Albrecht GlaserAfD - Abschreibung für digitale Wirtschaftsgüter
Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Das Parlament sei das Herz der parlamentarischen Demokratie, hat der Präsident zu Beginn der Legislaturperiode hervorgehoben. Sehen wir einmal davon ab, dass im Zuge einer Herztransplantation dieses Organ – das Parlament – von Berlin nach Brüssel wandert.
Gerade vor einigen Stunden haben wir uns mit dem Versuch der EU befasst, den Nationalstaaten vorzuschreiben, wie sie ihre Haushaltspläne aufzustellen haben. Wir haben in den letzten Wochen viele gesinnungsethische Reden gehört. Es drängt sich der Verdacht auf, dass dies eine Art von Politikersatz darstellt.
Statt der Erörterung von Schicksalsfragen des Landes werden zunehmend politische Einzelfragen ins Schaufenster des Parlaments gestellt, die dem Publikum gefallen sollen. Im Fünfminutentakt werden sie hier besprochen und verschwinden dann in der Welt der Ausschüsse. Um die Schaustücke wirkungsvoll platzieren zu können, wurden viele dieser Anträge offenbar bewusst besonders zeitnah zur Plenarsitzung den übrigen Fraktionen bekannt gegeben, damit deren Befassung mit den Themen möglichst erschwert wird, eine Art umgekehrtes Mikado: Wer sich zuletzt bewegt, hat gewonnen.
(Beifall bei der AfD – Widerspruch beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Meine sehr verehrten Damen und Herren, der vorliegende Antrag zu Tagesordnungspunkt 6 ist als Drucksache 19/959 seit gestern verfügbar, zu einem Zeitpunkt also, zu dem alle Arbeitskreise und alle Fraktionen bereits getagt haben und sich daher mit dem Antragsgegenstand überhaupt nicht befassen konnten – eine gute Voraussetzung für eine qualitätsvolle Diskussion?
(Beifall bei der AfD – Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Wo waren Sie denn die ganze Woche?)
Ich denke, dieser Stil geht nicht. Darüber sollten wir reden, und darüber sollte auch der Ältestenrat reden.
Was den Antrag angeht, geht es im Kern darum, unternehmensfreundliche Abschreibungsregelungen für sogenannte digitale Investitionsgüter zu schaffen. Dieser Begriff, der in der Tat, wie schon meine Vorredner gesagt haben, kein technischer Begriff des Rechtes ist, ist eine sehr softige Umschreibung eines Problems. Aber er ist keine justiziable Vorlage, aus der man irgendetwas Vernünftiges machen könnte.
Die sehr allgemeinen Forderungen, die einer gesetzgeberischen Behandlung zugeführt werden sollen, enthalten weder Spektakuläres, noch sind sie handwerklich dafür tauglich, konkrete Regelungen daraus abzuleiten.
Ich erlaube mir, aus der Vorlage zu zitieren:
II. Die Bundesregierung wird daher aufgefordert, sich gemeinsam mit den Ländern für eine Überarbeitung der Abschreibungsvorschriften einzusetzen …
Meine Damen und Herren, gestatten Sie mir: So genau wollten wir es auch nicht wissen.
(Heiterkeit und Beifall bei der AfD)
Sie beklagten vorher die handwerkliche Unpräzision. Sie klagen darüber, dass man sagt, man müsse beispielsweise für eine Zuständigkeitsverlagerung die Struktur verändern, und hier erteilen Sie in dieser allgemeinen Form einen Gesprächsauftrag.
(Zuruf von der AfD: Richtig! So ist es!)
Dann folgt der erste Punkt unter II. Es soll eine Abschreibungsvorschrift sein, „die dem Prozess der Digitalisierung von Geschäftsmodellen bzw. der digitalen Transformation von Wertschöpfungsketten eine angemessene und damit stärkere Beachtung schenkt“. Das ist einfach nichts. Das ist eine völlig inhaltsleere Phrase, mit der gesetzgeberisch überhaupt nichts anzufangen ist.
(Beifall bei der AfD)
Der zweite Punkt. Die Bundesregierung wird aufgefordert, sich für eine Abschreibungsvorschrift einzusetzen, die „für ‚digitale Innovationsgüter‘ bzw. für Wirtschaftsgüter, die der digitalen Transformation dienen, eine einheitliche, maximale Nutzungsdauer von drei Jahren vorsieht“. Wie ein Mittelständler die Digitalisierung bewältigt, ob er beispielsweise große Leasingverträge abschließt oder ob er investiert, ist eine völlig freie Entscheidung des Unternehmers. Wenn ein Mittelständler least – das ist typischerweise der Fall –, dann hat er keine Wirtschaftsgüter, sondern sofort Betriebsausgaben. Diese kann er steuerlich sofort zum Abzug bringen; damit hat er überhaupt kein Problem. Hier brauchen wir über Abschreibung gar nicht zu reden.
(Beifall bei der AfD – Markus Herbrand [FDP]: Das ist seine Entscheidung!)
Dritter markanter Punkt, der uns allen die Fahrtrichtung der Gesetzgebung im Steuerrecht deutlich machen soll. Die Bundesregierung wird aufgefordert, sich für eine Abschreibungsvorschrift einzusetzen, die „bei Aufwendungen zur Einführung eines betriebswirtschaftlichen Softwaresystems ... ebenfalls eine Nutzungsdauer von drei Jahren vorsieht“. Das ist genauso substanzlos. Bei allem Respekt – die Intention ist okay; diese Modernisierung sollte steuerrechtlich vernünftig begleitet werden; in der Sache besteht sicherlich kein Diskussionsbedarf –:
(Markus Herbrand [FDP]: Das ist aber die Entscheidung des Unternehmers!)
Das, was Sie dazu liefern, ist einfach so dünn wie der Kaffee.
(Beifall bei Abgeordneten der AfD)
Es geht sprachlich wunderbar weiter:
Die Möglichkeit der Sofortabschreibung für so genannte Trivialprogramme soll ... unberührt bleiben.
Mit Handwerk, mit Steuerrecht und mit Hilfestellungen zur Verbesserung der Lage des Mittelstandes hat das leider nichts zu tun. Man darf die Vorhersage wagen: So spät wie dieser Antrag entstanden ist, so früh wird er auch wieder verschwinden.
(Beifall bei der AfD)
Was dieses Land brauchte, wäre eine große Steuerreform – das wurde bereits angedeutet; es wäre schön, wenn sich die Große Koalition das zur Brust nimmt –, und zwar bei der Ertragsteuer. Wir haben das komplizierteste Einkommensteuerrecht der Welt, und zwar seit Jahrzehnten. Es ist nicht zu erkennen, dass sich daran etwas verändert.
(Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: Sie können ja einmal einen Vorschlag machen! Das wäre einmal etwas!)
Es ist nichts zu hören. Die Große Koalition verspricht: Keine Steuererhöhung! – Beim Studieren des Absichtspapiers kann man allerdings das Gegenteil lesen. Zu den heimlichen jährlichen Steuererhöhungen, die ein echtes Gerechtigkeitsproblem darstellen, wird nur gesagt: Wir legen gelegentlich am Ende der Legislaturperiode Berichte vor und gucken, ob wir was draus machen. – Das kann so nicht sein. Darum werden wir uns noch kümmern.
Sie müssen langsam zum Schluss kommen, Herr Glaser.
Ich komme zum Schluss. – Stattdessen soll die Zinsabschlagsteuer entfallen. Zudem wird das Projekt einer zusätzlichen Börsenumsatzsteuer angesprochen. Kurzum: Es wird Steuererhöhungen geben.
Lassen Sie uns über eine echte Steuerreform sprechen, bei der dann gerne auch über solche Einzelfragen diskutiert werden kann. Aber es wäre sehr hilfreich, wenn wir unsere kostbare Zeit nicht dazu verwenden, solche Schaufensterstückchen hier zu zelebrieren.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der AfD – Markus Herbrand [FDP]: Das von der AfD zu hören, ist schon arg!)
Zu Ihrer Eingangsbemerkung, Herr Glaser, weise ich darauf hin, dass die Fristen für die Aufsetzung von Anträgen hier im Plenum für alle Fraktionen gleich sind und dass bisher alle Fraktionen in gleicher Weise davon Gebrauch gemacht haben.
Nächster Redner ist der Abgeordnete Fabio De Masi von der Fraktion Die Linke.
(Beifall bei der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7205696 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 17 |
Tagesordnungspunkt | Abschreibung für digitale Wirtschaftsgüter |