Johannes VogelFDP - Arbeit und Soziales
„Wir müssen darauf achten, dass wir nicht verpassen, die Weichen so zu stellen, dass wir auch in zehn Jahren noch erfolgreich sind.“
(Zuruf von der LINKEN: Guten Tag!)
Das hat ein gewisser Hubertus Heil im Jahre 2013 gesagt. Das ist ein richtiger Anspruch. Ich muss aber leider mit Blick auf den Koalitionsvertrag feststellen: Von diesem Anspruch ist nicht mehr viel übrig geblieben.
(Beifall bei der FDP)
Natürlich wäre es jetzt an der Zeit, sich Gedanken darüber zu machen, wie ein großer Wurf in der Sozialpolitik aussehen könnte, wie eine längere Perspektive sein muss. Aber gerade mit Blick auf die Rente zeigt sich Ihre verengte Perspektive im Koalitionsvertrag auf erschreckende Art und Weise.
Was machen Sie? Sie setzen die Ausgabenpolitik der letzten Legislaturperiode einfach fort und schnüren ein neues Rentenpaket, wodurch bis 2030 noch einmal 130 Milliarden bis 170 Milliarden Euro zusammenkommen. Und der überwiegende Teil davon dient eben nicht zielgenau – da hätten Sie uns an Ihrer Seite – der Verhinderung von Altersarmut. Vielmehr geben Sie das Geld mit der Gießkanne, nein, mit dem Gartenschlauch aus. Das ist der falsche Weg.
(Beifall bei der FDP)
Als ob das nicht schlimm genug wäre, wollen Sie auch noch – das muss man leider so hart sagen – die Rentenformel manipulieren.
(Katja Mast [SPD]: „Ändern“ ist das richtige Wort!)
Sie wollen den Nachhaltigkeitsfaktor, den die SPD selbst eingeführt hat, aussetzen, bevor die geburtenstarken Jahrgänge in Rente gehen. Was bedeutet das konkret? Nachdem der Nachhaltigkeitsfaktor in den letzten Jahren die Rente sogar erhöht hat – weil er Einzahler und Auszahler ins Verhältnis setzt –, soll er künftige Steigerungen nun nicht mildern dürfen. Das ist unfair, weil es genau Generationen gegeneinander ausspielt; denn Großeltern, Kinder und Enkel haben einen Anspruch, sich auf die Rentenformel verlassen zu können. Das ist zudem kurzsichtig, weil es das Fundament der Rentenfinanzen untergräbt.
(Beifall bei der FDP – Zuruf des Abg. Matthias W. Birkwald [DIE LINKE])
Wenn Sie mir das nicht glauben, dann glauben Sie es wenigstens einem klugen Sozialdemokraten. Franz Müntefering hat genau mit Blick auf diese Fragen treffend gesagt: „Das kann überhaupt nicht funktionieren. Dafür muss man nicht Mathematik studiert haben, da reicht Grundschule Sauerland.“ Der Mann hat leider recht.
(Beifall bei der FDP – Katja Mast [SPD]: Volksschule Sauerland!)
Das Problem ist: Die Zeche für diese Ausgabenparty werden die junge Generation zahlen und diejenigen, die ein kleines Einkommen in diesem Land haben; denn diese werden von steigenden Beitragssätzen besonders belastet. Die Beitragssätze werden steigen, weil Sie, lieber Herr Minister Heil, im Koalitionsvertrag kein Steuergeld hierfür vorgesehen haben. Sie als Bundesregierung haben uns vor wenigen Tagen zudem bestätigt, dass die Beitragssätze nicht nur stärker, sondern auch früher als geplant steigen werden. Wissen Sie, wann? Exakt im Jahre 2022, also ein Jahr nach dieser Legislaturperiode. Symbolträchtiger könnte man Ihre Rentenpolitik gar nicht auf den Punkt bringen. Das Motto lautet: Nach uns die Sintflut!
(Beifall bei der FDP)
Die Menschen verdienen allerdings eine Politik, die in Jahrzehnten denkt und nicht in Legislaturperioden. Was wäre stattdessen zu tun? Drei konkrete Beispiele für eine Modernisierung der Arbeitsmarkt- und der Sozialpolitik:
Erstens. Lassen Sie doch das Klein-Klein der Flexirente hinter sich, und schaffen Sie einen wirklich flexiblen Renteneintritt. Die Norweger und die Schweden machen uns das erfolgreich vor. Dort können die Menschen selbst entscheiden, wann sie in Rente gehen. Das wäre auch für Deutschland der richtige Weg.
(Beifall bei der FDP)
Zweitens. Diskutieren wir über einen Sozialstaat, der konkret mehr Aufstiegschancen schafft. Verändern Sie, lieber Hubertus Heil, zum Beispiel die Zuverdienstgrenzen, damit es sich für Menschen im Arbeitslosengeld-II-Bezug lohnt, Schritt für Schritt durch mehr Anstrengungen mehr zu verdienen. Bauen wir ihnen eine trittfeste Leiter aus der Bedürftigkeit heraus. Das wäre ein moderner Weg.
(Beifall bei der FDP)
Drittens und letztens. Nutzen wir die faszinierenden Chancen der Digitalisierung. Ändern wir zum Beispiel das Arbeitszeitgesetz, sodass die Menschen selbst entscheiden können, was, wann und wo sie arbeiten. Sorgen wir dafür, dass der Sozialstaat zu modernen Zickzacklebensläufen passt. Zu diesen Themen finden wir in Ihrem Koalitionsvertrag leider nichts oder nur vage Ankündigungen. Das wird nicht reichen.
(Marianne Schieder [SPD]: Wir haben es wenigstens zu einem Koalitionsvertrag gebracht!)
Wenn Sie hier umkehren und eine echte Modernisierung angehen wollen, dann haben Sie uns an Ihrer Seite, dann werden wir Sie unterstützen. Wenn Sie diesen Weg allerdings nicht einschlagen und gleichzeitig die Solidität unserer sozialen Sicherungssysteme untergraben, dann bekommen Sie unsere Opposition zu spüren. Auf diese Auseinandersetzung freue ich mich.
(Beifall bei der FDP)
Vielen Dank, Herr Kollege Vogel. Auch wenn wir beide uns mögen, wäre es einfach eine Geste, wenn Sie am Beginn Ihrer Rede das Präsidium grüßen würden.
(Beifall des Abg. Matthias W. Birkwald [DIE LINKE])
Dass ausgerechnet die Fraktion der Linken einen Freien Demokraten auf dieses Stilelement hinweisen muss, finde ich bemerkenswert.
(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und der LINKEN)
Als Nächstes hat die Kollegin Katja Kipping das Wort für die Fraktion Die Linke.
(Beifall bei der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7211582 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 23 |
Tagesordnungspunkt | Arbeit und Soziales |