Gabi WeberSPD - Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
Sehr geehrter Herr Präsident! Lieber Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich freue mich, dass wir nach der langen Phase der Regierungsbildung nun endlich in die weitere Gestaltung der Entwicklungszusammenarbeit einsteigen können. Vor uns liegen die gleichen großen Herausforderungen, mit denen wir die letzte Legislaturperiode beendet haben. Ich nenne davon einige. Das Hauptthema ist die Umsetzung der Agenda 2030. Wir haben noch zwölf Jahre, um das alles umzusetzen. Dazu gehören die Bekämpfung von Armut, Hunger und Krankheiten, die Erreichung des 0,7-Prozent-ODA-Ziels, die Unterstützung der am wenigsten entwickelten und fragilen Staaten, Friedensstärkung – danke, Herr Minister, dass Sie das noch einmal unterstrichen haben –, gute Arbeit weltweit, fairer Handel, die Anpassung an den Klimawandel, die Zusammenarbeit mit unseren Partnerländern auf Augenhöhe sowie die Stärkung der Zivilgesellschaft in Entwicklungsländern und die Verhinderung weiterer Beschränkungen ihrer freien Entfaltung.
(Beifall bei der SPD)
All diese Themenfelder tragen dazu bei, Fluchtursachen erst gar nicht entstehen zu lassen und sie mittel- bis langfristig zu verhindern. Genau das ist die Aufgabe unserer Entwicklungspolitik, also auch des BMZ, und nicht der schnelle, aber wenig nachhaltige Effekt. Entwicklung braucht Zeit.
In diesem Zusammenhang ist mir noch etwas sehr wichtig: die Finanztransaktionsteuer. Auch hier bin ich für die entsprechende Bemerkung dankbar. Für diese Steuer trete ich schon lange mit Nachdruck ein und hoffe nun mit unserem Bundesfinanzminister auf eine zügige Umsetzung. Wir brauchen diese Einnahmen zur Finanzierung der von mir genannten Aufgaben.
(Beifall bei der SPD)
Erstaunlich ist: Frankreich hat diese Steuer bereits eingeführt, wenn auch nur im nationalen Bereich. Ich hoffe endlich auf eine europäische Lösung. Die französische Botschafterin hat mir dazu gestern die Unterstützung Frankreichs signalisiert. Hier haben wir eine gute Handhabe, um dieses Ziel zu erreichen.
In den anstehenden Haushaltsberatungen geht es für meine Fraktion darum, den Einzelplan 23 so auszustatten, dass wir die bilaterale und die multilaterale Entwicklungspolitik solide finanzieren. Zentral ist dabei – auch das haben wir im Koalitionsvertrag verankert –, das drohende Absinken der ODA-Quote in diesem Jahr unbedingt zu verhindern.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Die Kanzlerin hat sich heute in ihrer Regierungserklärung ebenfalls darauf bezogen und gesagt, dass sie so lange nicht ruhen wird, bis das 0,7-Prozent-Ziel der ODA-Quote erreicht ist. Ich hoffe, dass wir das in dieser Wahlperiode auch tatsächlich erreichen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Wir benötigen aber auch den Beitrag privaten Kapitals. Der Einsatz staatlicher Mittel zu dessen Mobilisierung und Absicherung kann nur dann gewährt werden, wenn die Vorhaben überprüfbar im Einklang mit den international anerkannten Sozial-, Arbeits- und Umweltstandards stehen; auch das gibt unser Koalitionsvertrag her.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ein Wort zum Chancenkontinent Afrika. Ich begrüße es, dass sich der Blick auf diese Region der Welt zunehmend wandelt – auch wenn man das hier nicht unbedingt gehört hat –, weg von einem Bild, das von Krisen, Armut und Hunger dominiert ist. Jetzt gilt es, unsere Afrika-Politik gut zwischen den einzelnen Ministerien abzustimmen. Das ist in meinen Augen noch nicht der Fall. Wir haben den „Marshallplan mit Afrika“, den „Compact with Africa“, die „Initiative Pro! Afrika“. Alle befassen sie sich mit Afrika, sind aber leider nicht immer abgestimmt.
Wir wollten die Erarbeitung einer einheitlichen Strategie im Koalitionsvertrag verankern. Das war mit der Union vorerst leider nicht möglich. Aber trotzdem habe ich einen großen Wunsch an die Kanzlerin: Aus drei mach eins: eine Afrika-Strategie für die gesamte Bundesregierung. – Das wäre dann ein großes Ding. Afrika hätte es verdient, dass wir das wirklich zusammenbinden.
(Beifall bei der SPD)
Die Kanzlerin sprach heute Mittag auch von einer neuen Partnerschaft mit Afrika. Ich hatte diese Woche die Gelegenheit, mit sehr vielen Botschafterinnen und Botschaftern Afrikas über ihre Sicht auf diese Partnerschaften zu sprechen. Was sie sich wünschen, ist langfristig ausgerichtete Kooperation auf Augenhöhe unter Berücksichtigung der Agenda 2063 der Afrikanischen Union, Unterstützung bei der beruflichen Bildung auch und gerade im Handwerk, trilaterale Partnerschaften und die Stärkung innerafrikanischer Kooperation, Finanzierungsinstrumente, die die Afrikanische Entwicklungsbank eng einbinden, und unsere Partnerschaft nicht auf Migrationsverhinderung zu reduzieren.
(Beifall bei der SPD)
Ein Bild, das mir die Diplomaten und Diplomatinnen dazu mitgaben, lautet: Stülpt uns keinen Anzug über, der uns nicht passt, sondern nehmt zur Kenntnis, was wir bereits selbst in Afrika erarbeitet haben. Das, denke ich, ist ein hervorragender Gedanke; den kann ich nur weitergeben.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Afrika-Fokus darf nicht zur Vernachlässigung anderer Partnerländer weltweit führen. Das gelingt am besten mit multilateralen Lösungen und in enger Zusammenarbeit mit internationalen Institutionen, zum Beispiel den UN-Organisationen. Auch das hat die Kanzlerin heute betont.
Herr Minister, ich möchte noch auf Ihren neu ausgerufenen Schwerpunkt eingehen, den Sie als „Perspektive Heimat“ beschreiben. Hinter diesem Titel sollen sich Rückkehrerprogramme verbergen. Was in Ihrem Haus dabei umgesetzt werden soll, ist in unseren Augen nicht unbedingt das ureigene Geschäft des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Es sind Pflaster für die deutsche Innenpolitik. Entwicklungspolitik hat stattdessen die Aufgabe, Fluchtursachen erst gar nicht entstehen zu lassen.
(Helin Evrim Sommer [DIE LINKE]: Genau!)
Da haben wir die Aufgabe, in den Partnerländern eine starke Grund- und berufliche Bildung und gute Arbeit, die eine gesunde wirtschaftliche Entwicklung nach sich zieht, zu schaffen. Das bedeutet, Perspektiven in der Heimat der Menschen zu schaffen und nicht darauf zu warten, dass sie unterwegs sind.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie des Abg. Dr. Diether Dehm [DIE LINKE])
Herr Minister, Sie haben Sonderinitiativen ins Leben gerufen, um schnell auf neue Entwicklungen reagieren zu können. Das kann sinnvoll sein. Entwicklungszusammenarbeit ist aber globale Strukturpolitik, die Zeit braucht. Wenn Sie das Instrument der Sonderinitiativen weiterführen wollen, darf das Kerngeschäft des BMZ, der Aufbau von nachhaltigen Strukturen, darunter nicht leiden. Dazu gehört auch, die große Vielfalt zivilgesellschaftlicher Organisationen und Projekte sicher und langfristig zu finanzieren. Das gilt für kleine und große Projekte. Diese leisten als Botschafter für die Notwendigkeit der 17 UN-Nachhaltigkeitsziele einen unverzichtbaren Beitrag.
Herr Minister, ich freue mich auf die nächsten Jahre der Zusammenarbeit und hoffe, dass wir zu guten Ergebnissen für die Menschen in anderen Teilen der Welt kommen.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Herzlichen Dank, Frau Kollegin Weber. – Als Nächstes erhält das Wort der Kollege Dr. Christoph Hoffmann für die Freien Demokraten.
(Beifall bei der FDP)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7211465 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 22 |
Tagesordnungspunkt | Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung |