22.02.2018 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 14 / Tagesordnungspunkt 6

Thomas KemmerichFDP - ERP-Wirtschaftsplangesetz 2018

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Frau Präsidentin! Liebe Kollegen! Liebe Kolleginnen! Liebe Besucher auf der Tribüne! Liebe Zuschauer, die die Debatte über das Internet verfolgen! Selbstverständlich werden wir zustimmen. Schließlich wird hier ein Förderprogramm für den Mittelstand aufgelegt, das in erster Linie dazu dient, Wachstum, private Kapitalgesellschaften, Innovation und Export zu fördern. Es ist keine Regionalförderung. So weit zu meinem Vorredner. Die Sache mit den Eiern lasse ich einmal weg.

Ich halte es allerdings für zu wenig, wenn wir dies als Erfolg für den Mittelstand feiern und damit innehalten. Blicken wir zunächst auf die Instrumente des ERP-Programms. Ist es denn noch zeitgemäß, oder handelt es sich nur um eine immerwährende Fortführung der Maßnahmen aus den Vorjahren? Wir wissen schon heute, dass die Fördermittel insgesamt nicht abgerufen werden.

Welche Gründe wird das wohl haben? Im Umfeld der Niedrigzinspolitik ist es für viele Unternehmen trotz der Tatsache, dass Unternehmenskredite noch relativ teuer sind, wenig attraktiv, ein dermaßen bürokratisch überladenes Instrument in Anspruch zu nehmen, das von der Programmatik her unübersichtlich ist und deshalb in Durchführung und Umsetzung sehr schwierig ist.

(Beifall bei der FDP)

Auch Banker lehnen es ab. Man bedient sich lieber herkömmlicher Instrumente, der Annuitätenkredite der Sparkassen und Volksbanken, die Kapital im Überfluss haben und händeringend nach Anlagemöglichkeiten suchen. Natürlich dürfen wir nicht vergessen, dass die Nettoinvestitionen des deutschen Mittelstandes seit Jahren aufgrund konjunktureller Einflüsse rückläufig sind. Der Mittelstand denkt nicht wie der Wirtschaftsbericht von 2018 bis 2019, sondern in längeren Perioden. Wenn man einmal auf einen Horizont von zehn Jahren schaut, erkennt man durchaus dunkle Wolken in Form von Überhitzungstendenzen, in Form von Bürokratie – das wurde genannt –, aber auch in Form eines Fachkräftemangels.

(Beifall bei der FDP)

Kurz etwas zum Thema Wagnisfinanzierung. In unseren Augen ist es besser, hier einen privaten Rechtsrahmen zu schaffen, um Wettbewerbsgleichheit mit den angelsächsischen Räumen und mit anderen Strukturen, die viel erfolgreicher sind, herzustellen. Ich denke, wir sind viel zu spät und Deutschland ist das Schlusslicht. Ein Mytaxi könnte Weltmarktführer sein; es ist aber Uber. Das sollte uns zu denken geben. Wir sollten mehr der Frage nachgehen, was wir in Deutschland, in Europa wirklich dafür tun können, damit sich solche Unternehmen hier ansiedeln.

(Beifall bei der FDP)

Ich möchte noch kurz auf den KMU-Begriff eingehen. Er ist seit 2005 unverändert. Ich war die Tage bei einem mittelständischen Unternehmen. Es hat jetzt 350 Mitarbeiter und einen Umsatz von 80 Millionen Euro. Dort sagt man: Wir gehörten zu den KMU; ab heute befinden wir uns auf Augenhöhe mit BASF und anderen Global Playern. Auch da sollten wir uns fragen: Tun wir da dem unternehmerisch handelnden Mittelstand nicht einen Bärendienst? Wir sollten alles als Mittelstand definieren, wo Eigentum und Verantwortung in einer Hand liegen. Ich denke, das sollte das Hauptkriterium sein und nicht nur schiere Größe.

(Beifall bei der FDP)

Schauen wir zurück auf das, was in den letzten Jahren für den Mittelstand passiert ist. Ist das bürokratische Chaos entrümpelt worden? Jeder trägt „Bürokratieabbau“ wie ein Mantra vor sich her; passieren tut nichts. Wir haben Mindestlohndokumentationspflichten. Wir haben das Lohnentgeldgleichheitsgesetz, das Teilzeit- und Befristungsgesetz, die Arbeitsstättenverordnung, Statistiken, die zum Himmel schreien. Ich könnte das Ganze endlos ausführen. Meine Redezeit gibt es nicht her.

Wir fordern die Bundesregierung und auch die noch zu bildende GroKo dazu auf, endlich zuzupacken und etwas für den Mittelstand zu tun, und zwar nicht wie bisher: Entbürokratisierung – Fehlanzeige! Digitalisierungsstrategie für den Mittelstand – Fehlanzeige! Ein entsprechender Rechtsrahmen für die Mittelstandsfinanzierung – Fehlanzeige! Einwanderungsgesetz, das dem Mittelstand nützt – Fehlanzeige! Hier besteht ein großer Bedarf, etwas zu tun. Einen weiteren großen Bedarf sehe ich darin, etwas gegen die insgesamt schwache Akzeptanz mittelständischer Unternehmen in dieser Gesellschaft zu tun. Diese schwache Akzeptanz merkt man an Ihren Äußerungen und leider auch an dem nicht so prall gefüllten Saal.

Wir mittelständische Unternehmer tun eben nicht, was immer behauptet wird: dass wir das Finanzamt hintergehen, dass wir Mitarbeiter ausbeuten oder Kunden hintergehen. Nein, weit gefehlt. Ihr Misstrauen sollten Sie endlich überwinden. Mittelständler sind vielmehr Leute, die für sich, ihr Umfeld, ihre Familien und vieles andere eine große Verantwortung tragen und sie täglich leben.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der AfD)

Wir sollten in Deutschland endlich dazu übergehen, dem Mittelstand eher etwas zuzutrauen, als ihm zu misstrauen.

(Falko Mohrs [SPD]: Wer tut das denn?)

Wir sollten mehr mit Vertrauen als mit Verboten arbeiten. Auch das ist eine Aufgabe der Gesellschaft. Es ist nicht selbstverständlich, was im Wirtschaftsbericht niedergeschrieben ist. Es ist wichtig, dass der Mittelstand geachtet wird. Der Aufschwung ist nicht selbsttragend und keine Selbstverständlichkeit. Der Mittelstand finanziert all die Programme, die wir hier in diesem Parlament gern auflegen. Deshalb: Mehr Respekt und Hochachtung vor dem Mittelstand.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Vielen Dank, Herr Kollege Kemmerich. – Nächster Redner: Alexander Ulrich für die Fraktion Die Linke.

(Beifall bei der LINKEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7202841
Wahlperiode 19
Sitzung 14
Tagesordnungspunkt ERP-Wirtschaftsplangesetz 2018
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