Christian PetrySPD - Regierungserklärung zur Tagung der Staats- und Regierungschefs der EU-27
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Europa – ein wichtiges Thema. Wir behandeln es fast jede Sitzungswoche, und das ist auch angemessen.
Frau Weidel – sie ist nicht da; sie ist, glaube ich, nach Diktat verreist; na ja –, was angeblich hochbezahlte EU-Bürokraten angeht: 33 000 Beschäftigte hat die EU-Verwaltung; 38 000 Beschäftigte hat die Stadtverwaltung München. Mit diesem Vergleich möchte ich nur einmal andeuten, was diese 33 000 Beschäftigten alles leisten. Das sollte man schon sehen.
Herr Lindner, ich habe eins nicht verstanden. Sie haben ausgeführt: Die sozialen Standards führen zur Euroskepsis.
(Christian Lindner [FDP]: Wenn Sie anderen die Organisation ihres Sozialstaats vorschreiben!)
Ich bin da überhaupt nicht Ihrer Meinung. Ich habe eher das Gefühl, dass es eine verfehlte liberale Finanzpolitik war, die in die Krise und auch zur Euroskepsis geführt hat.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Insoweit bin ich sehr dafür, dass wir die sozialen Standards hier mit im Blick haben.
Herr Bartsch, Sie haben gesagt, das sei alles zu unkonkret. – Da gebe ich Ihnen recht. Aber Ihre Rede war auch sehr unkonkret. Ich unterschreibe dreimal, dass im Kampf gegen die Jugendarbeitslosigkeit entschlossen gehandelt werden muss. Ein Satz ihrerseits dazu, wie man das machen soll, täte uns gut. Darüber können wir natürlich auch in Zukunft sprechen.
Frau Göring-Eckardt, herzlichen Dank für das Lob an Martin Schulz. Auch das können wir dreimal unterschreiben. Es ist wichtig, dass Europa hier im Mittelpunkt steht und dass dies entsprechend behandelt wird.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Der mehrjährige Finanzrahmen ist Hauptgegenstand der Debatte. Die Vorteile der Integration in den Binnenmarkt für Deutschland sind klar: Wir sind einer der größten Nutznießer von Europa. Unser Wohlstand basiert auf Europa. Wenn wir den Wohlstandsindex 2014 zugrunde legen, erkennen wir: Er ist in Deutschland um knapp 100 Punkte gestiegen ist, im europäischen Schnitt aber nur um 30 Punkte. Das heißt, wir leben mit unserem Wohlstand von Europa. Wir brauchen Europa. Europa ist ein Garant, nicht nur für Frieden, sondern auch für Beschäftigung und Wohlstand in unserem Land. Ich denke, es lohnt sich, dafür zu kämpfen, dass dies erhalten bleibt. Da brauchen wir nicht Parolen von der rechten Seite auf den Leim zu gehen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Was soll Europa mehr machen? Herr Oettinger hat es genannt: Die Terrorismusbekämpfung soll zusätzlich und stärker stattfinden. Die innere Sicherheit soll gestärkt werden. Der Grenzschutz soll ausgebaut werden. Investitionen in die gemeinsame Verteidigung soll es geben. Die Forschung soll ausgebaut werden. Das digitale Zeitalter – eine europäische Aufgabe. Das alles bedeutet zusätzliche Ausgaben, die wir finanzieren müssen. Natürlich ist auch die Stärkung der sozialen Säule zu nennen – ein ganz zentrales Anliegen der Sozialdemokratie. Das alles sind zusätzliche Aufgaben, die finanziert werden müssen. Dafür treten wir ein.
(Beifall bei der SPD)
Für das Ganze gibt es einen Haushalt von 160 Milliarden Euro – zweimal so groß wie der von Nordrhein-Westfalen, zweieinhalbmal so groß wie der von Bayern. Das ist die Größenordnung. Damit soll das gestemmt werden. Es fallen durch den Austritt der Briten 14 Milliarden Euro weg. Trotzdem ist das durchaus zu finanzieren.
Im Zusammenhang mit dem mehrjährigen Finanzrahmen sind Vorschläge gemacht worden. Es ist von der Körperschaftsteuer und der Finanztransaktionsteuer als Möglichkeiten die Rede. Die Plastiksteuer ist dabei; die Eigenmittel auf Basis der Mehrwertsteuer und des Bruttonationaleinkommens werden genannt. Diese Instrumentarien dafür, wie wir das lösen können, werden wir diskutieren müssen. Natürlich ist auch der Beitrag zu nennen, den wir leisten. Wir sind bereit, da mehr zu tun.
Das sind wichtige Dinge; denn wir wollen, dass etwa 150 Milliarden Euro mehr für die Sicherung der Außengrenzen zur Verfügung stehen. Es sind 100 000 Personen notwendig, wenn wir es so machen wollen wie Kanada oder die Vereinigten Staaten. Erasmus+ – für die Jugend ganz wichtig –: plus 30 Milliarden Euro. Digitale Wirtschaft: 70 Milliarden Euro zusätzlich. Horizon 2020: bis zu 160 Milliarden Euro zusätzlich. Das muss finanziert werden. Der Kohäsionsfonds macht 34 Prozent, die Landwirtschaft 40 Prozent der Ausgaben aus. Hierfür werden 400 Milliarden Euro verausgabt. Dies wollen wir erhalten. Das geht nur, wenn wir die Einnahmeseite auf Vordermann bringen. Dazu sind wir bereit. Das muss in Europa solidarisch passieren; dies muss in Europa gleichmäßig passieren. Das ist ein guter Ansatz. Vorschläge hierzu sind gemacht worden. Die Sozialdemokratie ist dazu bereit.
(Beifall bei der SPD)
Ein Letztes; ich komme zum Schluss. Ein weiterer Schwerpunkt: die institutionellen Fragen. Das Thema Spitzenkandidat ist genannt worden. Ich bin froh, dass wir Einigkeit darüber haben. Ich hätte mich noch mehr gefreut, wenn die Konservativen in Europa im Parlament den Weg frei gemacht hätten für eine Wahlrechtsreform, für transeuropäische Listen, für das, was tatsächlich eine weitere Stärkung der Demokratie in Europa und des Europäischen Parlaments ausgemacht hätte. Aber das ist nicht vorbei; die Diskussion wird weitergehen. Wir werden uns dafür einsetzen, und wir werden mit Leidenschaft für ein gutes Europa kämpfen.
In diesem Sinne: Glück auf!
(Beifall bei der SPD)
Letzter Redner in dieser Debatte ist der Kollege Eckhardt Rehberg, CDU/CSU-Fraktion.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7202791 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 14 |
Tagesordnungspunkt | Regierungserklärung zur Tagung der Staats- und Regierungschefs der EU-27 |