Christoph HoffmannFDP - Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Zunächst möchte ich Ihnen, Herr Minister, und auch Frau Staatssekretärin Flachsbarth und Herrn Staatssekretär Barthle zu Ihren neuen Ämtern ganz herzlich gratulieren. Ich wünsche Ihnen stets eine glückliche Hand bei Ihren nicht ganz einfachen Aufgaben.
(Beifall bei Abgeordneten der FDP und der CDU/CSU)
Sie werden ja durch drei neue Stellen in Ihrem Haus wichtige Unterstützung bekommen: durch einen Beauftragten für Religionsfreiheit inklusive zweier Mitarbeiter. Braucht’s des wirklich?
(Armin-Paulus Hampel [AfD]: Nein!)
Für internationale Verhütungskonzepte, die Sie eben angedeutet haben, vielleicht.
(Heiterkeit bei der FDP)
Aber insgesamt stockt die Bundesregierung den Regierungsapparat bekanntlich um 209 Stellen auf. Parkinson hatte also recht: Verwaltung wächst. – Ich kann Ihnen versichern, dass die Bundesbürger nicht allzu viel Verständnis für eine solche Verwaltungsaufstockung haben. Ich glaube, es ist Aufgabe dieses Hauses, von innen heraus überbordende Bürokratie einzudämmen. Ich habe von Ihnen, Herr Minister, in der Rede nichts gehört, aber auch im Koalitionsvertrag nichts gelesen zu Instrumenten, um in der Entwicklungszusammenarbeit Bürokratie abzubauen und damit schneller, flexibler und günstiger, also insgesamt effizienter, zu werden.
(Beifall bei der FDP)
Sollten Sie nicht den UN, der Weltbank oder EU-Programmen mehr Gelder zukommen lassen? Wäre das nicht vielleicht effizienter und auch wirksamer? Vielleicht ist Effizienz auch dadurch zu erreichen, dass nicht jedes Projekt der deutschen Entwicklungszusammenarbeit mit allen Themen und mit Superstandards überfrachtet wird. Im Koalitionsvertrag insgesamt lässt sich kein klares Konzept erkennen. Es ist eher ein Flickenteppich. In dem kleinen Abschnitt zur Entwicklungspolitik ist 17-mal von Wollen die Rede, also von guten Willenserklärungen und Schlagworten, die alles, aber auch nichts bedeuten können.
China setzt sein Konzept „One Belt, One Road“ – die neue Seidenstraße – konsequent um. Eine europäische Antwort darauf fehlt bisher.
Ihr Marshallplan mit Afrika klingt für die deutsche Öffentlichkeit gut, aber die Entwicklung Afrikas erfordert meines Erachtens eine ganz andere Dimension, als der Marshallplan einst hatte. Wir brauchen hier einen starken multilateralen Ansatz, um das stemmen zu können. Der Marshallplan ist also eher Symbolpolitik, zumal er parallel zu anderen Einzelinitiativen der Bundesregierung läuft.
Aber grundsätzlich begrüßen wir, dass Afrika als Kontinent vor der Haustür im Koalitionsvertrag nun höhere Beachtung bekommt. Bisher waren es nur 20 Prozent der Mittel für die Entwicklungszusammenarbeit, die nach Afrika geflossen sind. Es müssten eigentlich um die 50 Prozent werden.
Außerdem ist gut, sehr geehrter Herr Minister, dass insgesamt mehr Geld in die Entwicklungszusammenarbeit fließen soll. Aber Geld oder erfüllte Haushalte sind nicht alles. Allein die Ergebnisse zählen.
(Beifall bei der FDP)
Vielleicht noch ein Hinweis an die AfD. Ihr Redner hat gerade gesagt, die ODA-Quote liege bei 2 Prozent.
(Dietmar Friedhoff [AfD]: Mit den Rücküberweisungen, habe ich gesagt!)
Nein, wir wären schon froh, wenn wir bei 0,7 Prozent angekommen wären.
Wir Freien Demokraten fordern mehr vorausschauende, präventive Konzepte und eine höhere Effizienz sowie eine performanceorientierte Entwicklungszusammenarbeit, die sich strikt an die Sustainable Development Goals der Agenda 2030 anlehnt.
Wir Freien Demokraten stehen für Freiheit und Menschenrechte weltweit. Das heißt ganz klar: keine Zusammenarbeit mit korrupten Regimes, keine Zusammenarbeit mit Diktatoren, die Vermögen außer Landes schaffen, sondern besser direkte Hilfe vor Ort für die Menschen.
(Beifall bei der FDP)
Wir müssen neu denken, auch in der Entwicklungszusammenarbeit. Wir müssen wirtschaftlich in Zyklen denken. Es ist zunächst entscheidend, dass die Produktivität im Agrarsektor für die Eigenversorgung erhöht wird. Dann müssen Gewerbe und der industrielle Zyklus in Gang gebracht werden. Grundvoraussetzung ist ein fairer freier Handel, der heute nicht gegeben ist, und daran sollte die Bundesregierung intensivst arbeiten.
(Beifall bei der FDP)
Hunger und Durst dürfen uns nicht egal sein. Den milliardenschweren Fehler der mangelnden Unterstützung von UN-Programmen und die daraus resultierenden Probleme hat die Kanzlerin heute angesprochen.
Auch wenn der Entwicklungsetat steigt, wird letztlich nur die Mobilisierung von privatem Kapital in Form von Investitionen die immens großen Probleme der Entwicklungsländer lösen können. Hieran muss sich die deutsche Entwicklungszusammenarbeit letztlich messen lassen. Wir müssen konzeptionell umschalten: vom Geberland zum Investorenland.
(Beifall bei der FDP)
Parallel müssen wir natürlich auch die Stärkung der inneren Verwaltung in den Entwicklungsstaaten vorantreiben. Zum Beispiel ist die Schaffung von Grundbüchern oder Katastern eine grundsätzliche Voraussetzung für Eigentum. Ohne Eigentum keine Rechte und ohne Rechte keine Entwicklung.
Für uns Freie Demokraten haben folgende Ziele Priorität.
Erstens. Grundbildung ist der Schlüssel gegen Armut, und sie muss in den Mittelpunkt der nächsten vier Jahre gerückt werden, und zwar auch in den ärmsten Ländern. Die Grundbildung muss auch Frauen zugänglich sein; das ist ein sehr wichtiger Eckpfeiler für Wohlstand in diesen Staaten.
(Beifall bei der FDP)
Zweitens. Auch in den ärmsten Ländern muss die Grundversorgung stärker gefördert werden, also Wasser, Strom, Telekommunikation, aber zum Beispiel auch Straßenbau; denn nur mit Straßen kann der bisher kaum existierende innerafrikanische Handel überhaupt erst stattfinden. Gleichzeitig müssen wir dabei helfen, Verwaltungsstrukturen auf kommunaler oder staatlicher Ebene zu dezentralisieren und durch unsere Expertise zu stärken.
Drittens. In Sachen Klimaschutz muss aus unserer Sicht ebenfalls mehr getan werden. Ein verstärktes Engagement zum Schutz verbliebener tropischer Wälder sowie die Wiederaufforstung großer Flächen sind existenziell für unseren Planeten.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Wälder binden CO 2 und schaffen Einkommen vor Ort. Daher fordern wir: mehr Klimaschutz durch Wald. Deshalb brauchen wir Aufforstung.
Viertens. Wir Freien Demokraten setzen auf Partnerschaften mit kleinen und mittleren Unternehmen. Das schafft neue Wirtschaftskreisläufe, Einkommen und steigert den Wohlstand; und Wohlstand ist das beste Mittel für Frieden und gegen Flucht und Migration.
Investitionen privater Firmen in den Entwicklungsstaaten bergen Risiken. Wenn wir mehr private Investitionen wollen, dann müssen wir dieses Risiko abfedern. Wir brauchen eine Risikoabsicherung, und wir müssen auch die Kapitalkraft der Entwicklungsbanken stärken. Nur so wird es gelingen, privates Kapital mehr in diese Aufgabe zu bringen; und das ist das Wichtige.
(Beifall bei der FDP)
Kommen Sie bitte zum Schluss.
Sie sehen also, Herr Minister Müller: Wir werden hier keine Fundamentalopposition machen. Uns liegt sehr viel an einer erfolgreichen Entwicklungszusammenarbeit. Sie dient letztlich der Zukunftssicherung von uns allen.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)
Herzlichen Dank, Herr Kollege Dr. Hoffmann. – Als Nächstes erhält das Wort zu ihrer ersten Parlamentsrede die Kollegin Helin Evrim Sommer von der Linkenfraktion.
(Beifall bei der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7211468 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 22 |
Tagesordnungspunkt | Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung |