Nils SchmidSPD - Humanitäre Katastrophe im Jemen
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Voltaire soll den Jemen einmal als das angenehmste Land der Erde bezeichnet haben. Leider entspricht die Situation – sie ist vielfach beschrieben worden – im Jemen genau dem Gegenteil. Die Menschen, ob sie schon lange dort leben oder ob sie dort gestrandet sind, weil sie aus Somalia geflüchtet sind, müssen den Jemen seit vielen Monaten eher als Hölle auf Erden begreifen.
Deshalb will ich noch einmal einführend kurz darauf hinweisen: Ja, es ist die größte humanitäre Katastrophe, die sich zurzeit in der Welt abspielt. Es fehlt an allem: an Nahrung, an sauberem Trinkwasser, an einer funktionierenden Gesundheitsversorgung. Über 22 Millionen Menschen – zwei Drittel der Bevölkerung – sind auf Hilfe, insbesondere auf Nahrungshilfe, angewiesen. Die Vereinten Nationen und ihre Hilfswerke kämpfen gegen Diphtherie und vor allem gegen die weltweit größte Cholera-Epidemie. Mehr als 90 Prozent des Gebietes des Jemens sind hiervon betroffen.
Zur Lagebeschreibung gehört auch, zu sagen: Die militärische Intervention der saudi-arabisch geführten Koalition konnte den Konflikt nicht entscheiden oder gar lösen. Das Gegenteil ist der Fall. Die humanitäre Lage im Land hat sich im Zuge von Seeblockaden und der Zerstörung ziviler Ziele dramatisch verschlechtert. Der ehemalige VN-Sondergesandte für den Jemen, Ismail Ould Cheikh Ahmed, hat sich drei Jahre lang vergeblich um eine politische Lösung bemüht. Doch trotz der wachsenden internationalen Kritik und der katastrophalen Lage im Land hält die saudisch geführte Koalition an ihrem Kurs fest. Auf der anderen Seite tragen auch die Huthi-Rebellen ihren Teil zur Eskalation bei. Mit Raketenangriffen auf Saudi-Arabien nehmen sie zudem bewusst auch zivile Opfer in Kauf.
Herr Kollege, Herr Neu hätte noch eine Zwischenfrage. Gestatten Sie das?
Bezieht sich die Frage auf meine Ausführungen, oder wollen Sie gleich wieder zu den Rüstungsexporten kommen?
(Dr. Alexander S. Neu [DIE LINKE]: Das können wir machen, wie Sie wollen!)
– Bitte.
Herr Kollege Schmid, Frau Motschmann hat sich außerstande gesehen, meine Frage zu beantworten, welche Staaten künftig nicht mehr mit deutschen Rüstungsgütern versorgt werden sollen, weil sie in dem Jemen-Konflikt direkt involviert sind. Sie verwies auf den Bundessicherheitsrat, der natürlich geheim tagt und die Informationen nicht preisgibt.
Meine Frage an Sie: Wissen Sie als Teil der SPD und sicherlich auch als Teil der Arbeitsgruppe, welche Staaten damit gemeint sind? Wenn Sie nicht Teil der Arbeitsgruppe waren: Können Sie mir die Anschrift eines MdB oder eines Parteimitgliedes nennen, der Teil dieser Arbeitsgruppe war und diese Auskunft geben könnte? Es ist von großem Interesse für die Menschen in Deutschland, zu wissen, welche Staaten damit gemeint sind.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Dazu komme ich noch, sehr geehrter Herr Kollege Neu. – Mir geht es jetzt erst einmal darum, dass wir uns die Lage vor Augen halten. Wir wollen die Lage und die Rolle des Irans nicht unterschätzen. Wir wissen, dass er vermutlich die Huthi-Rebellen unterstützt, indem er Waffen liefert und für Ausbildung sorgt. Wenn man diese hochkomplexe Gemengelage zusammennimmt, dann ist eine Engführung auf die Frage deutscher Waffenexporte einfach unzureichend, auch wenn ich gerne darauf eingehen will.
Ich will zunächst einmal sagen, was unser Handeln leitet. Wir wollen uns weiterhin für eine politische Lösung des Konflikts unter der Leitung der Vereinten Nationen einsetzen. So ist es auch im Koalitionsvertrag benannt. Wir unterstützen deshalb auch den neuen UN-Sondergesandten für den Jemen, Martin Griffiths, in seiner Arbeit. Er wurde in der vorigen Woche zu Gesprächen im Auswärtigen Amt empfangen. Wir unterstützen vor allem auch die Arbeit der internationalen Expertenkommission im Jemen, die dort in alle Gebiete reisen können muss und nicht von bestimmten Gebieten ausgeschlossen werden darf. Wir werden weiterhin die humanitäre Hilfe im Jemen unterstützen. Wir sind drittgrößter Geber. Die Kollegin von der CDU/CSU hat darauf hingewiesen. Im Jahr 2017 waren es allein 165 Millionen Euro.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Die Waffenexporte sind in Deutschland schon mit den restriktivsten und transparentesten Regelungen im Vergleich zur gesamten EU ausgestattet.
(Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Theoretisch! – Stefan Liebich [DIE LINKE]: Funktioniert nur nicht!)
Lassen Sie mich eines festhalten: Sozialdemokraten haben maßgeblich daran mitgewirkt, dass es so weit gekommen ist.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Deshalb haben wir in den Koalitionsverhandlungen durchgesetzt, dass ab sofort keine Ausfuhren von Rüstungsgütern an Länder genehmigt werden, die unmittelbar am Jemen-Krieg beteiligt sind.
(Ottmar von Holtz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Welche sind das?)
Darauf haben Sie zu Recht hingewiesen. Erlauben Sie mir übrigens den Hinweis, dass ich aus den Dokumenten rund um die Jamaika-Sondierungen keinerlei Hinweise auf eine solche Regelung gefunden habe.
(Beifall bei der SPD)
Herr Kollege, der Kollege Trittin hat eine Zwischenfrage. Lassen Sie sie zu?
Lassen Sie mich das erst ausführen, dann können Sie Ihre Frage stellen. Vielleicht erledigt es sich auch ja, Herr Kollege Trittin.
(Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich fürchte, nicht!)
Lassen Sie mich darauf hinweisen, dass diese klare Haltung der noch nicht ins Amt gekommenen zukünftigen Bundesregierung durchaus einige Aufmerksamkeit, insbesondere in Saudi-Arabien, hervorgerufen hat. Wenn Sie die jüngsten Pressemeldungen lesen, dann wissen Sie, dass die saudi-arabische Regierung die Botschaft, die hinter dieser Aussage des Koalitionsvertrages steht, verstanden hat. Deshalb werden wir das, was im Koalitionsvertrag vereinbart ist, umsetzen, wenn er angenommen wird.
Sie fragen, wie es umgesetzt wird. Sie kennen genauso gut wie ich die Regeln.
(Ottmar von Holtz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nennen Sie ein paar Ländernamen!)
Rüstungsexporte sind Einzelfallentscheidungen. Die werden vom Bundessicherheitsrat getroffen. Wenn wir entscheiden, welche Rüstungsexporte in Drittländer genehmigt werden sollen, kommt es entscheidend darauf an, ob sie sich mit den beantragten Rüstungsgütern unmittelbar an dem Jemen-Konflikt militärisch beteiligen werden oder nicht.
(Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das reicht nicht aus!)
Das wird dann jeweils im Einzelfall zu entscheiden sein.
Jetzt kann man festhalten, dass die wesentliche militärische Beteiligung vonseiten Saudi-Arabiens und der Vereinigten Arabischen Emirate erbracht wird. So ist die Sachlage, wenn ich richtig informiert bin. Deshalb werden zukünftig Rüstungsexporte in diese Länder besonders genau geprüft und im Zweifel im Einzelfall selbstverständlich abgelehnt werden, so wie es Übung in den Entscheidungsgremien der Bundesregierung ist. Da machen Sie sich einmal keine Sorgen.
(Beifall bei der SPD – Tobias Pflüger [DIE LINKE]: Natürlich!)
Wir werden diese Passage des Koalitionsvertrages genauso getreulich umsetzen wie die anderen 180 Seiten.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der SPD)
Ich erteile das Wort zu einer Kurzintervention dem Kollegen Trittin.
Source | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
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Electoral Period | 19 |
Session | 15 |
Agenda Item | Humanitäre Katastrophe im Jemen |