21.03.2018 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 22 / Tagesordnungspunkt 5

Niels Annen - Bundeswehreinsatz in Mali (MINUSMA)

Lade Interface ...
Anmelden oder Account anlegen






Vielen herzlichen Dank, Herr Präsident. – Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich will am Anfang etwas zur Bedeutung Malis sagen. Schaut man sich die geografische Lage und die Verbindungen, die Mali zu seinen Nachbarstaaten hat, an, wird relativ schnell deutlich, warum dieses Land so zentral für die Stabilität ist – nicht nur für die gesamte Sahelregion, sondern auch für uns und für unsere Nachbarschaft. Ich glaube, wir müssen in Zeiten einer zunehmend globalisierten, zusammenwachsenden Welt den Begriff „Nachbarschaft“ breiter definieren und diskutieren.

(Lachen der Abg. Heike Hänsel [DIE LINKE])

Ich will daran erinnern, warum wir heute überhaupt über die Operation MINUSMA miteinander diskutieren und am Ende der Debatte eine Entscheidung treffen werden. Mali, meine sehr verehrten Damen und Herren, stand 2012 kurz vor dem Kollaps. Islamistische Gruppierungen waren kurz davor, ihre Ziele zu erreichen und das Land und seine Regierung unter Kontrolle zu bringen. Es war eine Entscheidung von wenigen Tagen, vielleicht sogar von wenigen Stunden, wie Europa darauf reagieren würde.

Ich will das an dieser Stelle noch einmal sagen: Ohne den beherzten Einsatz vor allem unserer französischen Freunde und die Bereitschaft der damaligen französischen Regierung, ein politisches Risiko einzugehen, wären Mali und seine Regierung in die Hand der Islamisten gefallen.

(Heike Hänsel [DIE LINKE]: Krieg ist bei Ihnen jetzt beherzt?)

Das konnte verhindert werden. Es ist gut, dass diese Entscheidung damals so getroffen wurde. Ich will auch daran erinnern – das gerät manchmal ein bisschen in den Hintergrund –, dass das auf Bitten der malischen Übergangsregierung stattgefunden hat. Ich bin froh, dass die Bundesregierung diese Entscheidung damals unterstützt hat.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Deswegen, meine sehr verehrten Damen und Herren – das darf ich Ihnen heute vortragen –, hat sich die Bundesregierung dafür entschieden, diesen Einsatz und die Unterstützung, die wir der malischen Regierung gewähren und die wir im Rahmen einer breiten internationalen Bemühung leisten, fortzusetzen. Wir tun das in dem vollen Bewusstsein der Verantwortung, die wir für Leib und Leben, für die Gesundheit unserer Soldatinnen und Soldaten haben. Denn – auch das muss man sagen – der Einsatz in Mali ist einer der gefährlichsten Einsätze, die die Bundeswehr zurzeit ausführt. Deswegen ist es wichtig, dass wir uns die Zeit nehmen und miteinander eine ausführliche und angemessene Diskussion darüber führen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich will darauf hinweisen, dass wir es mit der Auseinandersetzung zwischen der malischen Regierung und den bewaffneten Rebellen zu tun haben.

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Hampel von der AfD?

Bitte.

Herr Staatsminister, könnte es sein, dass die Franzosen, die Sie gerade so lobend erwähnt haben, mit ihrem raschen Eingreifen einiges verhindert haben, aber dass das vielleicht mit Blick auf die Maghreb-Staaten, die durch die Lage in Mali bedroht sind, ein Eingreifen der Franzosen im nationalen Interesse war? Die Franzosen haben einfach eines gemacht: Sie haben ihre Interessen in Afrika wahrgenommen.

(Dr. Rolf Mützenich [SPD]: Fahren Sie mal nach Paris!)

Nein, ich glaube, die französische Regierung hat – ich habe darauf hingewiesen – eine Entscheidung getroffen in einer extremen Situation, von der jeder wusste, dass man, wenn man die Entwicklung laufen lassen würde, billigend in Kauf genommen hätte, dass dieses Land in die Hand der Islamisten gefallen wäre. Ich sehe auch überhaupt keinen Widerspruch darin, im Interesse Europas und auch im nationalen französischen Interesse zu handeln. Die französische Regierung hat sich unmittelbar nach dieser Entscheidung an die Verbündeten und Partner gewandt, unter anderem auch an die Bundesregierung. Insofern, glaube ich, muss man da keinen Widerspruch herstellen, wo es keinen Widerspruch gibt.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)

Ich will darauf hinweisen – das war der Punkt, an dem ich vorhin stehen geblieben bin –, dass es auch eine Verbindung zur organisierten Kriminalität gibt. Wir reden heute über Mali. Aber es ist wichtig, dass wir auch über die Stabilität im gesamten Sahelraum miteinander diskutieren und dass die Frage der ökonomischen Perspektiven für diese Region bei allen Debatten über die militärische Stabilisierung nicht in den Hintergrund gerät. Meine sehr verehrten Damen und Herren, das ist entscheidend. Das ist auch entscheidend für die etwa 50 Nationen, die sich an dieser Operation beteiligen.

Es gibt ein wichtiges Element, auf das ich ebenfalls hinweisen möchte: Es ist eine Operation, die nicht alleine durch Frankreich angestoßen und dann quasi von außen organisiert und geführt wurde. Es gibt einen Friedensprozess in Mali, es gibt ein Friedensabkommen. Das unterscheidet die Lage in diesem Land von vielen anderen Konflikten, über die wir hier im Deutschen Bundestag miteinander diskutiert haben. Das heißt: Wir haben eine Grundlage für unser Handeln. Insofern ist es wichtig, dass wir an dieser Stelle auch über das Problem der Perspektivlosigkeit, gerade der jungen Menschen, reden. In Mali haben etwa 300 000 Menschen keinen Zugang zum Bildungssystem und gehen nicht zur Schule. Wir kennen das aus anderen Konfliktregionen, meine sehr verehrten Damen und Herren. Das ist natürlich ein riesiges Potenzial für die Rekrutierung islamistischer Terroristen, aber auch für die organisierte Kriminalität.

Gerade weil wir in Mali ein Friedensabkommen haben, ist es wichtig, dass wir auch darüber sprechen, was wir tun können, und darüber, was wir schon tun, um diesen Prozess zu unterstützen. Aber dies ist verbunden mit dem ernstgemeinten Appell an die Regierung in Mali, ihren eigenen Verpflichtungen nachzukommen und das Friedensabkommen entschlossen und entschieden umzusetzen. Das gilt für alle Konfliktparteien: Das gilt für die Regierung, das gilt für die Rebellen. Ich will schon sagen, dass wir an der einen oder anderen Stelle enttäuscht sind, weil es am politischen Willen fehlt. Es ist kompliziert, denn Mali ist ein großes Land mit einer komplexen politischen Landschaft bzw. Situation; das wissen wir alles. Aber am Ende kann die internationale Gemeinschaft über die Frage, ob Mali dauerhaft stabilisiert und zu einer friedlichen Lösung geführt werden kann, nicht für die Menschen und die Regierung in Mali entscheiden. Das müssen die politischen Akteure in Mali schon selber tun. Aber wir können das tun, was wir im Moment leisten: mit hochprofessionellen Soldatinnen und Soldaten, die in diesem Einsatz tätig sind, aber auch mit den anderen Missionen, die wir dort unterstützen.

Ich will daran erinnern: Es geht um Ausstattungshilfe, es geht um das Engagement im Rahmen der deutschen Entwicklungszusammenarbeit. Seit vielen Jahren können wir auch auf Partnerstrukturen zurückgreifen. Es gibt eine EU-Ausbildungs- und Polizeimission und vieles mehr. Trotzdem hat es in diesem Prozess – das muss man ganz offen ansprechen – in den letzten Jahren und Monaten auch Rückschläge gegeben. Es gibt Probleme, vor denen wir uns nicht drücken. Wir stellen uns diesen Problemen. Aber es geht darum, dass dieser Friedensvertrag, dieser vereinbarte Prozess von den Partnern, die ich schon angesprochen habe, zügig und vollständig umgesetzt wird, meine sehr verehrten Damen und Herren. Die Sicherheitssituation im Land insgesamt bleibt in weiten Teilen durchaus prekär. Die Entwaffnung und die Reintegration der Rebellen schreitet voran, aber aus meiner Sicht deutlich zu langsam. Auch dort müssen wir als internationale Gemeinschaft mehr tun.

Aber es gibt eben auch wichtige Fortschritte, und ich will über diese Fortschritte reden, weil sie mit der Arbeit der deutschen Soldatinnen und Soldaten, der entsandten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der NGOs zu tun haben, die sich in und für Mali engagieren. Diese Fortschritte sind es, die uns Mut machen, Ihnen heute zu empfehlen, dieses Mandat zu verlängern. Ich will einige Punkte nennen.

Die überwiegende Mehrheit der Binnenvertriebenen ist inzwischen wieder in ihre Heimat zurückgekehrt. Das sagt auch etwas darüber aus, dass sich die Räume der Sicherheit vergrößert und verbreitert haben. Die Zentralregierung und die bewaffneten Gruppen des Nordens halten sich in letzter Zeit überwiegend an den Friedensvertrag. Es gibt inzwischen sogar gemischte Patrouillen in Gao. Ich glaube, dass das ein gutes und ein mutmachendes Zeichen ist. Die Wahrheits- und Versöhnungskommission – das möchte ich hier benennen – hat einen ganz zentralen Anteil an der Versöhnung, insbesondere mit Blick auf die Opfer, die wir in diesem Land zu beklagen haben. Auch das unterstützen wir. Mir ist es wichtig, dass wir als Bundesregierung politisch, aber auch dort, wo es mit anderen Möglichkeiten und finanziellen Ressourcen möglich ist, auch die schon angesprochene Zusammenarbeit der Staaten in der Sahelzone – Stichwort: Zusammenschluss der G 5 – unterstützen. Meine Damen und Herren, eine stabile und vertrauensvolle Zusammenarbeit, gerade auch in Sicherheitsfragen, ist in europäischem, aber auch in unserem nationalen Interesse.

Ich will schließen mit einem Dank – ich will das noch einmal unterstreichen und wiederholen – an die Soldatinnen und Soldaten. Ich will auch daran erinnern, dass wir alle miteinander gemeinsam den Verlust von zwei Hubschrauberpiloten zu beklagen hatten, die bei einem tragischen Unglück ums Leben gekommen sind. Ich denke, es ist der richtige Augenblick, in dieser Debatte auch an die Verluste zu denken.

Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank. – Nächster Redner ist der Kollege Rüdiger Lucassen von der AfD.

(Beifall bei der AfD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7211425
Wahlperiode 19
Sitzung 22
Tagesordnungspunkt Bundeswehreinsatz in Mali (MINUSMA)
00:00
00:00
00:00
00:00
Keine
Automatisch erkannte Entitäten beta