02.03.2018 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 18 / Tagesordnungspunkt 16

Martin GersterSPD - Rekrutierung Minderjähriger für die Bundeswehr

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Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Wir beraten heute zwei Anträge zu einem, wie ich finde, in der Tat sensiblen Thema. Diese Anträge machen es sich allerdings einfach. In ihnen wird gefordert: keine Minderjährigen in die Bundeswehr.

(Niema Movassat [DIE LINKE]: Ja, ist doch gut und vernünftig!)

Ich finde, diese Forderung ist sicher gut für schnellen Applaus und große Schlagzeilen. Wir von der SPD-Fraktion haben uns intensiv mit dieser Frage beschäftigt, und wir kommen nach reiflicher Überlegung zu der Position: Minderjährige gehören nicht an die Waffe. Mit der Position von Linken und Grünen habe ich aber meine Probleme; denn ich denke, dass diese Position Schwächen hat. Ich will darauf eingehen.

Erstens. Sie argumentieren: Dadurch, dass die Bundeswehr bereits 17-Jährige rekrutiert, würde Deutschland die Glaubwürdigkeit seiner diplomatischen Bemühungen auf internationaler Ebene gefährden. Es steht der Vorwurf im Raum, wir würden den Einsatz und die Rekrutierung von Minderjährigen für bewaffnete Konflikte nicht konsequent genug ächten.

Ich will Ihnen einmal ein paar Staaten nennen. Auf der einen Seite haben Länder wie Italien, Frankreich, die Niederlande, Australien und Österreich wie die Bundesrepublik von der Ausnahmeregelung des Fakultativprotokolls Gebrauch gemacht und eine Altersgrenze von 17 Jahren für die freiwillige Rekrutierung für ihre jeweiligen Streitkräfte geltend gemacht. Auf der anderen Seite gibt es Länder wie Kolumbien, Libyen, den Sudan oder Syrien, in denen laut Terre des Hommes Kindersoldaten eingesetzt werden. Aber diese Staaten haben das Fakultativprotokoll ohne eine solche Ausnahme unterzeichnet und damit einer Altersgrenze von 18 Jahren für ihre jeweiligen Streitkräfte zugestimmt. Ich frage Sie: Welche der beiden Staatengruppen halten Sie für glaubwürdiger im internationalen Kampf gegen Kindersolden? Ich meine, es ist die erste Staatengruppe.

Darüber hinaus engagiert sich die Bundesrepublik, wie ich finde, in vorbildlicher Weise gegen den Einsatz von Kindersoldaten. Vor knapp drei Wochen am Internationalen Tag gegen den Einsatz von Kindersoldaten hat sich die Bundesregierung erneut gegen diese „besonders verabscheuungswürdige Verletzung der Rechte von Kindern“ ausgesprochen. Viel wichtiger aber: Wir finanzieren Projekte von UNICEF zur Reintegration ehemaliger Kindersoldaten in Nigeria, im Südsudan und im Sudan – ja, genau in jenem Land, das die Erklärung zum Protokoll der Kinderrechtskonvention unterzeichnet hat und gleichzeitig bei Terre des Hommes auf der schwarzen Liste steht. Wir unterstützen mit unserer Finanzierung die psychosoziale Betreuung von Kindern und Jugendlichen, die entweder selbst kämpfen mussten oder Opfer der Kämpfe wurden. Und wir unterstützen damit auch die Aufklärung über Bewältigungsstrategien zu Gewalt, besonders auch zu sexueller Gewalt in diesen Ländern

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist vor allem dieses Engagement, das uns im internationalen Kampf gegen den Einsatz von Kindersoldaten wirklich glaubwürdig macht.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Herr Kollege Gerster, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Müller?

Ja, sehr gerne.

Herr Kollege Gerster, herzlichen Dank, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. Aber eigentlich haben Sie die Frage gestellt, und ich möchte Ihnen die Antwort geben. Sie haben gefragt: „Wer ist glaubwürdiger?“ Das möchte ich Ihnen sagen: Glaubwürdiger sind die drei Mitgliedstaaten der Europäischen Union, darunter die Republik Irland, die in den letzten fünf Jahren nach ihren letzten Staatenberichten und den Handlungsempfehlungen des UN-Ausschusses für die Rechte des Kindes auf die Anwerbung von zum Teil 16-Jährigen und 17-Jährigen für ihre nationalen Streitkräfte verzichtet haben. In Irland hat man nach einem ausgeprägten und vom Parlament ausgehenden kinderrechtlichen Dialog bewusst gesagt: Man will Vorbild sein und die Empfehlung der Vereinten Nationen umsetzen. – Diese Staaten sind glaubwürdiger als die Bundesrepublik Deutschland, weil sie die Handlungsempfehlungen umgesetzt haben.

(Beifall bei der LINKEN)

Herr Kollege Müller, ich will Ihnen unsere Position noch einmal klarmachen. Wir sagen: Keine Minderjährigen an der Waffe.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Ich glaube, das ist die richtige Positionierung; denn Ihre Position greift meines Erachtens viel zu kurz. Wir wollen, dass für minderjährige Bewerberinnen und Bewerber bis zum Erreichen der Volljährigkeit ein ziviles Beschäftigungsverhältnis bei der Bundeswehr geschaffen wird und damit ein Ausbildungskonzept umgesetzt wird. Wir wollen die Einführung einer erneuten Dienstverpflichtung zum Zeitpunkt der Volljährigkeit, um die Freiwilligkeit der Rekrutierung sicherzustellen. Und: Wir wollen die Schulung von speziellen Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartnern und eine getrennte Unterbringung von Minderjährigen und Volljährigen.

(Florian Hahn [CDU/CSU]: Das ist doch lächerlich!)

Natürlich soll es auch bei den bestehenden und den, wie ich finde, bewährten Schutzmechanismen bleiben, die Sie, Herr Müller, in Ihrem Antrag – ich weiß nicht, warum – gar nicht erwähnt haben. Dazu gehören die Einwilligung der Erziehungsberechtigten, kein Nachtdienst, kein Dienst an der Waffe im Inland, keine Teilnahme an Auslandseinsätzen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich glaube, das ist eine richtige Positionierung, auch in Anbetracht der Tatsache, dass die Bundeswehr als Arbeitgeber natürlich im Wettbewerb mit anderen Möglichkeiten für junge Leute, sich beruflich zu entwickeln, steht.

Ich sage auch ganz klar: Wir möchten in den kommenden Monaten mit der CDU/CSU-Fraktion entsprechend ringen, dass wir zu der Position kommen: In der Bundeswehr soll es für Minderjährige keine Ausbildung an der Waffe geben.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Ich glaube, das sind die richtige Positionierung und die richtige Haltung zu diesem Thema.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Gerster. – Herr Kollege Müller, ich bedaure es wie Sie, dass Zwischenfrage und Antwort nicht gleichberechtigt in der Geschäftsordnung verankert sind.

(Abg Niema Movassat [DIE LINKE]: Aber Zwischenbemerkung!)

– Ja, aber die muss angemeldet werden, wie Sie wissen; das nur als netten Hinweis von mir, weil heute Freitag ist.

Als Nächstes erteile ich das Wort dem Abgeordneten Jan Nolte von der AfD.

(Beifall bei der AfD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7206263
Wahlperiode 19
Sitzung 18
Tagesordnungspunkt Rekrutierung Minderjähriger für die Bundeswehr
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