22.03.2018 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 23 / Tagesordnungspunkt 7

Alexander NeuDIE LINKE - Bundeswehreinsatz zur Stabilisierung Iraks

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Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Präsident! Die Bundesregierung legt ein Mandat mit zwei Aufträgen vor – das wurde schon mehrfach so benannt –: erstens die Ausbildung und Ertüchtigung der irakischen Armee und zweitens die Fortsetzung des Anti-IS-Kampfes, interessanterweise ohne den IS.

Zunächst zur Ausbildung im Irak. Es war so, dass 2014 die Kurden im Nordirak ausgebildet und bewaffnet wurden, um sich gegen den IS wehren zu können. Nachdem sie das geschafft hatten, verselbstständigten sie sich etwas zu sehr; Stichwort: Referendum im September. Es kam zu einem Konflikt mit der Zentralregierung, bei dem auch deutsche Waffen auf kurdischer Seite eine Rolle spielten.

Die Reaktion der Bundesregierung darauf war erstaunlich einfältig. Sie sieht nämlich so aus: Dann bildet die Bundeswehr eben künftig neben den Kurden auch die irakische Armee aus. – Sehr geehrte Damen und Herren, wenn es an einem in der Region nicht fehlt, dann sind es Waffen und Bewaffnete.

(Beifall bei der LINKEN)

Das Ausbildungsmandat selber ist sehr vage gehalten. Es ist nicht klar, wo ausgebildet werden soll, wer ausgebildet werden soll und ob nach den Parlamentswahlen am 12. Mai überhaupt weiter ausgebildet werden kann. Die Bundesregierung will die paramilitärischen Volksmobilisierungseinheiten nicht ausbilden. Die irakische Regierung hat aber seinerzeit angekündigt, dass sie diese Volksmilizen in die irakische Armee integrieren will. Niemand weiß genau, wie das vonstattengehen soll, welchen Integrationsgrad sie bekommen sollen. Da war auch unser Besuch in Bagdad vor zwei Wochen nicht unbedingt erhellend.

Das heißt, die Bundesregierung kann gar nicht darlegen, wie sie verhindern will, dass eine direkte oder indirekte Ausbildung genau dieser Milizen stattfindet. Das Programm „Train the Trainers“ dürfte diese Sache noch erschweren.

Kurzum: Die Bundesregierung legt dem Bundestag einen Blankoscheck für ein Mandat vor, den wir so nicht unterschreiben können. Es ist eine Zumutung für den Deutschen Bundestag.

(Beifall bei der LINKEN)

Nun zum zweiten Teil des Mandats: der Anti-IS-Einsatz ohne IS. Wenn der IS dort territorial nicht mehr existiert, weil er besiegt wurde, sehr geehrte Damen und Herren, dann frage ich mich, was durch Aufklärungstornados aufgeklärt werden soll. Etwa die Truppenbewegungen der syrischen Armee oder der kurdischen Kräfte?

Eines ist deutlich geworden, seitdem der IS besiegt wurde: Es gibt einige NATO-Staaten, die derzeit mit Waffengewalt die Souveränität und Staatlichkeit Syriens, eines Mitgliedslandes der UNO, zerschlagen. Syrien hat derzeit den Charakter einer Torte – einer Torte, an der sich alle, sofern sie NATO-Staaten sind, straffrei territorial bedienen können. Die USA haben mittlerweile im Osten des Landes über zehn Militärstandorte geschaffen – gegen den Willen der syrischen Regierung. Die Türkei ist gegen den Willen der syrischen Regierung in Nordsyrien eingefallen. Wir sehen gerade die Bilder aus Afrin.

Nach anfänglichen Spannungen zwischen den USA und der Türkei bezüglich der Kurden zeichnet sich jetzt eine Einigung zwischen den beiden, zwischen den USA und der Türkei, ab. So berichtet die türkische Nachrichtenagentur Anadolu heute Mittag – ich zitiere –:

Die Türkei hat eine härtere Gangart gegenüber der kurdischen YPG-Miliz angekündigt, sollte es keine dauerhafte Verständigung mit den USA über die Kurdenhochburg Manbidsch in Syrien geben.

So der türkische Außenminister heute Mittag.

In beiden Fällen, sehr geehrte Damen und Herren, handelt es sich um einen Völkerrechtsbruch durch NATO-Staaten, hier: durch die USA und die Türkei.

(Beifall bei der LINKEN)

Was sagt die Bundesregierung? Altbekanntes Schweigen im Fall der USA und eine bescheidene Kritik im Fall der Türkei. Die nur vage Distanzierung von Frau Merkel gestern wird keine Folgen für das deutsch-türkische Verhältnis nach sich ziehen. Die Rüstungskooperation und der ‑export gehen weiter wie gewohnt.

(Heike Hänsel [DIE LINKE]: Leider!)

Ich möchte nur daran erinnern, sehr geehrte Damen und Herren, dass vor einer Woche alle Fraktionen, inklusive der die Regierung tragenden Fraktionen, hier den Angriffskrieg der Türkei auf Syrien als Völkerrechtsbruch klassifiziert haben.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Regierung weigert sich aber, genau diese Feststellung zu treffen. Es wäre an Ihnen, Frau Nahles und Herr Kauder, Ihre Abgeordnetenkollegen in der Regierung zu disziplinieren.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Aus Sicht der Linken gibt es kein vernünftiges Argument für das Anti-IS-Mandat und für das Ausbildungsmandat, aber jede Menge vernünftige und rechtliche Gründe dagegen.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der LINKEN)

Nächster Redner ist der Kollege Dr. Tobias Lindner, Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7213147
Wahlperiode 19
Sitzung 23
Tagesordnungspunkt Bundeswehreinsatz zur Stabilisierung Iraks
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