Katrin Helling-PlahrFDP - Vollverschleierung im öffentlichen Raum
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren!
Frauen sind dazu da, ihre Pflichten im Haus zu erfüllen. Nur in dringenden Notfällen dürfen sie das Haus verlassen. Dann aber müssen sie verschleiert sein.
So zitiert Friedensnobelpreisträgerin Malala in ihrem Buch aus einer der Radiopredigten des pakistanischen Talibanchefs.
Meine Damen und Herren von der AfD, Sie geben vor, mit Ihrem Antrag zuvorderst muslimischen Frauen helfen zu wollen. Sie wollen uns aber doch wohl nicht weismachen, dass die Männer, die ihre Frauen und Töchter bisher dazu zwingen, das Haus nur vollverschleiert zu verlassen, künftig plötzlich der Auffassung wären, ihre bisherige Auslegung des Koran ginge fehl, sie und ihre Familie hätten über Jahrhunderte geirrt. Oder wollen Sie uns glauben machen, dass diese Männer aufgrund eines entsprechenden Verbots bereit wären, gegen die jedenfalls von ihnen so verstandenen Gebote ihrer Religion zu verstoßen? Es ist doch offenkundig, was passieren würde, wenn Ihr Antrag Erfolg hätte: Frauen, die bisher von ihren Männern und Familien gezwungen werden, das Haus nur vollverschleiert zu verlassen, dürften das Haus künftig gar nicht mehr verlassen.
(Beifall bei Abgeordneten der FDP sowie der Abg. Canan Bayram [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Lachen bei der AfD)
Sie würden den Frauen also nicht helfen, sondern ihnen das letzte bisschen Freiheit und das letzte bisschen Teilhabe an unserer Gesellschaft rauben.
(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Sie verstellten ihnen auch noch den durch ihren Schleierschlitz möglichen kleinen Einblick in eine Welt, in der Frauen anders leben.
Das wissen Sie von der AfD-Fraktion auch. Also lassen Sie uns das Deckmäntelchen des Gutmenschentums, das Sie über ihr Vorhaben zu stülpen versuchen, abnehmen. In Wahrheit ist es Ihnen doch ganz recht, wenn diese Frauen künftig zu Hause bleiben. Immerhin führte das in jedem Fall dazu, dass Sie sie nicht sehen müssen.
(Beifall bei Abgeordneten der FDP)
Im Ansatz kann ich das sogar verstehen: Auch mich befremdet der Anblick einer Frau in Burka oder Nikab zutiefst.
(Zuruf von der AfD: Aha! Ehrlich?)
Aber wenn wir nicht wollen, dass sich unsere Gesellschaftsordnung an die von unfreien Ländern annähert, wenn wir weiter in einer modernen, offenen und toleranten Gesellschaft leben wollen, dann müssen wir an der Stelle, an der das Gefühl der Befremdung in uns aufsteigt, unseren Verstand einschalten.
(Beifall bei der FDP, der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Nicht alles, was befremdlich ist, gehört verboten. Kant hat gesagt: Die Freiheit des Einzelnen endet dort, wo die Freiheit des anderen beginnt. – Auch die Vollverschleierung muss in einer offenen Gesellschaft möglich sein.
(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)
Das gebietet im Übrigen bereits unser Grundgesetz. Ein Verbot der Vollverschleierung in der Öffentlichkeit würde einen verfassungsrechtlich nicht zu rechtfertigenden Eingriff in das schrankenlos gewährte Grundrecht der Religionsfreiheit bedeuten, wäre in Deutschland also nicht verfassungsgemäß.
Und wenn Sie in Ihrer Begründung auf den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, der entschieden hat, dass Verschleierungsverbote nicht gegen die Europäische Menschenrechtskonvention verstoßen, Bezug nehmen wollen, habe ich für Sie, die ja sonst an jeder Stelle höchst europakritisch unterwegs sind, eine gute Nachricht: Die Europäische Menschenrechtskonvention steht innerstaatlich nur im Rang eines einfachen Gesetzes, also in einem Rang unter dem Grundgesetz.
Sehr geehrte Damen und Herren von der AfD-Fraktion, ich unterstelle, dass auch jemand in Ihrer Fraktion diese juristische Expertise hat.
(Burkhard Lischka [SPD]: Nein!)
Schließlich stellen Sie ja sogar den Vorsitzenden des Rechtsausschusses.
(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der FDP – Canan Bayram [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Der war gut!)
Sie wissen, dass es gar nicht möglich wäre, Ihr Vorhaben verfassungskonform umzusetzen. Aber das ist Ihnen egal; denn es geht Ihnen nicht darum, hier in der Sache etwas zu erreichen, auch nicht für die innere Sicherheit.
Schätzungen gehen von einzelnen bis maximal 200 bis 300 Burkaträgerinnen in Deutschland aus. Die Burka ist in unserem Land zum Glück weder Alltags- noch Massenphänomen.
(Burkhard Lischka [SPD]: Da haben mehr Leute bunte Krawatten wie Gauland!)
Ihnen geht es nur darum, die nächste rechtspopulistische Kampagne zu fahren, und da machen wir nicht mit.
(Beifall bei der FDP, der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Torbjörn Kartes [CDU/CSU])
Herzlichen Dank, Frau Kollegin. Ihre Rede endete wiederum punktgenau, was mich freut. – Als nächste Rednerin rufe ich Frau Christine Buchholz für die Fraktion Die Linke auf.
(Beifall bei der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7202823 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 14 |
Tagesordnungspunkt | Vollverschleierung im öffentlichen Raum |