21.03.2018 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 22 / Tagesordnungspunkt 3

Sascha RaabeSPD - Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung

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Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es gehört sich ja, dass man Contenance wahrt, wenn einer seine erste Rede hält. Nachdem Sie sich über unsere bildungspolitischen Anstrengungen in den Entwicklungsländern lustig gemacht haben, Herr Frohnmaier, würde ich mal sagen: Anstatt eines Deutschlandplanes täte Ihnen vielleicht ein Bildungsplan hinsichtlich entwicklungspolitischer Fragestellungen ganz gut.

(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)

Wir werden es sicherlich noch im Ausschuss mit Ihnen diskutieren. Ich lasse es also einfach dabei bewenden und komme von Duisburg zurück zu unserem Thema, nämlich zu unserem Anliegen, Menschen in Entwicklungsländern Hilfe zur Selbsthilfe zu geben.

Wir haben heute im Ausschuss sehr schlimme Berichte zum Beispiel über die Lage im Osten des Kongos gehört. Sie, Herr Minister, haben das vorhin auch angesprochen. Wir haben außerdem von jemandem, der vor Ort war, geschildert bekommen, dass er live miterlebt hat, wie dort Zehntausende Kinder in den Bergbauminen arbeiten, Zehntausende Kinder als Soldaten missbraucht werden, wie Kinder ausgebeutet werden, damit wir mit den neuesten Handys telefonieren können, mit Elektroautos fahren können. Ich sage: Da dürfen wir nicht wegschauen. Die Tränen dieser Kinder dürfen nicht der Schmierstoff unserer Wirtschaft sein, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der LINKEN)

Wir haben als großes Wirtschaftsland in der Mitte Europas natürlich eine besondere Verantwortung, genau hinzuschauen, unter welchen Bedingungen die Rohstoffe abgebaut werden, die wir beziehen. Wir haben es, nachdem es in der damaligen Bundesregierung sehr kontrovers diskutiert worden ist, im letzten Jahr geschafft – ich bin auch ein bisschen stolz darauf, dass ich dazu beitragen konnte –, dass es jetzt eine EU-Verordnung zum Thema Konfliktmineralien gibt, die zumindest Zinn, Tantal, Wolfram und Gold betrifft. Bislang ist es ja so, dass man selbst dann, wenn man einen Trauring kauft, der ja eigentlich ein Zeichen der Liebe sein sollte, nicht sicher sein kann, ob das Material nicht in illegalen Minen zum Beispiel im Kongo abgebaut wurde, wo Kinder in dunkle, kleine Schächte reinkrabbeln müssen oder mit Quecksilber vergiftet werden, wenn sie Gold schürfen. Es ist gut, dass es diese Verordnung jetzt gibt. Wir haben auch in den Koalitionsvertrag hineingeschrieben, dass wir sie zügig in nationales Recht umsetzen wollen; es gibt für die Mitgliedstaaten eine Frist bis zum Jahr 2021. Ich zitiere den Koalitionsvertrag:

Die EU-Verordnung zum Handel mit Konfliktmineralien werden wir zügig in nationales Recht mit starken Durchsetzungsbestimmungen umsetzen und uns auf europäischer Ebene für die Abschaffung der Freigrenzen und Ausweitung auf die gesamte Lieferkette einsetzen.

Das ist auch sehr wichtig.

Wir haben aber heute Morgen beim Bericht aus dem Kongo gesehen, dass wir die Regelungen dazu anpassen müssen, welche Mineralien als Konfliktmineralien einzustufen sind. Zum Beispiel wird Kobalt eines der Schlüsselmineralien sein, wenn wir in Zukunft die Elektromobilität ausweiten wollen. Mehr als die Hälfte des weltweiten Kobaltbedarfs kommt zurzeit aus dem Kongo. Deswegen sollten wir uns, Herr Minister, gemeinsam dafür einsetzen, dass wir Kobalt in die Regelungen zu Konfliktmineralien mit aufnehmen, damit Unternehmen verpflichtet sind – gesetzlich und nicht nur freiwillig –, nur noch Rohstoffe zu verwenden, die aus sauberen Minen mit anständigen Arbeitsbedingungen für die Menschen gefördert wurden, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Die Demokratische Republik Kongo erhält im Rahmen des Präferenzsystems und der Regelung „Everything But Arms“ – also „Alles außer Waffen“ – einen zollfreien Zugang zur EU. Es kann eigentlich nicht sein, dass wir Ländern zollfreien Zugang gewähren, die Menschenrechte verletzen, obwohl sie sich eigentlich verpflichtet haben, sie einzuhalten. Herr Minister Müller, Sie haben zu Recht gesagt, die Menschenrechte sollen Richtschnur unserer Entwicklungspolitik sein. Das muss dann aber auch für unsere Handelspolitik gelten. Wir können die Länder, in denen sich Präsidenten und Regierungsarmeen an diesem illegalen, dreckigen Geschäft beteiligen und Kinder versklavt werden, nicht auch noch belohnen, indem wir sagen: Das, was ihr da fördert, kann zollfrei auf unsere Märkte kommen. – Das sorgt auch für Wettbewerbsverzerrung gegenüber den Ländern, die sich an Standards und Menschenrechte halten. Deswegen sage ich: Wir müssen die EU-Kommission auffordern, die Instrumente, die es beim Präferenzsystem gibt, endlich auch anzuwenden und nicht weiter zuzuschauen, wenn mit dem Blut der Kinder Geschäfte gemacht werden und die entsprechenden Produkte auch noch zollfrei nach Europa kommen, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Uwe Kekeritz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Insofern ist die Diskussion auf europäischer Ebene über die künftige Architektur der Freihandelsabkommen so entscheidend. Die Diskussion läuft momentan. Am 22. Mai soll der Rat darüber befinden, wie wir künftig mit allen Ländern der Erde Freihandelsabkommen abschließen. Im Zusammenhang mit dem Nachhaltigkeitskapitel, das die Menschenrechte, die Umweltstandards und auch die ILO-Kernarbeitsnormen, die Arbeitnehmerrechte, betrifft, geht es darum, dafür zu sorgen, dass es – anders als in der Vergangenheit – nicht mehr ausreicht, wenn sich Länder lediglich schriftlich zur Einhaltung der Standards bekennen. Vielmehr brauchen wir konkrete Beschwerde-, Überprüfungs- und Reaktionsmechanismen, damit bei Nichteinhaltung der Standards entsprechende Sanktionen erfolgen können. Ich bin froh, dass wir uns einig waren und in den Koalitionsvertrag aufgenommen haben, dass wir solche konkreten Beschwerde-, Überprüfungs- und Reaktionsmechanismen vereinbaren wollen.

Jetzt muss aber auch unser neuer Wirtschaftsminister gemeinsam mit unserem Entwicklungsminister in Brüssel tätig werden; denn in vier Jahren brauchen wir uns über dieses Thema nicht mehr zu unterhalten, wenn die Europäische Kommission im Mai dieses Jahres das erst einmal so beschlossen hat, wie sie es vorhat. Frau Malmström hat ja leider gesagt, dass sie weiter auf ein reines Dialogverfahren setzen will. Der Vorsitzende des Handelsausschusses, Bernd Lange, hat sich zu Recht darüber beschwert, weil das Europäische Parlament Resolutionen zu einem Durchsetzungsmechanismus, einem Sanktionsmechanismus eingebracht hat. Auch Frankreich, Italien und Deutschland sprechen sich dafür aus. Es kann von daher nicht sein, dass Frau Malmström ziemlich zynisch und kalt sagt, sie wolle jetzt einen Schlusspunkt unter die Debatte setzen, es solle alles so bleiben, wie es ist. Es darf nicht sein, dass sich die Europäische Union hier schuldig macht. Wenn wir fairen statt freien Handel wollen, dann müssen wir jetzt dafür sorgen, dass das in den künftigen Handelsverträgen der Europäischen Union umgesetzt wird.

(Alexander Graf Lambsdorff [FDP]: Steht längst drin! Mein Gott!)

In diesem Sinne bitte ich das ganze Haus und auch unsere Bundesregierung um Unterstützung. So können wir dafür sorgen, dass wir in vier Jahren, wenn wieder eine Debatte zu einem Regierungsprogramm hier im Bundestag ansteht, nicht mehr darüber reden müssen, dass wir unsere Handys, unsere Autos, unser Gold und unseren Schmuck aus solchen dreckigen Quellen beziehen, sondern uns darüber freuen können, dass die Gewinne der Globalisierung endlich bei den Menschen ankommen und nicht nur bei den Großkonzernen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Herr Kollege Dr. Raabe, herzlichen Dank für Ihren Beitrag. – Als nächster und letzter Redner spricht zu uns der Kollege Matern Freiherr Marschall von Bieberstein.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7211476
Wahlperiode 19
Sitzung 22
Tagesordnungspunkt Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
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