Wolfgang KubickiFDP - Verhalten der Bundesregierung im Fall Deniz Yücel
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst einmal möchte ich mich bei meiner Fraktion bedanken, dass sie mir die Gelegenheit gibt, frei von präsidialer Zurückhaltung in die politische Debatte einzugreifen, und das auch noch zu einem AfD-Antrag. Aber ich bin böse mit euch, weil es sich um einen Antrag von intellektueller Erbärmlichkeit handelt.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Wir lesen, dass die Bundesregierung den Fall Yücel sonderbehandelt haben soll.
(Stephan Brandner [AfD]: Genau! Das haben Sie richtig gelesen, Herr Kubicki!)
– Ja. Ich komme gleich darauf zurück, Herr Brandner. – Das sei empörend. Aber statt die Bundesregierung dafür zu rügen – das wäre ja eine Maßnahme –, lenken Sie sofort auf den davon Betroffenen und erklären, er sei es nicht wert, dass man sich um ihn gekümmert habe.
(Dr. Bernd Baumann [AfD]: Das haben wir nicht gesagt! Wir sagen, dass wir froh sind, dass er frei ist!)
Sie belegen das mit Zitaten aus Kolumnen des Jahres 2011 und 2012. Alleine das ist schon erbärmlich, weil wir ja erwarten könnten, dass Sie das mit neueren Zitaten belegen würden.
(Stephan Brandner [AfD]: Ihre Rede ist erbärmlich, Herr Kubicki! Intellektuell erbärmlich! – Gegenruf der Abg. Christine Aschenberg-Dugnus [FDP]: Na, na, na!)
– Herr Brandner, das ist Ihre Meinung. Ich komme gleich darauf zurück. – „Die Welt“ hat heute dankenswerterweise dokumentiert, und zwar in unnachahmlicher Art, dass die Behauptung der Sonderbehandlung falsch ist. Das kann man auch nachvollziehen.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Ich sage Ihnen mal: Ich sehe Ihnen nach, dass Sie Satire nicht verstehen und deshalb solche Anträge stellen.
(Beifall bei Abgeordneten der FDP – Stephan Brandner [AfD]: Der Antrag ist Satire, Herr Kubicki!)
Das sehe ich Ihnen nach. Aber was ich Ihnen nicht nachsehe, Herr Brandner – ich habe gehört, Sie seien studierter Jurist –, ist, dass Sie die Bundesregierung auffordern, etwas Rechtswidriges und Verfassungswidriges zu tun. Sie fordern die Bundesregierung auf, die Missbilligung der Äußerungen eines Journalisten auszusprechen.
Sie wissen aus eigener Geschichte – Sie haben ja ein Organstreitverfahren in Sachen Wanka geführt –, dass das Verfassungsgericht festgestellt hat, dass die Bundesregierung dazu gar nicht befugt ist, weil nicht der Eindruck entstehen darf, dass hier direkt oder indirekt eine Zensur ausgeübt wird.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Sie haben sich hinsichtlich Ihrer eigenen Person über Maßnahmen der Bundesregierung beschwert. Jetzt aber kommen Sie und fordern die Bundesregierung auf, genau das zu tun, worüber Sie sich beschwert haben. Das nenne ich intellektuell ziemlich erbärmlich.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Kollege Kubicki, gestatten Sie eine Frage oder Bemerkung?
Besonders gerne, weil das meine Redezeit verlängert. Ich möchte zur Fortbildung beitragen.
Bitte.
Geehrter Herr Kollege Kubicki, die Sonderbehandlung des Herrn Yücel ist die eine Sache. Aber etwas ganz anderes ist der Umstand, dass es in diesem Hohen Hause scheinbar nicht mehr möglich ist, Äußerungen, die direkt oder indirekt den Volkstod unseres Volkes verlangen, zu rügen.
(Widerspruch bei der SPD)
Herr Kubicki, sind Sie nicht vielleicht mit mir gemeinsam der Meinung, dass das für dieses Hohe Haus ein wirklich erbärmliches Schauspiel ist?
(Beifall bei Abgeordneten der AfD)
Sie müssen bitte stehen bleiben, wenn Sie eine Antwort bekommen möchten.
(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was steht der Braun da eigentlich rum? Der hat doch auch einen Sitzplatz! Verdammt noch mal! Wann hört das eigentlich mal auf?)
Frau Präsidentin, darf ich antworten? – Zunächst einmal, Herr Kollege, hat Sie niemand daran gehindert, hier Ihre Reden zu halten und zu rügen, was Sie für rügenswert halten.
(Beifall bei Abgeordneten der FDP)
Das muss man im Rahmen der Meinungsfreiheit ertragen, und das schafft dieses Hohe Haus.
Aber Sie haben keinen Anspruch darauf, dass irgendein anderer Abgeordneter Ihrer Auffassung folgt. Das sieht die Verfassung nicht vor, und das werden wir auch nicht tun.
(Beifall bei der FDP, der CDU/CSU, der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Das war die Antwort. Sie können sich jetzt gerne wieder setzen oder auch stehen bleiben. Mir ist das relativ egal.
Die Tatsache, dass Herr Yücel sich im Hinblick auf Herrn Sarrazin danebenbenommen hat, ist gerichtsfest festgestellt worden. Wir alle haben ja mal schlechte Tage – die AfD mehr als andere –,
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)
aber jedenfalls ist die Persönlichkeitsrechtsverletzung nicht wegzudiskutieren.
(Dr. Bernd Baumann [AfD]: Das war aber keine Satire!)
Dafür muss man sich auch verantworten, und dafür durfte die „taz“ dankenswerterweise 20 000 Euro Schadensersatz an Herrn Sarrazin leisten.
(Dr. Alexander Gauland [AfD]: Viel zu wenig!)
– Das mag sein, Herr Kollege Gauland. Und jetzt komme ich zu Ihnen. Persönlichkeitsrechtsverletzungen sind übrigens auch bei Ihnen Standard. Bei Ihnen persönlich möglicherweise nicht – ich komme gleich darauf zurück –, aber bei Ihnen als AfD insgesamt ist das Standard.
(Beifall bei Abgeordneten der FDP)
Dass der Kollege Curio hier zum Doppelpass erklärt hat, dass die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung ein lebendes Beispiel dafür sei, dass die Integration gescheitert sei,
(Stephan Brandner [AfD]: Das war Satire, Herr Kubicki! Das war reine Satire!)
nehme ich noch hin. Das ist für mich grenzwertig, vielleicht auch unhöflich und unanständig, aber hinnehmbar – Banane.
Aber dass Herr Gauland außerhalb dieses Hauses erklärt, diese Frau müsse man entsorgen
(Stephan Brandner [AfD]: Das war Satire!)
– wegen dieser Satire dürft ihr jetzt gleich 20 000 Euro auf den Tisch legen, die auch Herr Yücel bzw. die „taz“ auf den Tisch legen durften, dann sind wir damit durch –,
(Beifall bei der FDP, der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
ist genau die Persönlichkeitsrechtsverletzung, die wir hier nicht wollen. Denn wer von „Entsorgen“ spricht, insinuiert dabei immer, dass es darum geht, Reste oder Abfall zu entsorgen, und ein Mensch ist kein Abfall.
(Beifall bei der FDP, der CDU/CSU, der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Alexander Gauland [AfD]: Das Wort „Entsorgen“ ist x-mal gefallen!)
Herr Gauland, die „taz“ hat sich bei Herrn Sarrazin entschuldigt. Das ist nobel und anständig. Dass Sie sich bei der Integrationsbeauftragten der Bundesregierung nicht entschuldigen, zeigt, wie unanständig Sie eigentlich sind. Das ist keine Politik, die wir in Deutschland wollen.
(Beifall bei der FDP, der CDU/CSU, der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Ich bin in diesem Land geboren worden. Ich bin hier aufgewachsen und habe alle Möglichkeiten gehabt. Ich bin stolz auf dieses Land, und ich möchte nicht dauernd in Situationen kommen, in denen ich mich dafür schämen muss, dass politische Entscheidungsträger in diesem Land wieder so reden wie Sie.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der FDP, der CDU/CSU, der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Das Wort hat der Kollege Jan Korte für die Fraktion Die Linke.
(Beifall bei der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
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Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 14 |
Tagesordnungspunkt | Verhalten der Bundesregierung im Fall Deniz Yücel |