Karl-Heinz BrunnerSPD - Aktuelle Stunde zu erneuten Steigerungen bei Rüstungsexporten
Sehr verehrte Frau Präsidentin! Meine Kolleginnen und Kollegen und Zuschauerinnen und Zuschauer! Ich könnte es mir einfach machen und sagen: Die Kollegen Florian Post und Loos haben schon alles gesagt.
(Beifall des Abg. Florian Post [SPD])
Das war sehr schön. Machen Sie sich einen schönen Nachmittag! Gehen Sie nach Hause!
(Beifall bei Abgeordneten der AfD)
Ich habe aber vom Hohen Hause fünf Minuten Redezeit bekommen, und das nutzt man, wie man als Abgeordneter so ist, auch aus, auch wenn es einem so geht, als befinde man sich in der Endlosschleife des Films „Und täglich grüßt das Murmeltier“.
(Beifall des Abg. Klaus-Peter Willsch [CDU/CSU] – Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was ist das denn für ein Kasperletheater!)
Ich habe inzwischen den Eindruck: Sobald das Wort „Rüstungsexport“ auftaucht, wird ein roter Knopf gedrückt, und sofort kommt es zu Aufregung, Empörung, Skandalisierung und vor allen Dingen zu einer Einteilung in gute Menschen und schlechte Menschen;
(Katharina Dröge [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ein bisschen ernster könnten Sie das Thema schon nehmen!)
diejenigen, die Rüstungsexportgenehmigung erteilen, sind die schlechten, die anderen sind konsequenterweise die guten.
(Zuruf von der LINKEN: Sind wir ja auch!)
Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, so einfach ist das nicht.
Man kann schon ungeduldig sein, wenn es um Abrüstung geht. Man kann ungeduldig sein bei der Frage, ob wir europäisch einheitliche Lösungen finden werden.
(Katharina Dröge [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Immer die gleiche Story! Nichts passiert!)
Wir können ungeduldig sein, weil wir in Deutschland die gesetzlich vorgeschriebenen restriktiven Regelungen noch nicht in dem Maße gestaltet haben, wie wir uns das wünschen. Wir können ungeduldig sein, weil wir im Vergleich zur nuklearen Abrüstung in Deutschland Möglichkeiten haben, entsprechend vorzugehen, sie aber noch nicht in allen Bereichen nutzen. Wir können ungeduldig darüber sein, dass Sigmar Gabriel als Wirtschaftsminister und dann als Chef des Auswärtigen Amts noch nicht alles getan hat, was möglich ist.
Ich weiß, dass es viel einfacher ist – das hören wir heute immer wieder –, ohne jeden Zusammenhang mit einigen absoluten Zahlen um sich zu werfen, um dann anschließend das rüstungspolitische Grauen in diesem Haus und in diesem Land zu verbreiten.
(Katharina Dröge [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist aber zynisch, wie Sie über Rüstungsexporte sprechen!)
Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, möchte ich anprangern, weil ich es nicht für richtig erachte. Bei allem Heraufbeschwören dieses Grauens und angesichts der Tatsache, dass wir uns in der weltpolitischen Lage nicht allem entziehen können, habe ich in der Debatte die Frage vermisst, wie wir die Fluchtursachen, die Armut und die Situationen in den Ländern, in denen Waffen benutzt wurden, angehen.
(Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: In Anbetracht dessen, was gerade los ist, finde ich das zynisch! – Tobias Pflüger [DIE LINKE]: Die Aussage haben wir getroffen! Keine mehr liefern, ganz einfach!)
Das hat eine viel zu geringe Rolle gespielt.
Wir können uns angesichts dieser Frage nicht auf unseren Egoismus zurückziehen und sagen: Wir Deutschen machen nichts mehr. Das sollen die anderen machen. Wir machen uns einen schlanken Fuß. – Ich sage an dieser Stelle ganz deutlich, dass ich die Waffenlieferung an die Peschmerga in den Irak für durch und durch richtig, verantwortungsbewusst und notwendig halte.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)
Sie haben die Handvoll Jesiden, die noch leben, am Leben gelassen; sie haben sich dafür eingesetzt – und wir haben uns einen schlanken Fuß gemacht.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten – da muss man selbstkritisch sein – haben in den letzten vier Jahren kein Rüstungsexportgesetz durchsetzen können. Wir wollten kein Gesetz, nach dem jede einzelne Rüstungsausfuhr hier beschlossen werden muss,
(Agnieszka Brugger [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das wollte aber Herr Gabriel!)
sondern ein Gesetz, das den Korridor bietet, um anschließend eine vernünftige Lösung zu erreichen. Obwohl ich ein solches Rüstungsexportgesetz für gut halte, sage ich heute, dass es vielleicht gerade angesichts der Türkei nötig wäre, noch einmal darüber nachzudenken. Hätten wir nämlich ein solches Gesetz beschlossen, hätten wir alle NATO-Partner miteinbezogen. Die Türkei ist NATO-Partner; aber dass wir an die Türkei, obwohl sie NATO-Partner ist, angesichts der Menschenrechtsverletzungen gegenüber der kurdischen Bevölkerung nicht liefern wollen, ist für uns doch klar.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, meine Ungeduld wird durch den Koalitionsvertrag, den wir ausgehandelt haben, befriedet. Wir sind auf dem richtigen Weg, um mehr Kontrolle zu erreichen und mehr Verantwortung zu übernehmen. Wir sind auf dem richtigen Weg, um Lieferungen an am Jemen-Krieg beteiligte Länder zu verhindern. Wir sind auf dem richtigen Weg, Lieferungen von Dual-Use-Güter und vor allen Dingen Kleinwaffen deutlich einzuschränken. Aber ich sage auch: Wir sind nicht auf dem richtigen Weg, wenn wir diesen Koalitionsvertrag jetzt nicht zügig umsetzen,
(Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Erstmal muss er ja zustande kommen!)
um den Menschen in den entsprechenden Regionen Lösungen anzubieten.
Als Bundesrepublik muss es uns gelingen, den Beweis zu führen, wie ein restriktives System aussehen kann, wie es sinnvoll weiterentwickelt werden kann, wie wir die Partner, insbesondere die EU und die NATO, einbinden und wie wir auch den Ungeduldigen noch einiges abverlangen können, um letztendlich etwas zu erreichen, das für die Abrüstung sinnvoll ist. Ich glaube, wir brauchen mehr Mut. Wir brauchen auch noch mehr Ungeduld, aber keine Empörung und nicht Jahr für Jahr zur gleichen Stunde und an der gleichen Stelle.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Das Wort hat der Abgeordnete Andreas Lämmel für die CDU/CSU-Fraktion.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7205088 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 16 |
Tagesordnungspunkt | Aktuelle Stunde zu erneuten Steigerungen bei Rüstungsexporten |