22.03.2018 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 23 / Tagesordnungspunkt 3

Gerhard SchickDIE GRÜNEN - Finanzen und Haushalt

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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist schon sehr bemerkenswert, dass in dieser Debatte und vor allem in der Erklärung des neuen Bundesfinanzministers eine Reihe von Themen, die sehr viele Menschen in diesem Land beschäftigen, überhaupt nicht vorgekommen ist. Die Finanzkrise, die vor zehn Jahren ausgebrochen ist, ist inzwischen bei den Menschen in unserem Land angekommen. Die Banken wackeln nicht mehr. Aber die Menschen machen sich Sorgen, ob sie noch bezahlbaren Wohnraum finden, wenn Finanzinvestoren Wohnungen aufkaufen und wenn deswegen für Menschen mit normalem Geldbeutel gar kein Raum mehr auf dem Wohnungsmarkt ist. Kein Wort haben Sie dazu gesagt.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Finanzkrise, die vor zehn Jahren ausgebrochen ist, kommt inzwischen bei der Altersvorsorge in Deutschland an. Die Lebensversicherungen mussten reihenweise die Überschussbeteiligungen kürzen, und schon 27 Pensionskassen in Deutschland mussten den Rentenfaktor anpassen. Das bedeutet weniger Rente für die Menschen in Deutschland. Sie haben kein Wort dazu gesagt,

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

obwohl das viele Menschen verunsichert und gerade die Politik, die zu privater Vorsorge aufgefordert hat, hierauf eine Antwort geben muss. Im Moment erleben wir bei P&R möglicherweise die größte Pleite auf dem Kapitalmarkt. Über 50 000 Menschen machen sich Sorgen, ob ihr Geld weg ist. Kein Wort dazu vom neuen Bundesfinanzminister! Die SPD hat im Wahlkampf oft gesagt, dass man beim Thema „too big to fail“, also dass die Banken noch immer so groß sind, dass sie uns auf die Füße fallen könnten, etwas tun sollte. Von einem Trennbankensystem war die Rede. Nichts davon haben Sie erwähnt. Man könnte meinen, dass auf dem Finanzmarkt alles in Ordnung sei. Dabei machen sich viele Menschen zu Recht Sorgen. An den Sorgen der kleinen Menschen haben Sie völlig vorbeigesprochen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)

Man könnte sagen: In der ersten Rede kann der neue Bundesfinanzminister nicht alles bringen; dafür gibt es den Koalitionsvertrag. Wenn man aber in den Koalitionsvertrag schaut, stellt man fest, dass dort zu diesen Themen auch nichts steht. Kein Wort zu der historisch schwierigen Lage der deutschen Lebensversicherungen! 90 Millionen Verträge sind sozusagen im Feuer, und die Menschen fragen sich: Was passiert da eigentlich? – Auch kein Wort zu dem Thema, das nun bei der Deutschen Bank erneut deutlich geworden ist: Wie kann es eigentlich sein, dass ein Institut Verluste macht und dass trotzdem Milliardenboni ausgezahlt werden? Was ist das denn für eine Politik des Zusammenhalts in unserer Gesellschaft, wenn solche Fragen von einem Bundesfinanzminister noch nicht einmal angesprochen werden?

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Da ist eine riesige Lücke. Das ist ein weites Feld für einen Finanzminister, weil im Koalitionsvertrag dazu nichts steht. Nun haben wir, nachdem Sie gesagt haben, wer die Arbeit beim Thema Finanzmarkt leisten soll, eine erste Ahnung, wie Sie diese Lücke füllen wollen. Die Bewertung in unserer Bevölkerung ist sehr nahe bei dem, was ich in den letzten Tagen geäußert habe. Wenn ein Topinvestmentbanker diese inhaltliche Lücke des Koalitionsvertrages füllen soll, dann stellt sich doch die Frage: Wird das eine Finanzpolitik für Menschen mit kleinen Einkommen, Bürgerinnen und Bürger, Arbeitnehmer und ehrliche Sparer, oder wird das wieder eine Finanzpolitik für die Zocker? Da mache ich mir bei Ihnen ehrliche Sorgen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Es gibt ja leider ein Vorbild: Ihr Vorvorgänger Steinbrück hat sich ebenfalls auf einen Finanzmarktexperten verlassen und hat sich kaum um diese Themen gekümmert. Am Ende war es so, dass er feststellen musste: Da ist nichts von einer schwarzen Null, sondern da sind Milliardenlasten für die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler in Deutschland. – Deswegen fordere ich Sie auf: Sorgen Sie dafür, dass diese Lücke im Koalitionsvertrag so gefüllt wird, dass die Lasten dieser Finanzkrise fair verteilt werden und dass die Sorgen der Menschen ernst genommen werden, dass die Finanzspekulanten aus unseren Wohnungsmärkten herausgehalten werden! Das ist Ihre Aufgabe. Bei der nächsten Regierungserklärung, die Sie abgeben, möchten wir dazu aber wirklich etwas hören.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Nächster Redner ist der Kollege Lothar Binding, SPD.

(Beifall bei der SPD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7211526
Wahlperiode 19
Sitzung 23
Tagesordnungspunkt Finanzen und Haushalt
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