Sarah RyglewskiSPD - Verbraucherrichtlinie - Handwerkerwiderruf
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren von der AfD, Bürokratie- und EU-Schelte sind – das haben wir jetzt schon ein paarmal gehört – sozusagen Ihr Lieblingsstilmittel.
(Jürgen Braun [AfD]: Wir haben etwas gegen Bürokratie, im Gegensatz zu Ihnen!)
Es ist nur blöd, wenn das, wie beim vorliegenden Antrag, vollkommen ins Leere läuft.
Schauen wir uns doch einmal ganz genau an, worum es hier geht. In Bezug auf die Widerrufsregeln wurde in der Verbraucherrechterichtlinie eigentlich nur Selbstverständliches geregelt. Ziel war es, Rechtssicherheit für Verbraucherinnen und Verbraucher, aber gerade eben auch für Handwerker und andere Dienstleister zu schaffen. Wir haben das vorhin schon gehört: Das ist keine ganz unkomplizierte Materie; aber dank der vorliegenden Richtlinie ist es möglich, genau zu wissen: Wie muss ich belehren, was muss ich dem Kunden vor Vertragsabschluss mitteilen, und was für Folgen können entstehen? So zu tun, als wäre das nur einseitig für Verbraucherinnen und Verbraucher sinnvoll, ist absoluter Quatsch. Vielmehr befinden wir uns eigentlich in einer guten Situation.
Natürlich geht es nicht nur um Vertragsabschlüsse mit irgendwelchen windigen Drückerkolonnen. Es gibt auch Situationen – der Kollege Hoppenstedt hat das beschrieben –, wo man, auch fernab der berüchtigten Kaffeefahrten oder des klassischen Haustürgeschäfts, einen Vertrag abgeschlossen hat, den man später aus gutem Grund widerrufen möchte. Vielleicht hat man für die Wandgestaltung diese oder jene Farbe ausgewählt, weil der Innenarchitekt das so schön beschrieben hat, aber sobald man im Rohbau steht, weiß man, dass man diese Farbe doch nicht haben möchte. Dafür gibt es dieses Widerrufsrecht.
Ich nenne einen weiteren klassischen Fall: Man bestellt den Schlüsseldienst. Der reist an und sagt: Sie sind in einer Notlage; wenn Sie möchten, dass ich Ihnen die Tür öffne, kostet das so und so viel Geld. Ich kann dann sagen: Das will ich nicht. Hinzu kommt, dass ich, bevor er den Auftrag ausführt, einen Anspruch darauf habe, zu erfahren, wie viel das kostet, und zwar inklusive aller versteckten Nebenkosten.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der LINKEN und der Abg. Tabea Rößner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Auch dass Handwerker ihren Kundinnen und Kunden ganze „Sammelmappen“, wie Sie es in Ihrem Antrag genannt haben, vorlegen müssen, ist absoluter Quatsch. Der Zentralverband des Deutschen Handwerks hat eine gute Internetseite. Sie kriegen es hin, in einem kleinen Kasten zu beschreiben, über was Kundinnen und Kunden, Verbraucherinnen und Verbraucher belehrt werden müssen. Man hat die Möglichkeit, sich Musterwiderrufsbelehrungen und Musterinformationen herunterzuladen; das alles ist überhaupt kein Problem.
(Tino Chrupalla [AfD]: Das wissen sie doch gar nicht!)
– Bei dem klassischen Handwerker ist es noch nicht angekommen, dass es ein Internet und einen Zentralverband des Deutschen Handwerks gibt? Das finde ich interessant.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Im Wesentlichen geht es darum, dass die Verbraucherinnen und Verbraucher wissen, was sie kaufen oder bestellen. Vor Vertragsabschluss muss also genau gesagt werden, um was es eigentlich geht, wer es anbietet oder erbringt – damit im Zweifelsfall klar ist, wem gegenüber Gewährleistungsansprüche bestehen –, unter welchen Bedingungen der Vertrag geschlossen wird, also was die Ausführung eines Auftrags beinhaltet, was die Zahlungs-, Liefer- und Leistungsbedingungen sind, und was es kostet. Das sind Dinge, die jeder von uns vor Abschluss eines Vertrages wissen möchte.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Hinzu kommen noch die entsprechenden Informationen über das Widerrufsrecht und die Fristen; das hat Herr Hoppenstedt schon ausgeführt. Ein Bürokratiemonster sieht anders aus. Auch für Ihre Sammelmappe reicht das bei weitem nicht.
Diese strikten Vorschriften gelten außerdem nicht für alles. Sie entfallen dort, wo sie keinen Sinn machen oder mit erheblichen Nachteilen für den Handwerker verbunden wären. Wenn ich beispielsweise zu Hause einen Rohrbruch habe und dringend jemanden brauche, der mir das repariert, und ich der Ausführung ausdrücklich zustimme, nachdem mir gesagt wurde, was es kostet und was genau gemacht wird, und ich darüber informiert wurde, dass ich auf mein Widerrufsrecht verzichte, wenn ich zustimme, dann bin ich raus. Das ist doch absolut praxistauglich.
(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Dr. Hendrik Hoppenstedt [CDU/CSU])
Ich finde es interessant, meine sehr geehrten Damen und Herren von der AfD, dass Sie immer so tun, als ob hier Gesetze im luftleeren Raum beschlossen werden. Üblich ist im Deutschen Bundestag ein Gesetzgebungsverfahren, das betroffene Verbände während des Gesetzgebungsprozesses einbezieht. Dieses Gesetz ist also nicht entstanden, ohne die Handwerker und ihre Zentralverbände und die Handwerkskammern entsprechend einzubinden. Vielleicht ist das auch Grund dafür, dass es seit der Umsetzung der Verbraucherrechterichtlinie in deutsches Recht eigentlich keine Beschwerden gegeben hat.
(Tino Chrupalla [AfD]: Das ist ja unfassbar!)
– Sowohl der Zentralverband des Deutschen Handwerks – –
(Tino Chrupalla [AfD]: Ich bin Handwerker! Ich kann Ihnen das sagen!)
– Nein, das müssen Sie nicht, und Sie müssen auch nicht schreien.
(Tino Chrupalla [AfD]: Doch! Weil Sie Unsinn erzählen!)
– Nein, das tue ich nicht.
(Tino Chrupalla [AfD]: Das ist absoluter Quatsch!)
Es gibt immer Einzelfälle, wo es Probleme gibt;
(Tino Chrupalla [AfD]: Einzelfälle! Genau!)
aber wir machen hier Gesetze für die Allgemeinheit und nicht für Einzelfälle.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Wir haben sowohl vom Zentralverband des Deutschen Handwerks als auch von den Handwerkskammern, die ja üblicherweise meinungsstark sind – das meine ich in positivem Sinne –, nichts Negatives gehört. Im Gegenteil: Auf ausdrückliche Nachfrage haben sie betont, dass es aus ihrer Sicht keine Probleme gibt.
(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Elisabeth Winkelmeier-Becker [CDU/CSU] – Tino Chrupalla [AfD]: Das ist unfassbar! Das ist typisch SPD!)
Sie wissen ganz genau, dass es Einzelfälle sind; denn Sie haben in Ihrem Antrag keinen einzigen Lösungsvorschlag gemacht. Da steht nur, man möge es überprüfen und möglicherweise anpassen. Sagen Sie doch einmal, was eine praxistaugliche Lösung wäre.
(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Elisabeth Winkelmeier-Becker [CDU/CSU] – Beatrix von Storch [AfD]: Abschaffen!)
– Super. Schaffen wir doch alle Gesetze ab, dann haben wir keine Probleme mehr damit. – Ich kann aber verstehen, dass Sie keine Lösung vorschlagen. Lösungen für Scheinprobleme fallen wahrscheinlich jedem schwer.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Ich mache jetzt einmal einen konstruktiven Vorschlag, weil uns allen das Handwerk am Herzen liegt: Ich lade Sie ganz herzlich dazu ein, sich einmal mit einer ganz konkreten Forderung des Zentralverbands des Deutschen Handwerks näher zu beschäftigen. Dieser fordert als Beitrag zur Deckung des Fachkräftebedarfs ein Einwanderungsgesetz.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Den entsprechenden Gesetzentwurf der SPD-Fraktion kann ich Ihnen bei Interesse gerne zuleiten.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Jetzt erteile ich dem Kollegen Roman Müller-Böhm, FDP-Fraktion, das Wort zu seiner ersten Rede im Deutschen Bundestag.
(Beifall bei der FDP sowie des Abg. Dr. Hendrik Hoppenstedt [CDU/CSU])
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7203387 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 15 |
Tagesordnungspunkt | Verbraucherrichtlinie - Handwerkerwiderruf |