Kipping.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Tobias Pflüger [DIE LINKE]: Dann zeigen Sie mir, wo Merkel oder Gabriel diesen Einmarsch verurteilen! Das gibt es nicht!)

Ich darf vielleicht einmal zitieren – das hat Ihr Kollege Hunko ja eben angesprochen –, was der Bundesaußenminister zum Thema Rüstungsexporte gesagt hat:

Was die aktuellen Beratungen um Rüstungsexporte angeht, so ist für die Bundesregierung klar, dass wir nicht in Spannungsgebiete liefern dürfen und dies auch nicht tun werden.

Ich finde, das ist ein klarer Satz der Bundesregierung zu dieser Frage, und es ist gut, dass die Waffenlieferungen in dieser Situation eingefroren sind.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Katja Kipping [DIE LINKE]: Aber haben Sie zugehört, was der türkische Außenminister sagt?)

Es ist für mich klar, dass wir in diesem Haus grundsätzlich über die Frage reden müssen, wie wir mit Waffenexporten umgehen. Aber auch hier gibt es keine einfachen Antworten.

Frau Kollegin Keul, man muss ja auch einmal daran erinnern, dass die Entscheidung, Leopard-2-Panzer in die Türkei zu liefern, damals von einer Regierung getroffen wurde, der Sie als Grüne angehört haben.

(Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Daran ist die Koalition damals fast zerbrochen! Der Kompromiss war, dass sie mit Auflagen geliefert werden! – Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wollen Sie es jetzt auf uns schieben, oder wie? – Zuruf von der LINKEN: Daran sieht man, dass jeder Waffenexport ein Fehler ist, egal wer zugestimmt hat! – Andrej Hunko [DIE LINKE]: Ja, Sie auch!)

– Die SPD auch. – Hintergrund dieser Entscheidung war, dass wir die Türkei damals gemeinsam auf einem Weg in Richtung Europa gesehen haben, als einen Partner, der sich Europa stärker öffnet und die Annäherung sucht. Vor diesem Hintergrund ist diese Entscheidung getroffen worden, eine Entscheidung, die in der Situation, glaube ich, zu rechtfertigen war, zumal es sich hierbei um ein NATO-Mitglied gehandelt hat.

(Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Kein Blankoscheck durch die NATO!)

Ich bin der Auffassung – auch das hat die Bundesregierung deutlich gemacht –, dass man über die jetzige Situation in der NATO reden muss, Frau Roth; ja, natürlich. Dazu gehört auch die Frage, wie es langfristig in der NATO mit den beteiligten Partner weitergehen soll. Es bleibt ja dabei, dass die Türkei ein wichtiger Nachbar Europas ist, dass die Türkei eine wichtige geostrategische Position einnimmt

(Tobias Pflüger [DIE LINKE]: Hört! Hört! – Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das sieht man ja!)

und dass wir deshalb ein Interesse daran haben müssen, mit der Türkei wieder zu einem konstruktiven Verhältnis zu kommen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber doch nicht mit Waffen!)

Deshalb geht es auch nicht darum, ob man jetzt mit irgendeiner Entscheidung den Zorn Erdogans erregt. Das wäre mir ziemlich egal; das sage ich ganz offen. Es geht darum, wie wir langfristig mit diesem Partner Türkei umgehen können und umgehen müssen.

Da hilft am Ende nur, auf diplomatische Prozesse zu setzen, auf das Gespräch, auch auf die klare Ansprache von Problemen. Sie bleibt in dieser Situation nicht aus. Wir müssen auf diplomatische Prozesse setzen; denn – auch das ist klar –: Die Türkei ist mehr als die jetzige Regierung Erdogan.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Andrej Hunko [DIE LINKE]: Das ist richtig!)

Auch das müssen wir im Blick behalten, wenn wir über diesen NATO-Partner reden.

Die Lage ist alles andere als einfach; das hat auch die Beratung im Sicherheitsrat gezeigt. Dort gab es keine eindeutige Position und keine Entschließung des Sicherheitsrates zur Türkei. Das haben auch die Verhandlungen in Wien gezeigt, die ohne ein Ergebnis zu Ende gingen. Deshalb kann es in dieser Situation für die Bundesregierung nur eins geben – das will ich hier deutlich machen –: Wir müssen jetzt alle diplomatischen Mittel nutzen, um diesem Konflikt, um diesem Einmarsch so schnell wie möglich ein Ende zu setzen. Wir brauchen eine Rückkehr an den Verhandlungstisch.

Eins ist klar: In Syrien kann es keine militärischen Lösungen geben; in Syrien kann es nur politische Lösungen geben. Diesen politischen Lösungen muss unser ganzer Einsatz gelten.

Herzlichen Dank, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Vielen Dank, Herr Kollege Matschie. – Als letzter Redner in dieser Aktuellen Stunde rufe ich Herrn Dr. Frank Steffel für die CDU/CSU auf.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7197970
Wahlperiode 19
Sitzung 11
Tagesordnungspunkt Aktuelle Stunde zum Einmarsch der Türkei in Syrien mit Panzern aus deutscher Produktion
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