Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und meine Herren! Zunächst möchte ich auf zwei, drei Punkte der Debatte eingehen.
Der erste Punkt – das hat meine Kollegin aus der Union gerade noch einmal sehr deutlich gemacht – ist: Wenn wir über unser grundgesetzlich verankertes Recht auf Gleichberechtigung sprechen, dann sollten wir deutlich machen, dass wir dieses Recht nicht der Religionsfreiheit gegenüberstellen oder das eine höher stellen als das andere. Gegeneinander ausspielen von Grundrechten ist nicht das Niveau in diesem Parlament, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Der zweite Punkt, der eine Rolle spielte, ist die Wahlfreiheit. Drängen wir eigentlich Frauen in die Erwerbstätigkeit? Komischerweise stellt hier keiner die Frage: Drängen wir eigentlich Männer in die Erwerbstätigkeit?
(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Denn die Tatsache, dass wir jetzt eine Situation haben, in der es sinnvoll ist, wenn nicht nur der Mann oder nicht nur die Frau arbeiten geht, hat etwas mit den wirtschaftlichen Bedingungen zu tun, weil man die Einkünfte braucht.
Keiner in diesem Saal will, glaube ich, dass die Frauen arbeiten müssen. Aber wir müssen die Grundvoraussetzung dafür schaffen, dass sie arbeiten können, wenn sie es denn wollen, liebe Kolleginnen und Kollegen. Darum geht es.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Der dritte Punkt, den ich kurz ansprechen will: Wenn wir über die Aufwertung von sozialen Berufen sprechen, dann sprechen wir vor allen Dingen immer über die sogenannten typischen Frauenberufe und darüber, dass das natürlich ein Grund sei, nun diese Berufe aufzuwerten. In den Debatten ist von einigen Debattenteilnehmern auch zu hören, dass dann, wenn der Job der Erzieherin, der Job der Krankenpflegerin, der Job der Krankenschwester erst einmal besser bezahlt werde, auch mehr Männer in diesen Job gehen würden. Ich glaube, liebe Kolleginnen und Kollegen, das darf niemals die Begründung dafür sein, dass wir dafür sorgen, dass diese wertvolle Arbeit besser bezahlt wird.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
In der Vergangenheit ist es so gewesen, dass die Frauen selbst ihre Sache in die Hand genommen haben bzw. selbst in die Hand nehmen mussten. Der Leitsatz des diesjährigen Internationalen Frauentages heißt „Press for Progress“. Ich glaube, man kann das frei gut mit „auf die Tube drücken“ übersetzen. Das Weltwirtschaftsforum hat nämlich ausgerechnet, dass es noch 100 Jahre brauchen wird, um den gleichen Fortschritt zu erzielen, wie wir ihn in den vergangenen 100 Jahren erzielt haben. Ich glaube, wir müssen kräftig auf die Tube drücken. Das sollten wir nicht den Frauen allein überlassen, sondern wir sollten das alle gemeinsam tun.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der FDP)
„100 Jahre“ ist das Stichwort. Vor ungefähr 100 Jahren ist das Frauenwahlrecht eingeführt worden. Es waren die Frauen, die das selbst erkämpft hatten. Das gilt für die wesentlichen Bestandteile, die in den vergangenen Jahren zur Gleichstellung beigetragen haben: die Gleichstellung im Grundgesetz – es waren in erster Linie die Frauen, die das selbst in die Hand genommen haben –, die Berufstätigkeit von verheirateten Frauen, also dass Frauen nicht mehr ihre Männer um Erlaubnis fragen müssen – es waren auch die Frauen, die diese gesetzliche Veränderung vorangetrieben haben –, die verbindliche Frauenquote im Zuge der Berliner Erklärung – es waren die Frauen, die das selbst in die Hand genommen haben –, die Reform des Sexualstrafrechts – es waren auch die Frauen, die sich fraktionsübergreifend gemeinsam mit den Verbänden dafür eingesetzt haben.
Jetzt gibt es aktuell leider eine neue Debatte, in der sich die Frauen gerade wieder selbst für ihre Belange einsetzen müssen, nämlich welche Informationen sie bekommen wollen, wenn es um die Frage von Abtreibung geht.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Es sind die Frauen, die selbst entscheiden wollen, wie sie sich informieren wollen. Dazu brauchen sie nicht die Hilfe von außen. Diesen Selbstbestimmungsgrundsatz sollten wir nicht infrage stellen. Deshalb gehört § 219a StGB gestrichen.
(Beifall bei der SPD und der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Hier ist nämlich eine leichte Roll-back-Bewegung zu bemerken – die Kollegin Schauws hat gerade darauf hingewiesen –, dass es auf einmal nicht mehr selbstverständlich ist, dass Frauen selbstbestimmt über solche Dinge entscheiden können.
Wenn wir nicht wollen, dass der Fortschritt tatsächlich 100 Jahre dauert, dann müssen wir nicht nur diese Roll-back-Bewegung stoppen, sondern müssen alle gemeinsam kräftiger auf die Tube drücken. Deshalb: Press for Progress!
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Letzte Rednerin in dieser Debatte ist die Kollegin Dr. Silke Launert, CDU/CSU-Fraktion.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7205655 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 17 |
Tagesordnungspunkt | Vereinbarte Debatte zum Weltfrauentag |