15.03.2018 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 20 / Tagesordnungspunkt 16

Alexander MüllerFDP - Absicherung von Solo-Selbständigen

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Herr Präsident! Liebe Linksfraktion, ich bin eines der hilfsbedürftigen Opfer, an die sich Ihr Antrag richtet.

(Manfred Grund [CDU/CSU]: Ihnen muss geholfen werden!)

Ich war knapp 30 Jahre Solo-Selbstständiger in der IT, bis zum letzten Herbst, als ich in dieses Haus gewählt wurde.

(Kai Whittaker [CDU/CSU]: Furchtbar, nicht wahr? – Manfred Grund [CDU/CSU]: Ihnen muss geholfen werden!)

Die Linke erweckt den Eindruck, als würden wir zur Selbstständigkeit gedrängt – von bösen Arbeitgebern, die damit Geld sparen wollten.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Was?)

Wir haben uns selbst dafür entschieden, wir machen das freiwillig; Freiberuflichkeit ist eine Lebenseinstellung.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der AfD – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Das ist doch schön!)

Wir wollen die Freiheit, spontan einen Tag freizumachen. Wir wollen nicht in hierarchischen Strukturen arbeiten. Auch das Korsett aus sechs Wochen Jahresurlaub, 38-Stunden-Woche und Tarifverträgen wollen wir nicht.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP)

Ich akzeptiere das Bild nicht, wir wären schützenswerte, arme Opfer. Das Gegenteil ist der Fall.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der AfD – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Nicht alle, ein Drittel!)

Sie adressieren ja explizit die Solo-Selbstständigen, die IT-Experten, die Clickworker. Unser durchschnittlicher Stundensatz beträgt 83 Euro, und nur 4 Prozent von uns haben Stundensätze unter 50 Euro.

(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie dürfen nicht nur von sich selber ausgehen!)

Wir wehren uns gegen das Bild des Prekariats, das Sie hier zeichnen.

(Beifall bei der FDP sowie der Abg. Manfred Grund [CDU/CSU] und Stephan Protschka [AfD] – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Reden Sie mal mit denen!)

Wir Solo-Selbstständigen gehen mit unserer Altersvorsorge verantwortungsvoll um, und zwar eigenverantwortlich.

(Marianne Schieder [SPD]: Auwei, auwei!)

Wir nehmen uns die Freiheit, den Fokus zuerst auf ein abbezahltes Eigenheim zu setzen.

(Marianne Schieder [SPD]: Und warum gibt es dann so viele Probleme?)

Die Linke will uns in die gesetzliche Rente hineinzwingen. Welchen Sinn würde es denn machen, wenn wir doppelt so lange unser Eigenheim abbezahlen müssten, weil erzwungenermaßen viel Geld in die gesetzliche Rentenversicherung abfließen müsste? Ein schuldenfreies Eigenheim ist doch die beste Altersvorsorge. Für diese Freiheit der eigenen Entscheidung werden wir weiterkämpfen.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Selbstständige sollen ein Mindesthonorar erhalten, wenn es nach den Linken ginge. Sie haben keine Ahnung, wie Selbstständige ihre Honorare kalkulieren. Wir müssen uns am Markt orientieren: Verlangen wir zu viel, springen uns die Kunden ab und wir haben keine Aufträge mehr, verlangen wir zu wenig, verzichten wir auf Einkommen und können uns angesichts der Auftragsflut nicht mehr retten. Was sollen denn Mindestlöhne für Solo-Selbstständige bringen, wenn wir unsere Honorare ohnehin frei vereinbaren?

Sie wollen den Wechsel in die Freiberuflichkeit erschweren; das ist ja die Intention Ihres Antrages.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Ach, Quatsch!)

Wir Selbstständigen sorgen doch dafür, dass der Fachkräftemangel gelindert wird. Wir bilden uns ständig weiter, um exakt die nachgefragten Kenntnisse abzudecken, die die Wirtschaft braucht. Denn wer die Lücken füllen kann, der bekommt auch Aufträge. Wir sind das Rückgrat der Wirtschaft.

(Beifall bei der FDP)

Die Krönung ist die Arbeitslosenversicherung für Selbständige. Liebe Linke, ich hatte jeden Monat ein anderes Einkommen. Welchen Monatslohn soll ich denn versichern? Wir Selbständigen haben gar keinen Monatslohn. Angenommen, ich hätte vier Kunden, zwei beendeten die Zusammenarbeit mit mir, und von den verbleibenden 700 Euro Einnahmen im Monat könnte ich nicht mehr leben. Wann sollte denn die Arbeitslosenversicherung greifen? Sollte ich mich in meiner Problemlage arbeitslos melden, obwohl ich überhaupt nicht arbeitslos wäre? Wie sollte das denn funktionieren, wie sollte ein Selbstständiger arbeitslos werden? Sie haben keine Ahnung, wie wir arbeiten. Daher verschonen Sie uns bitte mit Ihren Hilfsangeboten!

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der AfD – Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Oh Gott! Sie kennen ja noch nicht mal die aktuelle Gesetzeslage!)

Wir haben schon genug bürokratischen Ärger mit der komplizierten Statusfeststellung, also dem Nachweis, dass wir tatsächlich selbstständig sind. Wir müssen aufwendig unsere Auftraggeber von diesen Nachweisen überzeugen. Sie wollen uns jetzt noch in die gesetzliche Rente zwingen, Sie wollen uns in die gesetzliche Krankenversicherung zwingen, und die Steuern wollen Sie sowieso dauernd erhöhen.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Für alle von null bis 7 000 Euro Monatseinkommen wollen wir sie senken!)

Wir lehnen Ihre Hilfe dankend ab, und wir werden unsere Freiheit verteidigen. Verlassen Sie sich darauf.

(Beifall bei der FDP und der AfD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Herzlichen Dank, Herr Kollege Müller. – Als Nächster hat für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen der Kollege Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn das Wort.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7210290
Wahlperiode 19
Sitzung 20
Tagesordnungspunkt Absicherung von Solo-Selbständigen
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