15.03.2018 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 20 / Tagesordnungspunkt 11

Ralph LenkertDIE LINKE - Multiresistente Keime im Wasser

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Sehr geehrter Herr Präsident! Geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich verstehe nicht, dass antibiotikaresistente Bakterien in unseren Flüssen so eine Überraschung sind. Oder verstehe ich das doch? So, wie hier einige Fraktionen ihr Nichtstun hinter fehlendem Wissen verstecken, ist das ja kein Wunder.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Alle Bundesregierungen, von GroKo bis Schwarz-Gelb, haben in ihrer Regierungszeit Ursachen, Entstehung und Verbreitung von multiresistenten Keimen ignoriert, und das ist lebensbedrohlich. 15 000 Patienten infizieren sich jedes Jahr in unseren Krankenhäusern mit multiresistenten Keimen. Gleichzeitig wird über Sparmaßnahmen die Hygienequalität zurückgefahren. Es wird geredet, aber die Hygienestandards gehen zurück. Das begünstigt Entstehung und Ausbreitung dieser Keime.

(Beifall der Abg. Kerstin Kassner [DIE LINKE])

Woher kommen solche Keime noch? Erstens. 1 700 Tonnen Antibiotika werden jährlich an Schweine, Rinder und Geflügel verfüttert. Über die Gülle gelangen die Keime plus die Medikamentenrückstände in unsere Landwirtschaft und breiten sich aus, und noch immer gibt es keine Liste von Medikamenten, die beim Menschen noch helfen, deren Einsatz bei Tieren aber verboten werden sollte. Das ist ein schweres Versäumnis.

(Beifall bei der LINKEN)

Zweitens. Es gibt noch immer kein Rücknahmesystem für abgelaufene Altmedikamente. Es gibt noch immer keine Verpflichtung, den Entsorgungsweg auf die Pappschachteln zu drucken. Auch das ist Resultat der Vernachlässigung von Pflichten einer jeden Bundesregierung.

(Beifall bei der LINKEN)

Drittens. In Billiglohnländern wie Indien werden Antibiotika mit riesigen Profiten produziert; Abwasserreinigung und Klärung entfallen. Bei der Bevölkerungsdichte und den Temperaturen vor Ort züchtet man regelrecht Resistenzen, die dann über Reisende nach Europa kommen, und die Bundesregierung schaut weg.

Herr Kollege, erlauben Sie eine Zwischenfrage aus den Reihen der CDU/CSU-Fraktion?

Ja.

Herr Kollege, Sie sprachen von einem Einsatz von 1 734 Tonnen an Arzneimitteln in der Nutztierhaltung. Ist Ihnen entgangen, dass die deutsche Landwirtschaft, die deutschen Tierhalter diese Menge in den letzten fünf Jahren um 53 Prozent reduziert haben? Ich frage Sie: Wieso tragen Sie diese alten, falschen Zahlen vor?

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

Herr Kollege, dass reduziert wurde, stimmt; aber 1 700 Tonnen ist die Zahl des letzten Jahres.

(Rainer Spiering [SPD]: Falsch!)

Insofern sollten Sie noch einmal nachschauen. Schauen Sie auch auf die Sorten der eingesetzten Medikamente. Die Kollegin von den Grünen hat es ausgeführt: Es sind gerade die Medikamente, die beim Menschen gegen multiresistente Keime noch helfen, die in der Geflügelwirtschaft in großer Menge eingesetzt werden. Das, was für uns die Notfalloption ist, wird also flächendeckend eingesetzt. Sie können doch nicht leugnen, dass die Bundesregierung keine Verbotslisten aufgestellt hat.

(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Im Jahre 2017 hat meine Fraktion letztmals einen Antrag zur Einführung eines Rücknahmesystems für Altmedikamente, finanziert von Pharmakonzernen, eingebracht. Die Union hat ihn abgelehnt mit der Begründung, das könne man den Pharmaunternehmen nicht zumuten. Mir kommen die Tränen bei Jahresgewinnen in Höhe von 7,3 Milliarden Euro bei Bayer, 7,7 Milliarden Euro bei Novartis, 4,8 Milliarden Euro bei Sanofi, 7,5 Milliarden Euro bei Roche. Sind Sie wirklich der Meinung, dass man denen keine 50 Millionen Euro für ein Rücknahmesystem zumuten kann? Meine Damen und Herren von der Union, Sie brauchen sich nicht zu wundern, dass wir Sie als Lobbyverein der Pharmaindustrie betrachten.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Linke fordert, dass endlich Listen eingeführt werden, durch die der Antibiotikaeinsatz strenger reglementiert und der Einsatz von Reserveantibiotika in der Tiermedizin ausgeschlossen wird.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir fordern, dass endlich mehr Mittel für Hygiene in Krankenhäusern und im medizinischen Bereich bereitgestellt werden. Dazu gehört auch die Schaffung von 100 000 Stellen für Pflegekräfte im Gesundheitswesen, damit eine gute Pflege möglich ist und Resistenzen sich nicht weiter verbreiten.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir fordern zudem, dass die Pharmariesen in Geschäftsberichten nicht nur von ihrer Verantwortung reden, sondern diese Verantwortung auch übernehmen, indem sie ihr Geld nicht nur in profitable Potenzmittel, sondern auch in die Entwicklung neuer Antibiotika stecken.

(Beifall bei der LINKEN)

Geehrte Zuhörerinnen und Zuhörer, es ist unmöglich, multiresistente Keime aus unserer Umwelt fernzuhalten. Aber es ist möglich, sie einzudämmen und ihre Anzahl zu reduzieren. Das Thema ist zu wichtig, um weiter verschleppt zu werden. Lassen Sie uns endlich handeln!

Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Kollege Lenkert, herzlichen Dank an Sie. – Als Nächstes für die CDU/CSU-Fraktion der Kollege Artur Auernhammer.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7210195
Wahlperiode 19
Sitzung 20
Tagesordnungspunkt Multiresistente Keime im Wasser
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