Heike BaehrensSPD - Finanzielle Eigenanteile in Pflegeheimen
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer! Menschen mit Pflegebedarf, die im Heim leben, müssen finanziell entlastet werden. Das wissen wir aus vielen Bürgergesprächen. Ich weiß es auch aus vielen Mails, die ich bekomme.
Es sind vor allem die Erhöhungsankündigungen, die Entsetzen auslösen. Denn die Heime müssen die tatsächlichen Kostensteigerungen kalkulieren und dann den Pflegebedürftigen mitteilen, bevor überhaupt die Pflegesatzverhandlungen beginnen. Da kommen tatsächlich häufig sehr hohe Summen zustande. Eine Bürgerin hat mir im Dezember diese Kalkulation vorgelegt. Sie hat eine Erhöhungsankündigung von 565 Euro bekommen. Nach den Pflegesatzverhandlungen waren es dann monatlich 234 Euro, die zusätzlich bezahlt werden müssen. Auch das ist viel Geld, wenn vorher der Pflegesatz – sprich: der Anteil, der von den Pflegebedürftigen selbst gezahlt werden muss – schon bei 2 500 Euro lag.
Die Betroffenen sind vielfach tatsächlich verzweifelt. Noch dramatischer ist es dann, wenn der Ehepartner noch zu Hause lebt und zusätzlich die Kosten der eigenen Haushaltsführung oder gar selber noch Pflegebedarf hat und zu Hause versorgt werden muss. Insofern ist ein Handlungsbedarf gegeben.
Es ist ein bisschen verwirrend, wenn in der öffentlichen Debatte immer von einem durchschnittlichen Eigenanteil in Höhe von 580 Euro die Rede ist. Das hängt mit dem nun geltenden einrichtungseinheitlichen Eigenanteil zusammen, der sich ausschließlich auf die Pflegekosten bezieht. Der Pflegesatz, der von den Pflegebedürftigen zu zahlen ist, beinhaltet diesen Anteil an den Pflegekosten, die durch den Zuschuss der Pflegeversicherung verringert werden. Hinzu kommen der Beitrag für Unterkunft und Verpflegung – dieser erhöht sich entsprechend der normalen Kostenentwicklung – und der Investitionskostenanteil. Bei Letzterem besteht ein riesiges Problem; denn der Investitionskostenanteil ist regional sehr unterschiedlich hoch. Er verändert sich unter Umständen dramatisch. Dabei können solche Fälle vorkommen, wie Sie sie gerade skizziert haben, Frau Zimmermann. Allerdings sind 700 Euro völlig unrealistisch; das kann nicht stimmen. Wahrscheinlich meinen die Journalisten damit eine Erhöhungsankündigung. Wenn nicht, müsste das belegt werden. Aber so etwas kann in der Wirklichkeit eigentlich nicht passieren.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)
Beim Investitionskostensatz kann es solche Sprünge geben, aber nur, wenn man in eine Pflegeeinrichtung eingezogen ist, die komplett heruntergewirtschaftet ist und deshalb keinen oder nur einen sehr geringen Investitionskostensatz hat. Wenn diese Einrichtung komplett saniert oder neu gebaut wird, dann gibt es auf einmal einen finanziellen Sprung. Dieser entsteht unter anderem auch dadurch, dass die öffentliche Pflegeheimförderung in den meisten Bundesländern, wie zum Beispiel in Baden-Württemberg, weggefallen ist. Das führt natürlich zu erheblichen Steigerungen bei den Investitionskostensätzen. Diese werden uns in Zukunft noch mehr Probleme machen; darüber werden wir diskutieren müssen. Es ist daher gut, dass wir in § 18c des Zweiten Pflegestärkungsgesetzes vereinbart haben, dass das wissenschaftliche Begleitgremium sowohl die Einführung der Pflegestufen als auch die Wirkung des einrichtungseinheitlichen Eigenanteils evaluieren wird. Wir müssen in der Debatte – auch über Ihren Antrag – vielleicht einmal überlegen, ob 2020 nicht zu spät ist und ob wir das ein bisschen früher machen sollten.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Pia Zimmermann [DIE LINKE]: Gute Idee!)
Frau Zimmermann, nun komme ich auf den Antrag Ihrer Fraktion zu sprechen. Ihr Antrag enthält ein paar Irrungen und Wirrungen. Ich will nur einen Satz aufgreifen, der mich wirklich in Rage gebracht hat. Sie schreiben tatsächlich:
Es fehlen durchgreifende politische Initiativen aller bisherigen Bundesregierungen, um zumindest die unsozialen Folgen der Pflegeversicherung zu mildern.
Da haben Sie echt in die Mottenkiste Ihrer früheren Anträge gegriffen und haben offensichtlich nicht mehr realisiert, was wir alles in der letzten Legislaturperiode gemacht haben.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Mit drei Gesetzen zur Stärkung der Pflege haben wir ganz wichtige Weichenstellungen vorgenommen. Wir haben insbesondere die ambulante Versorgung enorm gestärkt und für hohe Leistungen gesorgt, um eine qualitativ hochwertige Pflege zu Hause zu ermöglichen und gleichzeitig die finanziellen Belastungen für die Pflegebedürftigen abzumildern. Wer zu Hause gepflegt wird, hat am Anfang fast keine eigenen Kosten, weil fast alles von der Krankenversicherung und der Pflegeversicherung getragen wird. Erst bei stark zunehmendem Pflegebedarf kommt ein Eigenanteil hinzu. Aber im Bereich der ambulanten Versorgung ist dieser Eigenanteil verantwortbar und zu tragen. Genau das sind Maßnahmen, um im Grunde einen Pflegeheimaufenthalt möglichst zu vermeiden und die Versorgung zu Hause zu gewährleisten. Damit haben wir einen wesentlichen Beitrag zur Entlastung der Pflegebedürftigen geleistet.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Es ist trotzdem richtig: Wir müssen über die Bezahlbarkeit der Pflege im Heim diskutieren; denn es geht nicht, dass jede Qualitätssteigerung und jede Tarifsteigerung – wir wollen ja eine bessere Vergütung für die Pflegekräfte und vor allem bessere Personalschlüssel – finanziell zulasten der Pflegebedürftigen gehen. Aber das alles verursacht natürlich Kosten. Das müssen Sie auch einmal zur Kenntnis nehmen, Frau Zimmermann. Die hierdurch verursachten Kosten müssen gedeckt werden. Darüber müssen wir sicherlich weiter diskutieren. Aber Herr Irlstorfer hat bereits zu Recht erwähnt: Wir haben bei der Schaffung der 8 000 neuen Stellen dafür gesorgt, dass die Krankenversicherung die Leistungen der medizinischen Behandlungspflege übernimmt.
Damit heilen wir einen Strickfehler der Pflegeversicherung wenigstens in einem ersten kleinen Schritt. Ich halte das für einen ganz wichtigen Beitrag.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Harald Weinberg [DIE LINKE]: Noch steht es nur im Entwurf! – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Der Koalitionsvertrag ist noch nicht unterschrieben!)
Lassen Sie mich noch kurz etwas zu der in Ihrem Antrag geforderten Pflegevollversicherung sagen. Darüber können wir durchaus diskutieren. Ein Konzept dafür haben aber auch Sie bisher nicht vorliegen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Sie dürfen an dieser Stelle vor allem keine Augenwischerei betreiben. Denn auch eine Pflegevollversicherung würde nur die Pflegekosten abfedern und noch keine Lösung für die steigenden Kosten bei Unterkunft und Verpflegung und die unter Umständen exorbitant steigenden Investitionskosten darstellen. Insofern werden wir auch dort noch sehr viel weiter nachdenken müssen.
Ich komme zum Schluss. Pflege darf nicht arm machen, und zwar weder die Pflegebedürftigen noch die Angehörigen noch diejenigen, die in der Pflege arbeiten. Das werden wir als SPD im Blick behalten, wenn wir weiter dafür sorgen, dass die Rahmenbedingungen in der Pflege verbessert werden.
In diesem Sinne freue ich mich auf die anstehenden Diskussionen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Das Wort hat der Abgeordnete Detlev Spangenberg für die AfD-Fraktion.
(Beifall bei der AfD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7205951 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 17 |
Tagesordnungspunkt | Finanzielle Eigenanteile in Pflegeheimen |