Mahmut ÖzdemirSPD - Deutsch als Landessprache
Sehr geehrter Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich habe mir als Schüler mit Nachhilfe in Deutsch ein paar Euros dazuverdient. Dass ich das als Abgeordneter einmal in diesem Hohen Hause für eine Fraktion tun würde, die neu hinzugekommen ist, hätte ich mir nicht träumen lassen.
(Beifall bei der SPD, der FDP, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Wer fremde Sprachen nicht kennt, weiß nichts von seiner eigenen.
Was hätte Goethe, von dem dieser Ausspruch stammt, wohl zu Ihrem Gesetzentwurf gesagt?
(Armin-Paulus Hampel [AfD]: Prima!)
Ich bin mir sicher, er hätte sich geschämt.
(Beifall bei der SPD)
Sie sprechen von „Verdrängung der deutschen Sprache“ und davon, dass Deutsch das „primäre Mittel zur Verständigung der Deutschen“ sei. Gerade deshalb sollte, wer das Grundgesetz nicht kennt, verdammt noch mal die Finger davon lassen, daran Veränderungen vornehmen zu wollen.
(Beifall bei der SPD und der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Sie verkennen, dass das Grundgesetz Grundrechte nicht nur für Deutsche, sondern für alle Menschen, die in seinem Geltungsbereich leben, festschreibt. Auch verkennen Sie, dass Deutsch im In- und Ausland gesprochen wird. Nicht umsonst ist das Goethe-Institut mit 159 Einrichtungen in 98 Ländern gegenwärtig und vermittelt die deutsche Sprache und die deutsche Kultur.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Aber welches Deutsch eigentlich? Das Deutsch, das wir heute sprechen, ist nicht einmal mehr das Deutsch von vor 20 Jahren, von den über 50 Mundarten mal ganz zu schweigen. Unsere Sprache ist eine Summe aus den grundrechtlich zugestandenen Freiheiten, die eigene Persönlichkeit frei zu entfalten.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Unsere Verfassung ist dem gesellschaftlichen Wandel gegenüber aufgeschlossen. Genauso ist es mit der deutschen Sprache. Diese in einen idealen Zustand pressen und bewahren zu wollen, käme der ungerechtfertigten Einschränkung von Grundrechten gleich.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Das Anliegen der AfD-Fraktion ist daher viel weniger redlich, als uns der Gesetzentwurf glauben zu machen versucht; denn er schürt Ängste,
(Zurufe von der AfD: Oh!)
Ängste, die jeder Grundlage entbehren, Ängste, ohne die eine AfD in Deutschland ihre Anhängerschaft verlöre.
(Beifall bei der SPD und der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Der Gesetzentwurf zeichnet darüber hinaus ein unwahres, ein düsteres Bild. Es klingt beinahe nach dem Eintritt des Verteidigungsfalles, wenn man Ihrer Sachverhaltsdarstellung folgt, dass demnächst Anglizismen unsere deutsche Sprache übernehmen werden. Vielmehr lösen Sie durch diese bösartigen Unterstellungen den demokratischen Verteidigungsfall aus. Mit der Mehrheit dieses Hohen Hauses verteidigen wir die Menschen vor Ihnen, die mit ihrer eigenen deutschen Sprache die kulturelle Vielfalt, die Wissenschaft, das Miteinander in diesem Land fördern als Ausfluss ihres allgemeinen Persönlichkeitsrechtes.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Keiner der Anwesenden wird ernsthaft bestreiten können, dass die deutsche Sprache schon jetzt verfassungsrechtliche Bedeutung hat. Das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland ist schließlich auf Deutsch verfasst. Auch da kann ich Ihnen gerne Nachhilfe geben, wenn Sie diese benötigen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)
Die Geltung des deutschen Grundgesetzes bedeutet zugleich die Geltung der deutschen Sprache. Sie genießt somit Verfassungsrang. Lesen bildet.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Gitta Connemann [CDU/CSU]: Wohl wahr!)
Menschen, die im Geltungsbereich unseres Grundgesetzes leben, müssen sich daher die deutsche Sprache aneignen; denn ohne die deutsche Sprache sind sie vor Behörden, vor Gericht und in der demokratischen Auseinandersetzung unterlegen. Nur wer die Sprache der Verfassung des Landes, in dem er lebt, beherrscht, findet Schutz und eine Heimat. Oder mit Goethe:
Der Deutsche soll alle Sprachen lernen, damit ihm zu Hause kein Fremder unbequem, er aber in der Fremde überall zu Hause sei.
Kurzum: Das Grundgesetz in deutscher Sprache braucht einen solchen Zusatz nicht. Am Niederrhein hätte man Ihnen wahrscheinlich nur gesagt: Da ham’ die Schwadronöres ma’ wieder Stuss zusammengefrickelt!
(Heiterkeit und Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, der FDP, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Jetzt erteile ich dem Kollegen Stephan Thomae, FDP-Fraktion, das Wort.
(Beifall bei der FDP)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7206206 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 18 |
Tagesordnungspunkt | Deutsch als Landessprache |