23.02.2018 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 15 / Tagesordnungspunkt 16

Alexander Graf LambsdorffFDP - Europäische Außenpolitik - Rolle der Hohen Vertreterin

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Vielen Dank. – Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir blicken in diesen Tagen – das ist schon mehrfach gesagt worden – voller Entsetzen nach Syrien, auf die Angriffe in Ost-Ghuta, und stellen fest, wenn wir auf dieses Armageddon schauen, dass Europa völlig machtlos ist, irgendetwas zu tun, etwas zu verhindern oder zu verbessern. Die Frage, die wir uns stellen müssen – wir alle in diesem Parlament genauso wie in den anderen nationalen Parlamenten und im Europäischen Parlament –, ist: Muss das eigentlich sein? Muss Europa so machtlos auf eine solche Entwicklung in seiner Nachbarschaft blicken? Ich glaube, die Antwort darauf lautet Nein. Wenn Europa geschlossen agiert, dann können wir auch Einfluss nehmen.

Gestern in der Debatte hier im Haus waren es hilflose Appelle an andere, die dafür sorgen sollten, dass sich die Lage verbessert. Wir selber als Europäer spielen keine Rolle. Ich glaube, das ist eine Situation, die wir ändern müssen. Wir können auch in schwierigen Fragen als Europäer gemeinsam etwas erreichen. Denken Sie nur an den Vertrag über die Beendigung des iranischen Nuklearprogramms oder an die Situation im Kosovo. Europa war da geeint, und deswegen war Europa auch erfolgreich.

Die Stoßrichtung der Politik, auf europäischer Ebene mehr gemeinsam zu machen, wird im Übrigen von der breiten Bevölkerung getragen. Laut einer Umfrage von Allensbach –, so heißt es heute in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ –, wollen fast drei Viertel der Bürgerinnen und Bürger in Deutschland, dass die Außenpolitik gemeinsam und europäisch gestaltet wird. Von der Bundesregierung kommen dazu allerdings eher Lippenbekenntnisse als konkrete Handlungen.

Als der Europäische Auswärtige Dienst geschaffen wurde, war sein Ziel – so steht es im Vertrag –, die „consistency“ der europäischen Außenpolitik herbeizuführen. Das übersetzt man ins Deutsche mit Kohärenz; auch das versteht kein Mensch. Im Grunde geht es darum, dass wir eine Außenpolitik aus einem Guss wollen. Diese Außenpolitik aus einem Guss ist das Ziel. Aber was ist die Realität? Die Realität ist, dass auch die Bundesrepublik Deutschland ständig in Abstimmungstreffen nur mit den Franzosen, Amerikanern und Engländern zusammensitzt, ohne dass der Europäische Auswärtige Dienst hinzugezogen wird. Das ist ein Direktoriumsansatz, der dort verfolgt wird; es ist kein europäischer Ansatz. Es ist zwar richtig, sich im kleinen Kreis zu treffen; man muss das manchmal tun. Aber dann muss der Europäische Auswärtige Dienst hinzugezogen werden, auch weil wir in der Europäischen Union viele kleine Mitgliedstaaten haben, die über den Europäischen Auswärtigen Dienst gehört werden können. Wer glaubt, dass kleine Mitgliedstaaten nichts beizutragen hätten, irrt. Ich erinnere an den Harmel-Bericht – Harmel war Belgier – zur Lage der NATO oder an die Vermittlungsbemühungen des Finnen Martti Ahtisaari. Zurzeit ist ein Portugiese Generalsekretär der Vereinten Nationen. Die kleinen Nationen spielen also eine wichtige Rolle. Binden wir sie ein! Hören wir mit diesem Direktoriumsansatz auf!

(Beifall bei der FDP)

Man kann einige Maßnahmen praktischer Art ergreifen, um den Europäischen Auswärtigen Dienst zu stärken. Es ist völlig ausgeschlossen, dass die europäische „Außenministerin“ Mogherini ständig überall ist. Bisher verhindern die Mitgliedstaaten aber das, was sie national als selbstverständlich nehmen, nämlich politische Stellvertretung. Wir haben Staatsminister im Auswärtigen Amt. Ich vermute, einer sitzt hier auf der Regierungsbank. – Nein, das Auswärtige Amt ist gar nicht vertreten. Das ist etwas beunruhigend angesichts dieser Debatte. Das zeigt vielleicht auch den Stellenwert, den das Auswärtige Amt diesem Thema beimisst. Ich finde das ausgesprochen beunruhigend.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der AfD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Immerhin hat das Auswärtige Amt Staatsminister. Solche müssen wir auch der Hohen Vertreterin zur Seite stellen. Wir müssen zu mehr Mehrheitsentscheidungen kommen, Blockademöglichkeiten aufbrechen und die Finanzstrukturen vereinfachen. Wir brauchen – das ist das große Ziel – eine gemeinsame strategische Kultur in der Europäischen Union; so hat es Präsident Macron in seiner Rede genannt. Richtig ist: Noch haben wir eine gemeinsame strategische Kultur nicht auf allen Feldern. Aber wir müssen sie gemeinsam entwickeln. Es kann nicht sein, dass sich Europa immer auf andere verlässt, wenn es darum geht, unsere Ideale zu respektieren, unsere Werte zu schützen und unsere Interessen zu verteidigen.

Meine Damen und Herren, stärken wir die europäische Außenpolitik! Machen wir aus dem Europäischen Auswärtigen Dienst das, wofür er gedacht ist, nämlich die zentrale Plattform, auf der wir eine gemeinsame Politik für alle Europäerinnen und Europäer entwickeln.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

Jetzt erteile ich das Wort dem Kollegen Thorsten Frei, CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7203396
Wahlperiode 19
Sitzung 15
Tagesordnungspunkt Europäische Außenpolitik - Rolle der Hohen Vertreterin
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