22.02.2018 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 14 / Tagesordnungspunkt 4

Gabriela HeinrichSPD - Aktuelle Entwicklung im Nahen und Mittleren Osten

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Danke schön. – Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Kolleginnen und Kollegen! Wenn wir heute über die aktuelle Entwicklung im Nahen und Mittleren Osten reden, dann müssen wir natürlich auch über die humanitäre Lage und auch über die humanitäre Hilfe reden, die übrigens – das ist der humanitären Hilfe immanent – eben nicht von Bedingungen abhängig ist.

Die Not in dieser Region ist für die meisten von uns unvorstellbar: in Syrien, im Jemen, im Irak, in den Flüchtlingslagern in Jordanien, im Libanon, in der Türkei. Die Weltgemeinschaft muss mittlerweile Unsummen aufbringen, um die Menschen zu ernähren und medizinisch zu versorgen.

Die Zerstörung ist Folge von Kampfhandlungen, direkt durch Bomben verursacht oder als Teil einer Strategie, die die Zivilbevölkerung in Geiselhaft nimmt, als vermeintliche Schutzschilder zwischen den Kämpfern oder herabgewürdigt als Erpressungspotenzial bei Belagerungen, ohne jede Rücksicht auf Leben, auf Gesundheit, auf die psychische Zerstörung, und ohne auch nur einen Gedanken an den Hass zu verschwenden, der immer und immer über die Generationen weitergegeben wird: so viel Hass und Leid, dass Frieden kaum noch möglich scheint.

Wenn Erdogan jetzt ankündigt, Afrin belagern zu wollen, nimmt er Hunger, Krankheit und Tod bei 320 000 Menschen nicht nur in Kauf. Er setzt damit die Not von 320 000 Menschen als Kriegsmittel für seine Zwecke ein.

Ähnliches passiert aber auch anderswo: Diese Woche wurden mehrere Krankenhäuser in der syrischen Rebellenhochburg Ost-Ghuta bei Damaskus bombardiert. UNICEF hat eine fassungslose, letztlich leere Pressemitteilung herausgegeben. Ich darf zitieren:

Wir haben nicht länger die Worte, um das Leiden der Kinder und unsere Empörung zu beschreiben. Haben diejenigen, die das Leid verursachen, noch Worte, um ihre barbarischen Handlungen zu rechtfertigen?

UNICEF ist sprachlos. Gestatten Sie mir, kurz daran zu erinnern, dass es hier in diesem Haus – auch heute wieder – ernsthaft Forderungen gab, aktuell Flüchtlinge nach Syrien zurückzuschicken.

(Tobias Pflüger [DIE LINKE]: Skandalös!)

Wenn beklagt wird, dass dies ein Missverständnis sei, dann kann ich nur sagen: Zurückschicken und freiwillig ist in sich ein Widerspruch.

(Beifall bei der SPD)

Die humanitären Helfer verzweifeln daran, dass viele Hilfsgüter nicht durchkommen: Straßen in Syrien sind zerstört. Im Jemen sind vor einiger Zeit ganz gezielt Hafenkräne bombardiert worden. Jetzt können dort keine großen Container mehr entladen werden. Dadurch fehlen Nahrungsmittel und Impfstoffe. Im Jemen ist jetzt nach der Cholera die Diphterie ausgebrochen.

Was bedeutet das für die Kinder im Jemen? Seit der Eskalation der Gewalt 2015 sind im Jemen über 3 Millionen Kinder geboren worden. Über 5 000 Kinder sind verletzt oder getötet, 1,8 Millionen Kinder leiden an Mangel­ernährung. 400 000 dieser Kinder kämpfen deshalb um ihr Leben. Diese Kinder wachsen im Dreck auf, gehen nicht zur Schule, sind traumatisiert. Dies ist nicht nur im Jemen so; im Jemen jedoch sind praktisch alle Kinder auf humanitäre Hilfe angewiesen.

Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, es ist im Vorfeld bereits viel darüber gesprochen worden, welche politischen Initiativen es geben muss, um der schrecklichen Notlage der Menschen ein Ende bereiten zu können. Die Bombardierung der Zivilgesellschaft muss sofort aufhören. Die Belagerung von Städten, Gemeinden und Dörfern muss aufhören, damit die Menschen überleben können.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Die humanitäre Hilfe muss durchkommen. Das sind die allerersten Bedingungen, für die wir uns einsetzen müssen, um hier weiterzukommen. Aber wir werden – genauso wie in den letzten Jahren im Bundestag – die Haushaltsmittel für die humanitäre Hilfe weiter erhöhen. 2017 waren es bereits 1,2 Milliarden Euro, und wir werden weiter erhöhen müssen, nicht nur, aber auch für die Menschen im Nahen und Mittleren Osten. Das ist ein Kernanliegen der SPD, und das ist auch bei den Verhandlungen deutlich geworden. Wir werden hier nicht lockerlassen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Herzlichen Dank, Frau Kollegin Heinrich. Das war eine Punktlandung. – Als nächster Redner hat der Kollege Alexander Radwan das Wort für die CDU/CSU.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7202808
Wahlperiode 19
Sitzung 14
Tagesordnungspunkt Aktuelle Entwicklung im Nahen und Mittleren Osten
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