Stefan LiebichDIE LINKE - Humanitäre Katastrophe im Jemen
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich bin ja von der SPD viel gewohnt; aber heute haben Sie dem Fass den Boden ausgeschlagen.
(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Ganz ehrlich: Ich glaube, Sie wollen uns alle hier für dumm verkaufen. Ich fand das Ergebnis, das die Grünen bei den Jamaika-Verhandlungen erzielt haben, natürlich nicht ausreichend. Logisch. Wir wollen da mehr. Aber dass das besser ist als das, was vorliegt, das sieht doch jeder.
(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Nils Schmid [SPD]: Das war doch kein Ergebnis!)
Ich will Ihnen – und damit meine ich Sie von der Sozialdemokratie; von der Union erwarte ich gar nichts – noch einmal die gesamte Geschichte erzählen.
(Dr. Nils Schmid [SPD]: Die Grünen haben doch gar nichts erreicht!)
Ihr Außenminister hat doch gesagt, er wolle eine restriktivere Rüstungspolitik. Von der Union hat das keiner gesagt, deswegen spreche ich mit Ihnen.
(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Ich will also noch einmal die gesamte Geschichte erzählen. Sie haben ein Sondierungsergebnis erzielt, das viel stärker war als das, was jetzt auf dem Tisch liegt; das wissen Sie alle. Und dann gab es öffentliche Äußerungen von Ministerpräsidenten Ihrer Partei – ich erwähne Frau Schwesig –, die gesagt haben: Uns geht es um Jobs.
(Agnieszka Brugger [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Richtig!)
Ihr Außenpolitiker Herr Mützenich hat versucht, dagegenzuhalten. Er konnte sich nicht durchsetzen. Und dann kam das Ergebnis heraus, das wir jetzt haben. Es enthält so viele Hintertüren; das können Sie hier nicht schönreden.
(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Dr. Nils Schmid [SPD])
Ich gehe einmal etwas grundsätzlicher heran. Ich habe darüber gesprochen, was Herr Gabriel am Anfang der letzten Wahlperiode versprochen hat. Es liegen vier Jahre hinter uns, in denen die Sozialdemokraten den Außenminister und den Wirtschaftsminister – aktuell: die Wirtschaftsministerin – gestellt haben. Letztere sind ja verantwortlich für die Genehmigung von Rüstungsexporten. Das war die Wahlperiode mit den meisten Waffenexporten in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. Das waren die letzten vier Jahre.
(Tobias Pflüger [DIE LINKE]: So ist es!)
Alleine nach Saudi-Arabien sind Waffen aus Deutschland im Wert von 1,7 Milliarden Euro geliefert worden. An die Adresse der Sozialdemokraten sage ich: Wenn Sie wieder regieren sollten – das müssen Ihre Mitglieder ja noch entscheiden –, haben Sie ein paar Hausaufgaben zu erledigen.
(Dr. Nils Schmid [SPD]: Von Ihnen brauche ich keine Hausaufgaben!)
In diesen 1,7 Milliarden Euro ist noch nicht enthalten, dass Rheinmetall in Sardinien deutsche Bomben herstellt und an die Saudis verkauft. Kümmern Sie sich einmal darum!
(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Nils Schmid [SPD]: Sie sind nicht mein Lehrer!)
Darin ist auch nicht enthalten, dass eine Munitionsfabrik, eine südafrikanische Tochterfirma von Rheinmetall, in die saudische Wüste eine Waffenfabrik baut. Da können wir gar nichts mehr kontrollieren. Wie wollen wir das stoppen? Das ist eine weitere Hausaufgabe.
(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
In diesen 1,7 Milliarden Euro sind auch die Waffen – und da kommen die Bezeichnungen „unmittelbar“ oder „nicht unmittelbar“ ins Spiel – noch nicht enthalten, die nicht direkt am Krieg beteiligt sind, sondern die diesen Krieg mittelbar unterstützen. Zusätzlich zu den Waffen im Wert von 1,7 Milliarden Euro liefern Sie an Ägypten, an die Vereinigten Arabischen Emirate, an Katar; aber eben auch an Großbritannien, USA und Frankreich, die eine ausgesprochen zweifelhafte Rolle in diesem Krieg spielen. An diesem Punkt stellt sich die Frage: Wo ist es unmittelbar, und wo ist es mittelbar?
(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Frau Motschmann, was da passiert, ist kein Kampf gegen den Terror. Saudi-Arabien bombardiert alles wahllos nieder: Hochzeiten, Wohnviertel, Schulen, Krankenhäuser, Märkte, Kulturschätze wie den Marib-Staudamm, den ältesten Staudamm der Menschheit. 92 Prozent der Opfer in diesem Krieg sind Zivilisten. Der UN-Menschenrechtsrat hat Saudi-Arabien gerade auf die schwarze Liste der Länder gesetzt, die die schwersten Übergriffe auf Kinder in Konflikten verüben. Frau Motschmann, so ein Land kann doch nicht unser Verbündeter sein!
(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Elisabeth Motschmann [CDU/CSU]: Aber die Huthi schicken doch auch ihre Raketen!)
Hier gibt es nur eine Forderung: Stoppen Sie endlich die Waffenexporte, und zwar ohne Wenn und Aber und sofort!
(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Ein Letztes. Ich habe die Bundesregierung einmal gefragt, was sie eigentlich über die Waffenexporte weiß, die genehmigt sind, wo die Waffen aber noch nicht ausgeliefert sind; um die geht es ja.
(Elisabeth Motschmann [CDU/CSU]: Genau!)
Die Antwort des Bundeswirtschaftsministeriums lautet, dass sie dazu keine belastbaren Daten haben. Das heißt in meinen Worten: Wir, die Bundesregierung, haben gar keinen Schimmer, was mit den Waffen, deren Ausfuhr genehmigt ist, die aber noch nicht ausgeliefert sind, passiert. Sind sie noch hier in Deutschland? Sind sie per Schiff auf dem Weg nach Saudi-Arabien?
Das, was Sie hier erzählen – im Übrigen auch Ihren Mitgliedern, die jetzt über den Koalitionsvertrag abstimmen –, ist Augenwischerei. Sie wissen gar nicht, was mit den Waffen passiert. Und an der Politik der letzten vier Jahre haben Sie mit diesem Koalitionsvertrag im Grundsatz auch nichts geändert.
(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Vielen Dank, Herr Kollege Liebich. – Als Nächster für die CDU/CSU-Fraktion der Kollege Thomas Erndl.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7203445 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 15 |
Tagesordnungspunkt | Humanitäre Katastrophe im Jemen |