22.03.2018 | Deutscher Bundestag / 19. EP / Session 23 / Tagesordnungspunkt 3

Christian DürrFDP - Finanzen und Haushalt

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Verehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es freut uns natürlich immer, Herr Kollege Brinkhaus, wenn Redner im Vorfeld Motivationsseminare besucht haben.

(Heiterkeit und Beifall bei der FDP – Heiterkeit bei der AfD)

Sie haben über Entlastung und Bürokratieabbau gesprochen. Wissen Sie was? Über weite Strecken Ihrer Rede war vor allen Dingen Ihr Koalitionspartner total irritiert; denn die Kollegen haben sich gefragt, über welchen Koalitionsvertrag Sie heute eigentlich gesprochen haben, Herr Kollege Brinkhaus.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der AfD – Andrea Nahles [SPD]: Das stimmt überhaupt nicht! Blödsinn!)

Sie wussten gar nicht, wie sie da reagieren sollten.

Ich möchte eines sagen: Nüchterne Ökonomen haben Ihnen ins Stammbuch geschrieben, Herr Brinkhaus, dass die Wünsche in Ihrem Koalitionsvertrag den Spielraum bei weitem überschreiten. Über 20 Milliarden Euro an Ausgaben sind überhaupt nicht finanziert. Um das einmal in aller Klarheit zu sagen: Mit Solidität hat das bisher, jedenfalls zum Start dieser Regierung, noch nichts zu tun.

(Beifall bei der FDP)

Herr Bundesminister Scholz, Sie haben ja heute viele interessante Punkte angesprochen. Es hat mich gefreut, dass Sie auch darüber gesprochen haben, dass man beim Bundeshaushalt auf lange Sicht über Schuldenabbau nachdenken muss. Interessant fand ich aber insbesondere das, was Sie heute nicht gesagt haben. Sie haben heute nicht vom demografischen Wandel in Deutschland gesprochen. Sie haben nicht davon gesprochen, dass der Bedarf der gesetzlichen Rentenversicherung an Zuschüssen aus dem Bundeshaushalt noch in dieser Legislaturperiode, während Ihrer Regierungszeit, die 100-Milliarden-Euro-Marke knacken wird. Frau Kollegin Nahles hat gestern gesagt, diese Rentenpolitik sei eine gute Nachricht für die junge Generation in Deutschland. – Frau Kollegin Nahles, ich halte das für zynisch. Um das in aller Klarheit zu sagen: Das ist keine gute Nachricht für die junge Generation.

(Beifall bei der FDP – Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Unsinn!)

Herr Scholz, Sie haben nichts zu der geplanten Abkehr von der deutschen Politik in Europa gesagt. Sie haben das Interview mit Mark Rutte, unserem liberalen Freund aus den Niederlanden, angesprochen; das hat mich gefreut. Aber Sie haben nicht davon gesprochen, dass sich die Große Koalition davon verabschiedet, in Europa insbesondere die kleinen Mitgliedstaaten ins Boot zu nehmen.

(Andrea Nahles [SPD]: Es tut mir leid, aber Sie haben es nicht verstanden!)

Beim Thema EWF, beim Thema Reform der Euro-Zone empfehle ich, dieses Interview als Warnsignal zu verstehen, meine Damen und Herren. Wir sollten auf die baltischen Staaten, auf die Benelux-Länder und auf den Kollegen Rutte hören und an dieser Stelle mit ihnen zusammenarbeiten. Dann schaffen wir auch mehr Solidität in Europa, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der FDP)

Herr Scholz, Sie haben auch nichts zur Zinsentwicklung gesagt. Die Federal Reserve Bank, die US-amerikanische Notenbank, hat am gestrigen Tag den Leitzins erneut erhöht. Sie haben hier viel über die schwarze Null gesprochen, aber in Wahrheit wäre es doch jetzt die Aufgabe der Großen Koalition, in einen Schuldentilgungsplan einzutreten; denn wir wissen, dass die Zinsen auch in der Euro-Zone steigen werden. Der Bundeshaushalt muss sich jetzt darauf vorbereiten und nicht erst in der kommenden Wahlperiode, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der FDP)

Herr Scholz, Sie haben auch nichts dazu gesagt, dass es bei den Unternehmenssteuern mittlerweile international einen strengen Wettbewerb gibt. Sie tun so, als ob das überhaupt gar kein Thema für die Steuerpolitik in Deutschland wäre. Ich empfehle das, was Ihre skandinavische Amtskollegin, die schwedische Finanzministerin, am gestrigen Tag gesagt hat: Schweden plant eine Entlastung der kleinen und mittleren Unternehmen. Sie sagte wörtlich:

Das kommt kleinen und mittleren Unternehmen zugute, wo ein Großteil der neuen Jobs geschaffen werden wird.

Stattdessen zahlen die kleinen und mittleren Unternehmen in Deutschland auf absehbare Zeit weiterhin den Solidaritätszuschlag. Sie treten zulasten des deutschen Mittelstandes nicht in diesen Wettbewerb ein, Herr ­Scholz.

(Beifall bei der FDP – Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Den Unternehmen geht es aber im Moment sehr gut!)

Apropos Jobs: Herr Minister Scholz, Sie haben auch nichts dazu gesagt, dass Sie den Haushaltsausschuss gestern dazu gezwungen haben, 209 zusätzliche Planstellen im Bundeshaushalt bereitzustellen. Sie haben auch kein Wort über die sehr interessante Personalrochade in Ihrem eigenen Haus gesagt. Ich will in Richtung der Kollegen der SPD-Fraktion sagen: Ich stelle mir nur eine Sekunde vor, ein Finanzminister der FDP hätte als seinen wichtigsten Staatssekretär einen Investmentbanker eingestellt. Ich finde es gut, wenn Sie sich mit qualifiziertem Personal umgeben; aber ich hätte die Reaktion in den Reihen Ihrer Fraktion dazu gerne erlebt. Die wäre ganz anders gewesen als das, was wir in den letzten Tagen aus Ihren Reihen gehört haben.

(Beifall bei der FDP – Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Das stimmt!)

Herr Scholz, es gab auch kein einziges Wort von Ihnen zur Kritik des Bundesrechnungshofes an der Steuerverschwendung in Deutschland durch die Subventionen und insbesondere an dem, was die Große Koalition an zusätzlichen Subventionen plant. Nach Ihrer eigenen Rechnung hatte in der Geschichte unseres Landes keine Regierung zuvor einen solchen finanziellen Spielraum wie diese Große Koalition. Mithin zahlen die Menschen und die Unternehmen heute und in den kommenden Jahren so viel wie niemals zuvor in der Geschichte unseres Landes von dem, was sie selbst erwirtschaftet haben.

(Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Das gilt von Jahr zu Jahr!)

Um 8,1 Prozent – das haben wir heute lesen dürfen – steigen die Steuereinnahmen gegenüber dem Vorjahr. Und obwohl das so ist, kommt eine Entlastung der Mitte der Gesellschaft beim Solidaritätszuschlag in Ihren Konzepten gerade einmal – wenn überhaupt – am Rande vor. Sie kommt nämlich frühestens im Jahr 2021 – acht Monate vor der kommenden Bundestagswahl! Nein, Herr Scholz, das ist für die Entlastung der hart arbeitenden Mitte unserer Gesellschaft und für die kleinen und mittleren Familienunternehmen in Deutschland viel zu wenig. Die brauchen jetzt Impulse und die Freiräume, um in Digitalisierung und in die Zukunft zu investieren, damit wir auch in Zukunft Wohlstand in Deutschland haben. An dieser Stelle müssen wir noch Hausaufgaben machen.

Wir als FDP sind eine Serviceopposition,

(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU – Kersten Steinke [DIE LINKE]: Das ist ja was ganz Neues!)

und wir werden Sie in den kommenden vier Jahren sehr gerne mit eigenen kreativen Vorschlägen begleiten, damit die Große Koalition besser wird als das, was bisher im Koalitionsvertrag steht.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP – Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Damit hätte man mit dieser Rede aber schon anfangen können! Das ist leider schiefgegangen!)

Nächster Redner ist der Kollege Fabio De Masi von der Fraktion Die Linke.

(Beifall bei der LINKEN)

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Electoral Period 19
Session 23
Agenda Item Finanzen und Haushalt
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