Benjamin StrasserFDP - Einführung umfassender Grenzkontrollen
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Den Antrag der AfD-Fraktion habe ich jetzt wirklich mehrfach inhaltlich gelesen, und ich muss eines feststellen: Sie haben eine Meinung – das sind wir ja auch nicht immer gewohnt –; Sie haben aber leider gar keine Ahnung von der geltenden Rechtslage in Deutschland.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Es wird in Ihrem Antrag munter mit Gesetzesnormen aus dem Asyl- und Aufenthaltsgesetz um sich geworfen. Das Problem ist nur: Sie zitieren in Ihrem Antrag ausgerechnet Gesetze, die von deutschen Gerichten ganz anders ausgelegt werden, als Sie das wollen.
Ein Beispiel: Sie berufen sich auf § 26a Absatz 2 des Asylgesetzes und behaupten, Österreich sei ein sicherer Drittstaat im Sinne des Asylgesetzes und deswegen könnten wir zurückweisen. Ihnen ist dabei völlig egal, dass es einen Anwendungsvorrang europäischen Rechts gibt – hier ganz konkret die Dublin-III-Verordnung – und dass dadurch ebendieser § 26a Absatz 2 seine praktische Wirkung weitgehend verloren hat.
Sie rufen immer, Dublin III gelte nicht; Frau Weidel hat hier gerade munter von Rechtsbruch gesprochen. Lesen Sie doch einmal die „NVwZ“ 2017, Seite 1625. Dort ist ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts aus dem Juli 2017 abgedruckt. Dieses Urteil stellt relativ schlicht fest – ich zitiere das Bundesverwaltungsgericht –:
Mitgliedstaaten der Europäischen Union sind wegen des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts nicht „sichere Drittstaaten“ iSv § 29 I Nr. 3 AsylG iVm § 26 a II AsylG, Art. 16 a II GG ...
Sie von der AfD halten von Gerichten und Rechtsprechungen offensichtlich immer nur dann etwas, wenn es in Ihre Abschottungsfantasien passt.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Das ist entlarvend hinsichtlich Ihres Bildes, was den Rechtsstaat hier in Deutschland angeht.
Aber jetzt könnte man ja meinen: Wenn die AfD mit dem Unions-, sprich: dem Europarecht, nicht zufrieden ist, setzt sie sich dafür ein, dass es auf europäischer Ebene geändert wird. Im Januar dieses Jahres trafen sich Parlamentarier aller nationalen Parlamente in Brüssel. Ich war für die FDP-Fraktion dabei. Es waren andere Kolleginnen und Kollegen aus diesem Haus dabei. War die AfD dabei? Fehlanzeige! Den ganzen Tag waren Sie nicht da. Warum? Weil es um Sacharbeit ging und weil keine Kameras anwesend waren.
(Beifall bei der FDP, der CDU/CSU, der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Ich würde hier in Grund und Boden versinken, wenn ich solche Anträge stellen würde. Dennoch blasen Sie hier die Backen auf und belehren uns. Das ist peinlich.
(Luise Amtsberg [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Lächerlich!)
Wir stehen vor großen Herausforderungen, auch was diese Frage angeht – zweifelsfrei. Jetzt kann man auf verschiedene Weise darauf reagieren. Man kann mit kleinstaatlichem Denken reagieren, wie es beispielsweise eine bayerische Regionalpartei im anstehenden Landtagswahlkampf macht, die Vorschläge aus der Mottenkiste hervorholt und eine bayerische Grenzpolizei fordert. Ich habe für meine Fraktion nachgefragt, was das Bundesinnenministerium – die CSU stellt ja den Bundesinnenminister – von dieser Idee hält. Wir stellen fest: Ihr Ministerium in Berlin musste aus der Presse davon erfahren. Es lobt die gute bisherige Zusammenarbeit zwischen Bundespolizei und bayerischer Landespolizei, und man behält sich vor, gegebenenfalls Bundespolizisten abzuziehen. Das ist sicher keine Lösung.
Wir können diese Frage nicht deutsch, sondern nur europäisch lösen. Darum geht es heute doch auch wirklich: um unsere Haltung zu Europa. Meine Generation will keine kleingeistige Abschottung in Europa. Wir wollen ein Europa, in dem uns Grenzen nicht trennen, sondern vereinen. Wir wollen ein Europa der Freizügigkeit für Menschen und für Waren.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Sie von der AfD reagieren auf die Herausforderungen dieser Zeit mit Angst – und wir mit Stärke.
(Beifall bei der FDP – Lachen bei der AfD)
Wir wollen die Aufwertung von Frontex. Wir wollen sichere Außengrenzen. Wir wollen ein deutsches Einwanderungsgesetz.
(Dr. Alexander Gauland [AfD]: Mit Nichtstun wie immer!)
Und wir wollen ein gemeinsames europäisches Asylrecht – bei dem die AfD bisher jegliche Mitarbeit verweigert hat.
(Dr. Alexander Gauland [AfD]: Ja, ja!)
Schengen ist für uns nicht tot. Schengen ist „the pulse of Europe“.
(Dr. Alexander Gauland [AfD]: Da sind die Ungarn ganz begeistert!)
Vielen herzlichen Dank.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dr. Alexander Gauland [AfD]: Erzählen Sie das mal den Polen und den Ungarn! Die sind ganz begeistert!)
Nächste Rednerin ist die Kollegin Ulla Jelpke, Fraktion Die Linke.
(Beifall bei der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7210524 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 21 |
Tagesordnungspunkt | Einführung umfassender Grenzkontrollen |