23.02.2018 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 15 / Tagesordnungspunkt 15

Wolfgang Schäuble - Verbraucherrichtlinie - Handwerkerwiderruf

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Hohes Präsidium! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Im Grunde ist Verbraucherschutz etwas Gutes. Der grundlegende Zweck des Verbraucherschutzes besteht darin, Ungleichgewichte zwischen Lieferanten, das heißt Unternehmen, und Kunden, das heißt Verbrauchern, zu beseitigen, da Letztere manchmal im Nachteil sind.

Die EU-Verbraucherrechterichtlinie und ihre nationale Umsetzung haben dieses Ungleichgewicht aber nur umgedreht und verschlimmbessert, anstatt es zu korrigieren. Jetzt sind die Unternehmen im Nachteil. Das betrifft vor allem inhabergeführte Unternehmen des kleinen Mittelstandes. Gleichzeitig werden auch die Verbraucher verwirrt. Der Grund ist eine absurde Überregulierung jenseits des reellen Lebens.

Durch die Ausweitung der Informationspflichten der Unternehmer und der Widerrufsrechte der Verbraucher sollen Letztere geschützt werden – zu Recht –, wenn sie bei Haustürgeschäften über den Tisch gezogen werden, wenn also Drückerkolonnen ungefragt auftauchen und Verbrauchern an der Haustüre Unnützes aufschwatzen.

Doch der Amtsschimmel hat überzogen. Er hat die seit 2014 geltenden Regeln, die für dubiose Haustürgeschäfte sinnvoll sind, auf alle Geschäfte ausgedehnt, bei denen Leistungserbringung und Auftragserweiterung außerhalb der Geschäftsräume des Unternehmens erfolgen, nämlich beim Kunden.

Hunderttausende ehrlicher Handwerker, Freiberufler, IT-Betreuer usw., die ihre Leistungen nicht im Büro, sondern beim Kunden erbringen – und das auf seinen ausdrücklichen Wunsch hin –, werden mit Drückerkolonnen gleichgesetzt und in Rechtsunsicherheit und Existenznöte getrieben.

(Beifall bei der AfD)

Ein einfaches Beispiel: Der Kunde wünscht zusätzlich zur bisher vereinbarten Leistung spontan die Installation einer weiteren Steckdose in seiner Wohnung. Die früheren Regelungen erlaubten dem Elektriker, diese Auftragserweiterung vor Ort unbürokratisch zu erledigen: Art und Umfang der zusätzlichen Leistung auf den Angebotszettel schreiben, Preis, Datum, Kundenunterschrift, fertig, aus die Maus.

Nicht aber so die seit 2014 gültigen Regeln: Entweder muss jetzt der Handwerker die Installation beim Kunden zu Hause abbrechen und mit dem Kunden in seine Geschäftsräume fahren – was abwegig ist –, oder der Elektriker macht vor Ort zusätzliche Angaben, die er dem Kunden schriftlich aushändigen muss. Das sind: Eigenschaft der Ware oder Dienstleistung inklusive Art der Preisberechnung, Zahlungs-, Lieferungs-, Leistungsbedingungen inklusive Lieferfristen, Mängelhaftungsrecht, Garantieansprüche sowie Widerrufsbelehrungen und Belehrungen zum Verlust des Widerrufsrechts bei Leistungserfüllung innerhalb der 14-tägigen Widerrufsfrist usw. usf. Der Kunde ist doch an einer sofortigen Leistungserfüllung bei sich zu Hause interessiert, aber die Belehrungslitanei wird zum Hauptarbeitsinhalt des Elektrikers – anstatt die geforderte Steckdose zu verlegen.

(Beifall bei der AfD)

Vergisst der Handwerker nur einen Punkt des Belehrungsreigens, verlängert sich die Widerrufsfrist von 14 Tagen auf maximal ein Jahr und 14 Tage. Der Vertrag kann während dieser Frist vom Verbraucher ohne Grund angefochten und das Geld zurückgefordert werden – ein Sachmangel muss nicht vorliegen –, wobei ja nicht mehr zurückgefordert werden kann, was schon verbaut worden ist. Das führt dazu, dass viele Betriebe schon um vier- bis fünfstellige Euro-Beträge geprellt wurden; der Bau ganzer Treppenhäuser oder Dächer wurden wegen fehlender Belehrung nicht bezahlt.

(Dr. Manuela Rottmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was? – Beifall bei Abgeordneten der AfD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen der FDP und auch der Mittelstands-Union, ich beschreibe hier eine gemeinsame Position von uns allen. Jetzt könnten Sie auch mal klatschen, obwohl es von der AfD kommt.

(Beifall bei der AfD – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Wir klatschen, wann wir wollen! Hören Sie sich gleich mal die nächste Rede an! Dann wissen Sie, wer klatschen muss!)

Wenn Sie nicht klatschen, dann heißt das: Sie haben das Mittelstandsthema uns, der AfD, schon lange kampflos überlassen. Dafür möchte ich mich bei Ihnen bedanken.

(Beifall bei der AfD – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Sie kennen die anderen Reden ja noch gar nicht!)

Das Ganze, um das es sich hier dreht, ist kein Verbraucherschutz mehr, sondern Unternehmensgängelei – bei gleichzeitiger Verwirrung vieler Verbraucher durch bürokratische Lehrstunden. Daher beantragt die AfD Folgendes:

Erstens. Die Bundesregierung soll bei der nationalen Umsetzung der EU-Richtlinie überprüfen, ob Spielräume für eine minder bürokratische Umsetzung vorhanden sind, und diese legislativ nutzen.

Zweitens. Falls dies nicht oder nur unzureichend möglich ist, soll die Bundesregierung über den EU-Rat die EU-Kommission auffordern, die EU-Richtlinie bürokratisch zu entrümpeln.

Werte Kollegen und Kolleginnen aller Fraktionen, die AfD und ich laden Sie herzlich zur konstruktiven Mitarbeit an unserem Antrag ein – das heißt über alle Partei- und alle Fraktionsgrenzen hinweg –, damit wir für die Betroffenen etwas erreichen – was unsere gemeinsame Aufgabe in diesem Hohen Haus ist –,

(Beifall bei der AfD)

nämlich, erstens, einen fairen Ausgleich der berechtigten Interessen von Verbrauchern und Unternehmen – es sind vorwiegend Unternehmen des inhabergeführten, kleinen Mittelstandes – und, zweitens, Entlastung dieser mittelständischen Firmen von einer existenzbedrohenden, bürokratischen Überregulierung, die gerade den Verbrauchern, die eigentlich geschützt werden sollen, aufgrund ihrer Absurdität oft nix nützt.

Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit, und ich bedanke mich beim Herrn Präsidenten.

(Beifall bei der AfD)

Jetzt erteile ich dem Kollegen Dr. Hendrik Hoppenstedt, CDU/CSU-Fraktion, das Wort.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7203383
Wahlperiode 19
Sitzung 15
Tagesordnungspunkt Verbraucherrichtlinie - Handwerkerwiderruf
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