Einen schönen guten Abend! Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Schwangerschaftsabbruch ist ein wirklich sensibles und durchaus schwieriges Thema. Ungewollte Schwangerschaften führen nicht selten zu Konflikten, für die betroffenen Frauen auf jeden Fall zu schwierigen Entscheidungen. Deshalb, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist es so wichtig, dass sich schwangere Frauen gut und ausführlich informieren können, bevor sie eine solche Entscheidung treffen.
(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Dabei spielen Ärztinnen und Ärzte eine ganz entscheidende Rolle.
(Zurufe der Abg. Dr. Silke Launert [CDU/CSU])
Ärztinnen und Ärzte sind diejenigen, die mit Sachverstand, mit Erfahrung kompetent über Schwangerschaftsabbrüche informieren und aufklären können. Nichts anderes hat die Gießener Ärztin Kristina Hänel getan.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)
Sie hat auf ihrer Internetseite eine PDF-Datei mit allgemeinen Informationen über Schwangerschaftsabbrüche eingestellt und auf die Möglichkeit hingewiesen, diese in der Praxis vornehmen zu lassen. Sie wurde deswegen nach § 219a StGB vom Amtsgericht Gießen am 24. November letzten Jahres zu 6 000 Euro Geldstrafe verurteilt.
Lassen Sie eine Zwischenfrage zu?
Nein. – Und zwar deswegen, weil das Amtsgericht der Meinung war, dass schon diese objektive Information den Tatbestand Werbung erfüllt
(Zurufe der Abg. Dr. Silke Launert [CDU/CSU])
und dass bereits die Tatsache, dass Ärztinnen und Ärzte ein Honorar bekommen, einen Vermögensvorteil darstellt.
Die Folgen dieses Urteils sind gravierend, liebe Kolleginnen und Kollegen. Sie führen einerseits zu Rechtsunsicherheit bei Ärztinnen und Ärzten. Denn wo ist die Abgrenzung zwischen objektiver Information, auf die alle Frauen angewiesen sind, und Werbung? Ich persönlich bin der Auffassung, diese Entscheidung greift auch in die Berufsfreiheit der Ärztinnen und Ärzte nach Artikel 12 Absatz 1 Grundgesetz ein; denn sie sind nicht mehr in der Lage, objektiv zu informieren.
(Beifall bei der SPD und der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Die gravierendsten Auswirkungen hat es für die betroffenen schwangeren Frauen; denn sie werden unzumutbar in ihrer Möglichkeit beschränkt, sich einen Arzt oder eine Ärztin frei zu wählen und sich informieren zu lassen.
Deshalb ist die Position der SPD-Bundestagsfraktion ganz klar: § 219a muss gestrichen werden.
(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Wir haben das bereits am 11. Dezember in einem Gesetzentwurf formuliert.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich will in Richtung Union ganz deutlich sagen: Dieses eine Urteil zeigt, dass wir hier als Gesetzgeber im Deutschen Bundestag Handlungsbedarf haben.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der FDP, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Wir können das nicht den Gerichten überlassen, und wir können auch nicht warten, bis es 100 weitere Urteile gibt. Es gibt massiv Anzeigen und auch schon Klagen. Wir müssen vielmehr erkennen, dass es hier Handlungsbedarf gibt.
§ 219a, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist nicht mehr zeitgemäß.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Denn Schwangerschaftsabbrüche sind noch unter Strafe gestellt, aber sie sind straffrei. Das ist das Gesamtkonstrukt des §§ 218 ff., und § 219a bewirkt, indem er zu einer Strafbarkeit für objektive Information führt, genau das Gegenteil dessen, was eigentlich mit dem Gesamtkonstrukt gemeint ist.
Lassen Sie eine Zwischenfrage zu?
Nein.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Wir dürfen uns hier im Bundestag nicht wegducken. Wir haben Handlungsbedarf. Wir müssen den § 219a streichen oder ändern.
Ich werbe noch einmal ganz ausdrücklich dafür, dass wir das fraktionsübergreifend machen.
(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)
Wir haben ja gute Erfahrungen damit gemacht, liebe Kolleginnen und Kollegen – bei der Reform des § 218, bei der Quote und zuletzt in der letzten Legislaturperiode bei der Reform des Sexualstrafrechts –, dass wir versuchen, bei diesen sensiblen Fragen im Deutschen Bundestag eine breite Mehrheit zu erzielen. Es ist eine Gewissensentscheidung. Es ist ein ganz sensibles Thema, wie ich schon sagte, und ich hoffe sehr, dass wir gemeinsam im Deutschen Bundestag erstens den Handlungsbedarf erkennen und zweitens eine wirklich gute Lösung finden: für das Selbstbestimmungsrecht der Frauen, für die Rechte der Ärztinnen und Ärzte und natürlich letztendlich auch für den Schutz des ungeborenen Lebens.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Zu einer Kurzintervention erteile ich das Wort dem Kollegen Volker Münz von der AfD-Fraktion.
(Beifall bei der AfD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7203321 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 14 |
Tagesordnungspunkt | Werbung für Schwangerschaftsabbruch - § 219a StGB |