Benjamin StrasserFDP - Einsetzung des 1. Untersuchungsausschusses
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Angehörigen der Opfer haben uns im Dezember des letzten Jahres in ihrem offenen Brief an die Frau Bundeskanzlerin einen klaren Fingerzeig gegeben. Sie haben nicht gesagt, dass wir uns in diesem Ausschuss über parteipolitisches Klein-Klein unterhalten sollen, sondern sie verlangen zu Recht Aufklärung, und deshalb ist dieser Untersuchungsausschuss überfällig.
Über ein Jahr nach den schrecklichen Ereignissen auf dem Breitscheidplatz sind immer noch viele Fragen unbeantwortet. Die Opfer treibt vor allem die Frage nach dem Warum um. Warum wurden am 19. Dezember 2016 12 Menschen aus dem Leben gerissen und 67 Menschen teils lebensgefährlich verletzt? Warum wurden die genauen Hintergründe des Attentats bis heute nicht aufgeklärt? Warum konnten diese schrecklichen Ereignisse nicht rechtzeitig verhindert werden?
Gemeinsam mit den Fraktionen Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen war es uns Freien Demokraten wichtig, nicht nur die Lebensgeschichte des Attentäters nachzuzeichnen, sondern den Komplex auch umfassend zu beleuchten. Gerade bei den interfraktionellen Gesprächen auf Berichterstatter- und Arbeitsebene wurde viel erreicht. Unsere Kernanliegen als FDP-Fraktion waren und sind drei Hauptpunkte:
Uns interessiert erstens: Gibt es so etwas wie eine Fehlerkultur in den deutschen Behörden? Haben wir in Deutschland einen Sicherheitsapparat, der aufklärt und aus Fehlern, die passieren, lernt, oder einen Apparat, der vertuscht und eigene Verantwortung beiseiteschiebt?
Zweitens. Welche Unterstützer aus der islamistischen Szene haben sich im Umfeld des Attentäters bewegt und ihn unterstützt? Und vor allem: Wussten die Nachrichtendienste davon?
Drittens. Wie sind deutsche Behörden mit Informationen ausländischer Nachrichtendienste umgegangen? Wurde Amri gegebenenfalls sogar länger als nötig auf freiem Fuß gelassen?
Diese Punkte sind Bestandteil des Untersuchungsauftrags. Dafür haben wir gekämpft; denn eine umfassende Aufklärung erfordert einen umfassenden Untersuchungsauftrag. Ein Parlament, das sich schon zu Beginn selber beschneidet, kann und darf es nicht geben, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Bei allem, was wir heute wissen, zeigt sich doch, dass sich bereits im NSU-Komplex erkannte Ermittlungsfehler offensichtlich wiederholt haben. Schon bei unserer Arbeit im NSU-Untersuchungsausschuss im Landtag von Baden-Württemberg sind wir mit Sachverhalten konfrontiert worden, die sich heute in ähnlicher Weise wieder aufdrängen: Warum tauschen Ermittlungsbehörden Informationen oft gar nicht oder nur unzureichend aus? Warum werden Informationen nicht weiterverarbeitet? Warum können Nachrichtendienste trotz Quellen im engsten Umfeld der Extremisten diese nicht von ihren Taten abhalten? Warum sind in Deutschland im Sicherheitsbereich oft zu viele zuständig, aber am Ende keiner verantwortlich?
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich habe nun viele Warum-Fragen gestellt. Das ist auch die Frage, die die Opfer seit über einem Jahr umtreibt und auf die wir gemeinsam als Parlament eine Antwort finden wollen: Warum?
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Nächste Rednerin ist die Kollegin Martina Renner, Fraktion Die Linke.
(Beifall bei der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7205665 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 17 |
Tagesordnungspunkt | Einsetzung des 1. Untersuchungsausschusses |