02.02.2018 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 12 / Tagesordnungspunkt 15

Matthias BartkeSPD - Sanktionen bei Hartz IV und bei der Sozialhilfe

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Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es wurde schon gesagt: Die Sanktionsquote bei Hartz-IV-Empfängern liegt seit Jahren konstant bei 3 Prozent. Meine Gespräche mit Jobcentermitarbeitern haben mir gezeigt, dass niedrigschwellige Sanktionen durchaus helfen können, bei den Betroffenen eine Mitwirkung einzufordern, und zwar dort, wo sie bislang nicht da ist. Aber ich betone: niedrigschwellige Sanktionen.

Daher sage ich: Das Prinzip des Förderns und Forderns ist sinnvoll. Aber wir sehen, dass dieses Prinzip in eine immer größere Schieflage gerät. Viel zu oft geht es nur um das Fordern und nicht um das Fördern.

(Beifall bei der SPD)

Deshalb fordert die SPD eine Weiterbildungsoffensive. Wir wollen das Fördern wieder großschreiben, auch außerhalb des Hartz-IV-Systems.

(Beifall bei der SPD – Dr. Matthias Zimmer [CDU/CSU]: Das Fordern wird aber kleingeschrieben!)

Dafür brauchen wir ein Recht auf Weiterbildung. Wir müssen schon im Voraus verhindern, dass überhaupt jemand länger arbeitslos wird.

Die SPD fordert für die Dauer der Weiterbildung ein neues Arbeitslosengeld Q. Arbeitslose müssen für die Dauer der Weiterbildungsmaßnahme länger im ALG-I-Bezug bleiben. Wir wollen die Arbeitslosenversicherung auch insgesamt stärken.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Nach unserer Auffassung müssen die Menschen künftig Arbeitslosengeld erhalten, wenn sie innerhalb von drei Jahren mindestens zehn Monate sozialversicherungspflichtig beschäftigt waren. Derzeit muss man in einem kürzeren Zeitraum länger beschäftigt sein.

Meine Damen und Herren, wir leben in einer Wissensgesellschaft. Deshalb brauchen wir für jeden Arbeitnehmer ein Chancenkonto. Für welche Weiterbildungsmaßnahme dieses Chancenkonto genutzt wird, kann jeder Arbeitnehmer dann ganz persönlich entscheiden.

Meine Damen und Herren, ich bin davon überzeugt, dass allein diese Maßnahmen deutlich mehr helfen als die pauschale Abschaffung sämtlicher Sanktionen bei Hartz IV, wie sie die Linkspartei fordert.

(Beifall bei der SPD)

Aber – das will ich auch deutlich sagen – wir sind keineswegs der Auffassung, dass das Sanktionsregime bei Hartz IV gut ist. Die meisten Sanktionen werden derzeit wegen Meldeversäumnissen verhängt und nicht wegen der Ablehnung von Arbeitsangeboten. Ich sage Ihnen: Fast alle Arbeitslosen wollen unbedingt wieder arbeiten.

(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Daher gilt: Wenn sie beispielsweise eine fristgerechte Meldung verpassen, dann liegt das meist nicht an der mangelnden Motivation. Und wo doch die Motivation fehlt, liegen oft echte Probleme vor. Dann können scharfe Sanktionen genau das falsche Instrument sein.

(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

In solchen Fällen hilft in aller Regel ein Sozialarbeiter deutlich besser.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CSU, wir sehen überhaupt keinen Vorteil in einer besonders scharfen Sanktionierung bei den unter 25-Jährigen.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN sowie des Abg. Sven Lehmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Ich glaube, dass man damit die Türen eher zuschlägt, als sie öffnet.

Mein Bürgermeister, der frühere Arbeitsminister Olaf Scholz, sagt in solchen Fällen immer: Wir dürfen keinen von den jungen Menschen verlieren,

(Beifall der Abg. Kerstin Griese [SPD])

vor ihnen liegt das komplette Berufsleben. Wir fordern die besten Startchancen für die jungen Menschen statt harter Komplettsanktionen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Genauso ist die SPD strikt gegen die Kürzung bei Kosten der Unterkunft. Frau Kipping, ich bin Ihnen dankbar, dass Sie meine Ausführungen aus der letzten Debatte zu dem Thema noch einmal zitiert haben. Unsere Position ist in diesem Bereich ganz klar.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Katja Kipping [DIE LINKE]: Das muss aber die Verhandlungsspitze noch erfahren! Da müsst ihr noch mal Andrea Nahles eine SMS schicken!)

Wir sind der Auffassung, dass Sanktionen, wenn sie verhängt werden, dafür sorgen sollen, dass die Arbeitslosen an der Verbesserung ihrer Situation mitwirken. Aber wenn die Sanktion bewirkt, dass ein Arbeitsloser obdachlos ist, dann hat sich jede Mitwirkung von selbst erledigt.

Herr Kollege, lassen Sie eine Zwischenfrage von der AfD-Fraktion zu?

Nein, ich bin ja schon fast fertig. – Meine Damen und Herren, selbst bei bestmöglicher Aktivierung und Unterstützung: Es gibt Langzeitarbeitslose, die auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt überhaupt nicht mehr Fuß fassen können.

Frau Schimke, wenn Sie sagen, dass heutzutage niemand arbeitslos sein muss, dann frage ich Sie: Wo leben Sie?

(Beifall bei der SPD und der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Es gibt Menschen, die auf dem Arbeitsmarkt nicht mehr Tritt finden. Deswegen finde ich es ganz großartig – Michael Gerdes hat es eben schon gesagt –, dass wir im Sondierungspapier einen sozialen Arbeitsmarkt für 150 000 Menschen verabredet haben.

(Beifall bei der SPD)

Das heißt, wir werden in der Zukunft nicht mehr die Arbeitslosigkeit finanzieren, sondern Arbeit und Teilhabe.

Liebe Union, ich freue mich, dass Sie Ihren ewigen Widerstand gegen den sozialen Arbeitsmarkt aufgegeben haben. Für die Langzeitarbeitslosen in Deutschland ist das eine wirklich gute Nachricht.

(Beifall bei der SPD)

Ich habe die Hoffnung, dass wir in dieser Wahlperiode auch bei Sanktionen auf eine solche Einsichtsfähigkeit bei Ihnen setzen können.

Ich bedanke mich.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Letzter Redner zu diesem Tagesordnungspunkt: der Kollege Max Straubinger, CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7198183
Wahlperiode 19
Sitzung 12
Tagesordnungspunkt Sanktionen bei Hartz IV und bei der Sozialhilfe
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