Bernd RützelSPD - Sachgrundlose Befristung von Arbeitsverträgen
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich jedenfalls danke den Linken. Ich bin froh, dass heute noch einmal über diesen Antrag diskutiert wird.
(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)
Wir haben das oft getan. Ich glaube, es ist gut, dass wir so die Möglichkeit haben, über Ergebnisse unserer Koalitionsverhandlungen zu sprechen. Meine Kollegin Gabi Hiller-Ohm hat das schon wunderbar erläutert.
Ich will anhand dreier Punkte sagen, warum das für uns im Moment so wichtig ist: Wir begrenzen die erlaubten Befristungen. Wir verkürzen die Dauer. Wir schränken Kettenbefristungen drastisch ein.
(Beifall bei der SPD)
Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, IAB, hat in seinem aktuellen Heft bescheinigt, dass wir damit den stärksten Eingriff in das Befristungsrecht seit 1985 vornehmen. An dieses Jahr kann ich mich gut erinnern. 1985 hat die Kohl-Regierung die sachgrundlose Befristung eingeführt. Ich war damals 16 Jahre alt, war Jugendvertreter, bin auf die Straße gegangen und habe dagegen demonstriert, weil das ungerecht war. Deswegen bin ich froh, wenn wir jetzt wieder stark eingreifen, um hier zu regulieren, und 400 000 Menschen – so viele profitieren davon, wahrscheinlich sogar noch mehr – deutlich besser stellen.
(Beifall bei der SPD)
Manche mögen das wenig finden. Die sagen vielleicht: Ja, aber es gibt 1,3 Millionen sachgrundlos befristete Verträge, und nur 400 000 profitieren von der Vereinbarung. – Aber, Kolleginnen und Kollegen, ist das nichts? Ist das keine Verbesserung? Ist das nicht ein großer Fortschritt? Ich glaube schon, dass wir den Betroffenen schuldig sind, dass wir das tun. Wir haben jetzt die Möglichkeit dazu. Wir wollen das und werden das auch tun.
(Beifall bei der SPD)
Ich will ein Beispiel nennen. Ein Unternehmen mit 200 Beschäftigten darf künftig nur noch fünf Arbeitsverträge sachgrundlos befristen. Das ist eine deutliche Verbesserung gegenüber heute. Außerdem – ich habe es gesagt – werden wir die Zahl der unsäglichen Kettenbefristungen begrenzen. Das muss doch Ihre Zustimmung finden, liebe Kolleginnen und Kollegen, die den Antrag eingebracht haben.
Ich bin froh, dass die Union am Ende der Koalitionsverhandlungen doch noch ihren Widerstand dagegen aufgegeben hat. Das ist gut für unser Land, und irgendwann finden auch Sie gut, dass das unbefristete Arbeitsverhältnis wieder die Regel wird.
(Anja Karliczek [CDU/CSU]: Das ist doch längst die Regel!)
Ich bin nicht der Einzige, der das so sieht. Reiner Hoffmann, der DGB-Vorsitzende, schreibt, unser Verhandlungsergebnis bringe eine wichtige strukturelle Verbesserung. Auch Frank Bsirske, der Verdi-Vorsitzende, lobt die geplante Neuregelung und sagt, wir würden damit das Leben vieler Menschen verbessern.
(Beifall bei der SPD)
Und die beiden müssen es wissen.
Wir könnten uns noch mehr vorstellen, aber dafür braucht man Mehrheiten. Das ist der Unterschied zwischen realer Politik und Wünschen. Von daher lasst uns das jetzt anpacken.
Ich will noch eines sagen: Wer befristet angestellt ist, bildet seltener einen Betriebsrat und geht seltener in eine Gewerkschaft. Wer befristet beschäftigt ist, bekommt auch seltener einen Kredit bei seiner Bank und kann seine Zukunft weniger planen. Aber diese Bedingungen, dieses Miteinander haben uns doch insgesamt stark gemacht. Von daher brauchen Menschen nicht nur einen Job; sie brauchen einen sicheren Job. Das ist ein Unterschied.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Kollege Rützel, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Jawohl.
Bitte sehr.
Lieber Kollege, vielen Dank für die Gelegenheit, eine Zwischenfrage zu stellen und kurz zu intervenieren. – Sie haben von Mehrheiten gesprochen. Deswegen will ich vorwegsagen: In der letzten Legislatur hätte es die Mehrheit gegeben. Hätten Sie so viel Mut gehabt wie bei der Ehe für alle, dann hätten wir in der letzten Legislaturperiode die sachgrundlose Befristung komplett abschaffen können. Das wäre eine wunderbare Sache gewesen. Es ist schade, dass Sie den Mut nicht hatten.
Jetzt kümmern Sie sich um 400 000 Menschen; das ist schön. Aber 900 000 Menschen lassen Sie im Regen stehen. Und es gibt viele praktische Fragen, die auch die Kolleginnen und Kollegen in den Gewerkschaften – Sie haben ja einige zitiert – umtreiben. Mir stellt sich schon die Frage, wie Sie sich das eigentlich genau vorstellen. Wer soll die Schwellenwerte in den Betrieben kontrollieren? Was machen wir mit Betrieben, wo es keinen Betriebsrat gibt? Wie soll das dort geregelt werden? Das sind doch komplizierte Details, und aus unserer Sicht – wir können uns das nicht vorstellen – gibt es nur halbseidene Regelungen. Warum haben Sie nicht den Mut, die sachgrundlose Befristung komplett abzuschaffen? Stimmen Sie unserem Antrag zu!
(Beifall bei der LINKEN)
Erstens, lieber Kollege, bin ich Ihnen für diese Frage sehr dankbar; denn sie eröffnet mir die Gelegenheit, noch einmal zu betonen, dass wir wahrscheinlich viel mehr hätten machen können in der letzten Legislatur. Aber eine Regierung braucht Verlässlichkeit; das gilt für beide Seiten. Wenn man sich verabredet, zu regieren, dann hält man auch zusammen. Jeden Tag eine andere Mehrheit in diesem Hause zu suchen, bringt keine Kontinuität. Das wissen Sie – das haben Sie in die Frage hineingelegt –; darüber haben wir schon oft gesprochen.
Zweitens. Wir lassen niemanden im Regen stehen. Wir verbessern konkret das Leben vieler Menschen in Deutschland, nicht nur in diesem Bereich, auch in vielen anderen Bereichen.
(Beifall bei der SPD)
Wenn wir etwas verbessern, dann ist das auf jeden Fall besser, als nichts zu tun und niemandem zu helfen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Von daher will ich noch einmal betonen, dass durch die Vereinbarung eine deutliche Verbesserung eintritt. Ich hoffe, dass wir das, was wir in unseren Koalitionsverhandlungen vereinbart haben, bald in Regierungsverantwortung zum Wohle von mindestens 400 000 Beschäftigten umsetzen können.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD)
Danke. – Als nächsten Redner rufe ich den fraktionslosen Abgeordneten Mario Mieruch auf.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7202984 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 14 |
Tagesordnungspunkt | Sachgrundlose Befristung von Arbeitsverträgen |