22.02.2018 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 14 / Zusatzpunkt 3

Ulli NissenSPD - Aktuelle Stunde zu kostenlosem Öffentlichen Personennahverkehr

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Eine Nachricht hat uns letzte Woche überrascht. Es hieß: Der Bund will kostenlosen Nahverkehr. Viele gingen davon aus, dass dies flächendeckend für ganz Deutschland gelten soll. Wer sich dann aber genauer informiert hat, konnte nachlesen: Es geht um einen Modellversuch in fünf Kommunen. Das ist ein wichtiger Vorschlag zur Erprobung von Maßnahmen zur Verbesserung der Luftqualität.

Modellversuche in einigen Regionen halte ich für sinnvoll, dies kann aber nicht überall umgesetzt werden. In vielen Städten sind die Kapazitätsgrenzen auf vielen Linien des ÖPNV fast erreicht. In meinem Frankfurter Wahlkreis haben wir auf manchen Strecken seit 2010 einen Zuwachs von fast 60 Prozent erreicht – da geht kaum noch was. Wir versuchen in Frankfurt aber, durch neue Angebote die Menschen dazu zu bringen, auf Busse und Bahnen umzusteigen. Auf Initiative unseres Frankfurter SPD-Oberbürgermeisters Peter Feldmann hin haben wir im Dezember 2017 einen neuen Nachtverkehr für U-Bahnen am Wochenende eingeführt. Dieser Nachtverkehr wird von der Bevölkerung ausgesprochen gut angenommen. Deshalb denken wir darüber nach, diesen Nachtverkehr auf weitere U-Bahnen und Straßenbahnen auszuweiten.

Grundsätzlich müssen die Bedingungen für den ÖPNV verbessert werden. Deshalb ist es gut, dass wir im Koalitionsvertrag vereinbart haben – das werden wir umsetzen, wenn er von unseren Mitgliedern angenommen wird –, dass wir den ÖPNV deutlich besser fördern wollen. Die Mittel für das Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz, GVFG, werden bis 2021 für Aus- und Neubaumaßnahmen in zwei Schritten von derzeit 333 Millionen Euro auf 1 Milliarde Euro erhöht und – das ist wichtig – dynamisiert. Mit dem GVFG stellt der Bund Mittel für große Infrastrukturmaßnahmen zum Ausbau des Schienenpersonennahverkehrs vor Ort zur Verfügung. Damit können die Angebote im Nahverkehr ausgeweitet werden, sodass die Pendlerinnen und Pendler zum Beispiel nicht mehr in überfüllten Zügen zusammenstehen müssen. Auch dies trägt sicherlich dazu bei, dass die Bürgerinnen und Bürger bereit sind, vom Auto auf die Bahn umzusteigen.

Natürlich ist auch ein geringerer Preis ein guter Grund, umzusteigen. Auch diesbezüglich bin ich unserem Frankfurter Oberbürgermeister dankbar. Er war und ist ein großer Befürworter des 1‑Euro-Tickets. In einem ersten Schritt können jetzt erstmals Schülerinnen und Schüler für nur 1 Euro am Tag – das ist das Wiener Modell – rund ums Jahr Bus und Bahn fahren, und dies in ganz Hessen. Das finde ich großartig.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Herr Gelbhaar, in Frankfurt sind auch die Gebühren für das Einzelticket in diesem Jahr gesenkt worden. Es geht also auch anders, wenn man das will, und Oberbürgermeister Peter Feldmann will das.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Wichtig ist mir auch, dass wir im Koalitionsvertrag vereinbart haben, dass Kommunen bei der Ausschreibung von ÖPNV-Leistungen auch privaten Unternehmen soziale und ökologische Standards vorschreiben können. Noch lieber wäre es mir natürlich, wenn der ÖPNV von kommunalen Unternehmen betrieben wird.

Mit einer Senkung der Trassenpreise wollen wir mehr Güter vom Lkw auf die klimafreundliche Schiene bringen.

Die Verbesserungen beim ÖPNV sind gut und notwendig; aber nicht jeder Weg kann mit dem ÖPNV erledigt werden. Deshalb müssen wir auch bei den Kraftfahrzeugen ansetzen. Beim Nationalen Forum Diesel im Sommer 2017 sind einige Beschlüsse gefasst worden. Die Automobilindustrie war nur bereit, die Kosten für ein Softwareupdate für gut 5 Millionen Dieselfahrzeuge zu übernehmen, um die Stickoxidemissionen zu reduzieren. Die Automobilindustrie hat angegeben, dass es keine sinnvollen Nachrüstungen für die Hardware gibt. Der damalige Verkehrsminister Dobrindt hat dies geglaubt. Ich habe das schon damals arg angezweifelt. Seit dieser Woche wissen wir: Die Automobilindustrie hat wieder einmal getrickst. Der ADAC hat aktuell nachgewiesen, dass Hardwarenachrüstungen an Dieselfahrzeugen nicht nur möglich, sondern auch hochwirksam sind. Bis zu 70 Prozent innerorts und bis zu 90 Prozent außerorts weniger Schadstoffe lassen sich laut den Messungen durch Nachrüstungen an solchen Fahrzeugen erreichen. Besonders wichtig ist: In besonders belasteten Gebieten könnte dies eine Verbesserung der Luftqualität um bis zu 25 Prozent mit sich bringen.

Auch aufgrund des zu erwartenden Gerichtsurteils und des absolut notwendigen Gesundheitsschutzes ist es dringend erforderlich, dass neben den Softwareupdates an den betroffenen Dieselfahrzeugen auch ein Hardwareupdate erfolgt. Autos mit diesen Updates könnten von drohenden Fahrverboten in deutschen Innenstädten ausgenommen werden.

Aus meiner Sicht ist vollkommen klar: Die Kosten für die Nachrüstung dürfen nicht an den Verbrauchern hängen bleiben.

(Beifall bei der SPD)

Sie müssen von den Verursachern getragen werden, von der Automobilindustrie. Das hat Barbara Hendricks schon immer gefordert. Die Automobilunternehmen zahlen in den USA zig Milliarden an Strafen. Und hier wollen sie die Kundschaft mit der Übernahme der lächerlich niedrigen Kosten für die Softwareupdates abspeisen? Viele befürchten jetzt einen hohen Wertverlust ihres Fahrzeugs und haben Angst, dass sie die betroffenen Innenstädte nicht mehr befahren dürfen. Viele Handwerker sehen die Gefahr, dass sie ihren Fuhrpark stilllegen müssen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie uns den Menschen helfen und die Automobilindustrie dazu verpflichten, die Kosten für die notwendige Nachrüstung zu übernehmen.

Ich danke Ihnen ganz herzlich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD)

Als letzte Rednerin in dieser Aktuellen Stunde hat die Kollegin Daniela Ludwig für die CDU/CSU-Fraktion das Wort.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7203254
Wahlperiode 19
Sitzung 14
Tagesordnungspunkt Aktuelle Stunde zu kostenlosem Öffentlichen Personennahverkehr
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