01.03.2018 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 17 / Tagesordnungspunkt 5

Helge LindhSPD - Zuständigkeit des Bundes bei der Gefahrenabwehr

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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Großmutter, eine einfache finnische Bäuerin, hat mir immer mit ihrer untrüglichen Menschenkenntnis den Rat gegeben: Hüte dich vor windigen Haustürgeschäften! – Heute haben wir es wieder mit einem dieser Haustürgeschäfte der AfD zu tun.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Wie immer stellen Sie Schaufensteranträge, die nur einem genügen, nämlich Ihnen selbst; die Realität spielt in diesen Anträgen keine Rolle. Christian Pfeiffer, auf den Sie sich berufen, hat es im Dezember selber formuliert: Sie basteln sich die Wirklichkeit so, wie Sie sie brauchen. – Genau so ist es.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Zu den Verbesserungen der letzten Legislatur: bei Ihnen Schweigen im Walde oder – so würden Sie es lieber haben – Schweigen im deutschen Walde. Zu Pfeiffers Studie, seinen genauen Analysen, seinen Vorschlägen zur Prävention, zu Fragen eines Einwanderungsgesetzes, zur Anzeigequote, zur besonderen Situation junger alleinstehender Männer: nichts davon in Ihren Schriftstücken, auch da Schweigen im Walde.

Wenn man aber einen so liberalen Umgang mit der Wirklichkeit pflegt,

(Christian Lindner [FDP]: Na, na, na!)

muss man handwerklich anscheinend nicht so sauber vorgehen. Ich darf mit Erlaubnis des Präsidenten meine Lieblingsstelle aus der Begründung zitieren:

Vollends versagt die Vorschrift des § 62 AufenthG aber als Sicherungsinstrument bei Ausländern, die nicht abschiebbar sind.

§ 62 regelt aber gerade die Abschiebungshaft in Bezug auf Personen, die abzuschieben sind. Das ist ungefähr so, als wenn – hier ein Vergleich – die Stiftung Warentest schreiben würde: Skandal! Verwerflich! Dieses Kühlgerät der neuesten Generation schafft nicht das Aufwärmen österreichischer Mehlspeisen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Das, was Sie machen, ist nicht nur wissenschaftlich unredlich; es ist auch, um mit einem schönen alten deutschen Wort zu sprechen, scheinheilig. Sie kennzeichnen angeblich unkontrollierbare Mengen ausländischer Gefährder als Bedrohung des Rechtsstaates, aber Ihre eigenen Entwürfe sind im Umgang mit dem Rechtsstaat relativ lax.

(Beifall der Abg. Dr. Daniela De Ridder [SPD])

Die von Ihnen vorgesehene Meldepflicht verfügt nicht über das Potenzial, der Voraussetzung der Verhältnismäßigkeit zu genügen. Mehrmals wird das Übermaßverbot gebrochen: erst einmal durch die Präventivhaft, dann durch die fehlende zeitliche Begrenzung. Als wenn dies nicht genug wäre, findet sich in Ihrem Antrag auch noch eine Form der polizeigesetzlichen Unterbindungshaft. Abgesehen davon, dass es sie in den Polizeigesetzen der Länder längst schon gibt, fingern Sie da einfach nonchalant in der Gesetzgebung der Länder herum, als ob es keine Verfassung gäbe.

Grundsätzlich sind Sie sehr einsilbig, und es ist sehr wenig zu hören, wenn AfD-Politiker selber etwas eigentümlich mit dem Rechtsstaat umgehen.

(Abg. Franziska Gminder [AfD] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

Ich erinnere an Zigarettenschmuggel, an Hooligan-Übergriffe, an Hetzen gegen Fremde und Ausländer, an Volksverhetzung.

(Beifall bei der SPD – Jürgen Braun [AfD]: Sebastian Edathy! – Weiterer Zuruf von der AfD: Jämmerlich! – Jan Korte [DIE LINKE]: Pressefreiheit ist auch ein Problem bei denen!)

Kollege Lindh, gestatten Sie eine Zwischenfrage oder Zwischenbemerkung einer Kollegin von der AfD?

Nein, das gestatte ich nicht. Ich bin an Grippe erkrankt, und ich rege mich über die AfD auf. Ich habe heute keine Lust und Laune auf eine Zwischenfrage.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Sie erwecken den Eindruck, dass es Ihnen um den Schutz der deutschen Bevölkerung geht. Warum sind Sie dann nicht sachorientiert und etwas kreativ und schreiben einen Gesetzentwurf unter der Leitfrage: Wer schützt die deutsche Bevölkerung vor der AfD? Das wäre doch einmal ein Beitrag.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Zuruf von der AfD: Weil wir machen, was wir wollen, und nicht, was Sie wollen!)

Ein solcher Schutz wäre auch dringend notwendig. Denn die Bilanz einer Regierung unter Beteiligung der AfD sähe folgendermaßen aus: Erinnerungskultur abgeschafft, Presse zensiert, Frauenrechte geschliffen, Sozialstaat geschliffen, Ausländer unter Generalverdacht gestellt,

(Stefan Keuter [AfD]: Sie Hetzer!)

Sicherheitsarchitektur gefährdet, Föderalismus infrage gestellt, Rechtsstaat ausgedünnt, Demokratie abgewickelt. – Möchten Sie in so einem Staat leben? Ich möchte es nicht.

(Beifall bei der SPD – Jürgen Braun [AfD]: Nichts als linke Sprüche! – Udo Theodor Hemmelgarn [AfD]: Müssen Sie auch nicht!)

Wichtiger aber ist die Frage, was meine am Anfang erwähnte Großmutter dazu sagen würde. Sie würde an der Haustür dazu sagen: Ist das ernsthaft Ihr Angebot: mehr Unsicherheit, mehr Hass, dafür weniger Demokratie, weniger Rechtsstaat, weniger Freiheit? Nein, besten Dank, ohne mich. Auf Wiedersehen. – Sie würde die Tür zuschlagen, sich umdrehen und weiterarbeiten.

(Beifall bei der SPD – Beifall bei der AfD – Stefan Keuter [AfD]: Ja, Tür zu!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Sicherheit dieses Landes ist ein viel zu wertvolles, hehres Gut, ein viel zu gefährdetes Gut, als dass man es solchen unsicheren Kantonisten wie Ihnen überlassen dürfte.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD – Zurufe von der AfD)

Ich erteile das Wort dem Kollegen Brandner für eine Kurzintervention.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7205685
Wahlperiode 19
Sitzung 17
Tagesordnungspunkt Zuständigkeit des Bundes bei der Gefahrenabwehr
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