Jürgen MartensFDP - Doppelte Staatsbürgerschaft
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zu Beginn meiner ersten Rede hier muss ich sagen: Ich fühle mich beschämt und zu Hause zugleich. Zum einen fühle ich mich beschämt, weil ich nicht gedacht hätte, dass in diesem Hause, an diesem Ort im deutschen Parlament wieder solch diffamierendes Gerede zu hören ist und solch völkische Floskeln verwendet werden.
(Beifall bei der FDP, der CDU/CSU, der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Alexander Gauland [AfD]: Ha, ha!)
Ich fühle mich zugleich zu Hause, weil ich im Sächsischen Landtag zehn Jahre lang neben den Nazis der NPD sitzen musste.
(Beifall bei Abgeordneten der FDP)
Aber so viel Mühe Sie sich auch geben, meine Damen und Herren von der AfD: An deren Boshaftigkeit kommen Sie noch nicht ganz heran. Im Verhältnis zu denen geht es bei Ihnen zu wie beim Kindergeburtstag, wenn auch einem Kindergeburtstag mit vielen Grauhaarigen.
(Beifall bei der FDP)
Herr Kollege Martens, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Brandner?
Im Moment nicht, danke. Meine erste Rede möchte ich ungestört halten.
(Beifall bei der FDP, der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Meine Damen und Herren, das Verlangen nach der Wiedereinführung der Optionspflicht wird damit begründet, dass die Gewährung der Staatsangehörigkeit – so als sei dies ein Gnadenakt – ein Bekenntnis voraussetzen würde. Welches Bekenntnis sollte denn ein Säugling ablegen können? Mein Vorredner hat es schon erwähnt: Auch der deutscheste Säugling kann kein Bekenntnis ablegen.
(Beifall bei der FDP, der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Meine Damen und Herren, als Jurist weiß man: Das Wichtige steht immer im Kleingedruckten. Deswegen lohnt es sich, die Begründung dieses Gesetzentwurfes einmal durchzusehen. Eine Auseinandersetzung mit der Faktenlage, irgendwelche Wertungen oder Prognosen künftiger Entwicklungen werden Sie dort vergeblich suchen.
(Luise Amtsberg [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja! Wie immer!)
Stattdessen finden Sie dort unbewiesene Behauptungen, Unterstellungen oder wie jetzt in der mündlichen Begründung den Gebrauch von völkischen Kategorien wie zum Beispiel die Entwicklung von irgendwelchen Geburtenzahlen.
(Jürgen Braun [AfD]: Wie bitte? Was soll daran völkisch sein? Was denn bitte, Herr Martens?)
Wenn behauptet wird, dass Konfliktpotenziale „das Zusammenleben in einer Gesellschaft mit massenhafter doppelter Staatsbürgerschaft“ prägen,
(Jürgen Braun [AfD]: Sinnlose Behauptungen!)
dann spricht daraus eine besondere Wahrnehmung.
(Jürgen Braun [AfD]: Liberal ist das nicht, was Sie sagen!)
Tatsächlich sind wir davon weit entfernt. In Deutschland leben nach Mikrozensus 2015 1,7 Millionen Menschen mit doppelter Staatsangehörigkeit. Von einer Übernahme der deutschen Politik durch Doppelstaatler sind wir damit weit entfernt.
(Beifall bei der FDP, der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Sie verlangen, dass durch die Optionspflicht Menschen dazu gezwungen werden sollen, sich geistig auf Deutschland „einzulassen“ – was immer das heißen mag –, als ob Doppelstaatler dies nicht oder nur in geringem Maße täten.
(Jürgen Braun [AfD]: Sie sind so, Herr Martens!)
Im Umkehrschluss weitergedacht heißt das: Ausländer lassen sich geistig sowieso nicht auf Deutschland ein.
(Manuel Höferlin [FDP]: Genau das ist die Unterstellung!)
Das ist die Konsequenz daraus.
(Zuruf von der AfD: Viele nicht!)
Jetzt frage ich Sie: Haben Sie dafür irgendeinen klitzekleinen Beleg?
(Beifall bei der FDP, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Dr. Alexander Gauland [AfD]: Ja! Natürlich!)
Nein, wir, die Freien Demokraten, glauben nicht, dass Identität aus einem Pass folgt.
(Jürgen Braun [AfD]: Sind Sie ein Erdogan-Fan, Herr Martens? Finden Sie die Erdogan-Fans gut in Deutschland? – Dr. Alexander Gauland [AfD]: Lächerlich!)
Man könnte sich dem Thema der Staatsangehörigkeit durchaus sachlich nähern. Das tun Sie allerdings hier nicht.
(Jürgen Braun [AfD]: Sie beschäftigen sich überhaupt nicht mit Fakten, Herr Martens!)
Meine Damen und Herren, wir Freien Demokraten wollen diese Frage in einem umfassenden Gesetzeswerk behandelt wissen, in einem Einwanderungsgesetz und in einem Staatsangehörigkeitsrecht aus einem Guss, und nicht mit kleinen Einzelschüssen irgendwo herumdoktern.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Ich glaube, in dieser Legislatur wird es so weit kommen, dass wir uns ernsthaft über ein Einwanderungsgesetz unterhalten. Ich glaube, die Mehrheit des Hauses hält dies für notwendig.
(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Und die FDP? Auch wir wollen die doppelte Staatsangehörigkeit. Das muss grundsätzlich möglich sein. Mehr als die Hälfte aller Länder macht dies möglich. Die Frage der doppelten Staatsangehörigkeit betrifft zum großen Teil Menschen, die aus anderen Ländern der Europäischen Union zu uns gekommen sind. Das ist die unmittelbare Folge der Freizügigkeit innerhalb der Europäischen Union, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Das ist nichts Schlechtes. Einwanderer müssen deutsche Staatsbürger werden können, und wir werden uns darüber zu unterhalten haben. Der Gesetzentwurf der AfD, insbesondere seine Begründung und die Debatte, genügen dem schon inhaltlich bei weitem nicht. Vor allen Dingen ist dieser Gesetzentwurf wie fast alles von der AfD zutiefst fremdenfeindlich grundiert.
(Beifall bei der FDP, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD – Lachen bei der AfD)
Es wird Sie deswegen nicht wundern, dass die FDP diesem Gesetzentwurf nicht zustimmen kann.
(Beifall bei der FDP, der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Jetzt erteile ich das Wort dem Kollegen Movassat von der Fraktion Die Linke.
(Beifall bei der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7198121 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 12 |
Tagesordnungspunkt | Doppelte Staatsbürgerschaft |