Katarina Barley - Vereinbarte Debatte zum Weltfrauentag
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Herren und Damen! Sehr herzlich begrüßen möchte ich die Vertreterinnen und Vertreter – vor allen Dingen die Vertreterinnen – der Frauenverbände auf der Besucherinnen- und Besuchertribüne. Schön, dass Sie heute hier sind, und vielen Dank für Ihr großes Engagement!
(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, der FDP, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der AfD)
Der Internationale Frauentag wurde 1911 zum ersten Mal in Deutschland gefeiert. Die Frauen hatten damals ein klares Ziel: das Wahlrecht für Frauen. 1918 war es dann endlich so weit: Die Frauen haben sich das Wahlrecht erkämpft. Das war ein großer Erfolg und Meilenstein für die Frauenbewegung. Dieser Erfolg war Teil eines großen demokratischen Prozesses. 1918 ist viel passiert: Die Grundrechte wurden verankert, die Gewerkschaften erhielten Organisationsfreiheit, und der Achtstundentag wurde eingeführt.
Für uns ist der Internationale Frauentag 2018 wegen des 100-jährigen Jubiläums des Wahlrechtes für Frauen ein besonderer Frauentag. Wir feiern diese 100 Jahre, in denen Frauen genauso wählen und gewählt werden können wie Männer. Sie können das, aber wir sehen in diesem Hohen Hause: Der Frauenanteil im Deutschen Bundestag ist in dieser Legislaturperiode von knapp 37 Prozent auf etwa 30 Prozent gefallen. Das ist ein deutlicher Rückschritt. Was sagt uns das? Es gibt in der Gleichstellungspolitik leider nicht nur eine Richtung. Als ich eine junge Frau war, dachte ich, es gäbe sie. Ich dachte, in der Gleichstellungspolitik geht es immer in eine Richtung, es geht mal schneller und mal langsamer, aber immer voran. Das ist nicht der Fall.
Wir sehen das am Frauenanteil hier, aber wir sehen das auch insgesamt am politischen Klima. Es gibt politische Kräfte, die Gleichstellung als Irrweg bezeichnen und sie am liebsten zurückdrehen würden. Gleiche Rechte und gleiche Chancen von Frauen und Männern sind noch immer nicht selbstverständlich. Dort, wo wir sie haben, sind sie eine Errungenschaft, die wir immer wieder verteidigen müssen.
(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, der FDP, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Eines muss man ganz klar sagen: Frauenrechte sind Menschenrechte. In den Staaten, in denen die Frauenrechte unter Druck geraten, sieht man, dass dort immer auch die anderen Menschenrechte unter Druck geraten: die freie Presse, die unabhängige Justiz, die kritische Kultur. Deswegen ist der Kampf für Frauenrechte immer auch ein Kampf für die Demokratie als solche.
(Beifall bei der SPD, der FDP, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Nach 100 Jahren knapp 30 Prozent Frauen in diesem Hohen Hause! Das zeigt: Die Rechte sind das eine, aber die Verwirklichung ist das andere. Daran ändert sich auch nichts, wenn der sehr geschätzte Herr Fraktionsvorsitzende Kauder für eine Debatte seinen Platz für eine Frau ausnahmsweise einmal räumt. Es müssten noch viel mehr Männer ihre Plätze mal für Frauen räumen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Nadine Schön [CDU/CSU]: Wo ist denn Ihr Parteivorsitzender?)
Wenn Frauen trotz gleicher formaler Rechte noch immer nicht die gleiche Teilhabe erfahren, dann heißt es oft: Selber schuld! Ihr habt halt schlecht verhandelt. Eure Stimme ist zu leise, zu schrill. Ihr habt die falschen Klamotten an. Ihr seid zu zaghaft, zu freundlich, zu höflich – was auch immer. Oder es heißt: Frauen wollen eigentlich gar nicht das gleiche Ziel erreichen wie Männer.
All das ist falsch. Dass Gleichstellung noch immer nicht erreicht ist, liegt nicht an den Frauen selbst, sondern an bestehenden Machtverhältnissen und an bestehenden Strukturen, die Frauen selbst dann benachteiligen, wenn sie formal die gleichen Rechte haben. Deswegen gibt es noch immer sehr viel zu tun, wenn wir echte gleiche Chancen wollen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Wir tun das; es sind kleine und große Schritte. Mit dem kommenden Koalitionsvertrag werden es hoffentlich große Schritte sein. Ich greife einige wenige Beispiele heraus:
Für mich ist die Aufwertung von sozialen und Pflegeberufen ganz wichtig; denn dort beträgt der Frauenanteil noch immer 80 Prozent. Deswegen ist es kein Zufall, dass dort die Bezahlung so viel schlechter ist. Das hat schon etwas mit dem Geschlecht zu tun. Warum? Es war historisch gewachsen, dass sich oft unverheiratete Frauen in den Klöstern um die Alten, die Menschen mit Behinderungen und die Kinder gekümmert haben. Das hat zwar etwas mit dem Geschlecht zu tun, aber das ist eben kein unveränderlicher Zustand. Das müssen wir ändern. Deswegen ist es wichtig, dass wir das in diesem Koalitionsvertrag tun.
(Beifall bei der SPD)
Als zweites und als drittes Beispiel will ich das Rückkehrrecht von Teilzeit auf Vollzeit und natürlich den Kampf gegen sexuelle Übergriffe und sexuelle Gewalt nennen.
Es gab ein ganz breites Bündnis von Organisationen, die dafür gesorgt haben, dass der Internationale Frauentag in Deutschland gefeiert wird. Dass die SPD dabei ganz vorne war, ist für mich persönlich eine schöne Tatsache.
Gleichstellung ist heute noch nicht selbstverständlich und noch lange nicht erreicht, für Gleichstellung müssen wir kämpfen; denn wer Macht hat, gibt sie selten freiwillig ab, so wie einen Platz in der ersten Reihe. Freundlichkeit und Fleiß reichen nicht aus. Wir brauchen Hartnäckigkeit, Durchsetzungskraft, die Bereitschaft zum Konflikt – das ist mindestens ebenso nötig – und vor allen Dingen viel Solidarität
(Beifall bei der SPD)
der Frauen untereinander, aber auch der emanzipierten Männer, die verstanden haben, dass Gleichberechtigung von Frauen und Männern am Ende auch ihnen nutzt. Ich hoffe, wir sind uns in diesem Schluss einig.
Ich danke Ihnen ganz herzlich.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der LINKEN)
Jetzt hat die Kollegin Nadine Schön, CDU/CSU, das Wort.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7205640 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 17 |
Tagesordnungspunkt | Vereinbarte Debatte zum Weltfrauentag |