22.03.2018 | Deutscher Bundestag / 19. EP / Session 23 / Tagesordnungspunkt 7

Thomas HitschlerSPD - Bundeswehreinsatz zur Stabilisierung Iraks

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Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vor wenigen Wochen berichtete die Jesidin Farida Abbas vor dem UN-Menschenrechtsrat von ihren Erlebnissen als Gefangene des „Islamischen Staates“ – ich zitiere –:

Tausende Männer, Frauen und Kinder wurden entführt oder getötet. Während der IS Kinder zwangskonvertierte und sie zu Selbstmordattentätern auszubilden versuchte, wurden die Frauen als Sexsklavinnen gehalten und weiterverkauft. Sie brannten unsere Häuser, Schulen und Gemeinschaftsräume nieder, damit wir niemals wieder in unser Land zurückkehren.

Diese furchtbaren Verbrechen sind keine vier Jahre her. Hätte die internationale Gemeinschaft nicht eingegriffen, wäre es zu einem Völkermord gekommen. Heute ist der IS militärisch weitgehend besiegt. Der Einsatz der internationalen Koalition war ein Erfolg. Dazu haben auch die Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr einen wichtigen Beitrag geleistet. Sie haben dazu beigetragen, die Schreckensherrschaft des IS zu beenden und einen Genozid zu verhindern. Vielen Dank für Ihren Einsatz!

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Allerdings warne ich davor, jetzt wieder die Banner mit der Aufschrift „Mission Accomplished“ auszurollen. Das war bereits vor 15 Jahren eine von vielen fatalen Fehleinschätzungen, ohne die es dem Irak heute besser ginge. Auch deshalb war das Nein zum Irakkrieg 2003 die richtige Entscheidung, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der SPD)

Der Erfolg über den IS gleicht dem Rizinusstrauch, in dessen Schatten sich der Prophet Jona vor den Toren Ninives ausruhte. Dieser Strauch verdorrte innerhalb einer Nacht, weil ein Wurm an seinen Wurzeln nagte. Wenn wir uns jetzt im Schatten dieses Erfolgs über den IS ausruhen, wird auch dieser Strauch verdorren; denn die Herausforderungen sind groß: Die innerirakischen Konfliktlinien zwischen Zentralregierung und Kurden, zwischen Schiiten und Sunniten können jederzeit aufbrechen. Iran und Saudi-Arabien kämpfen um die Vorherrschaft im Mittleren Osten. Die Türkei kämpft völkerrechtswidrig gegen die Kurden in Syrien und plant angeblich Ähnliches im Irak. Syrien befindet sich noch immer in einem Bürgerkrieg, der die Region destabilisiert, und auch der IS selbst nagt an den Wurzeln.

Der Irak braucht Stabilität und Wiederaufbau. Das benötigt einen umfassenden Ansatz aus Diplomatie und Entwicklungshilfe, aus zivilen und militärischen Komponenten. Die Bundeswehr leistet dazu weiterhin einen wichtigen Beitrag. Aber dieser Einsatz ist mit einem hohen Risiko verbunden, gerade weil wir ihn an die veränderten Rahmenbedingungen anpassen und sich der Schwerpunkt vom Norden in den Zentralirak verschiebt, in eine der gefährlichsten Regionen der Welt. Genau dieses Risiko erfordert eine besondere Sorgfalt bei allen Belangen unserer Soldatinnen und Soldaten. Gegen improvisierte Sprengfallen braucht unsere Truppe die passende Schutzausrüstung, eine sichere Unterkunft und gepanzerte Fahrzeuge. Diese müssen bereits zur Ausbildung bereitstehen und nicht erst im Einsatzgebiet.

Herr Kollege, guten Abend! Erlauben Sie eine Zwischenfrage von Herrn Hampel?

Ich glaube, wir haben von der AfD zu dem Punkt schon genug gehört.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)

Die Spezialisten unserer Bundeswehr werden auch in diesem Einsatz wieder einmal im Besonderen gefordert, unsere Sprengstoffexperten für den Bereich Counter-IED, unsere Ausbilderinnen und Ausbilder der Sanität, unsere Fachleute für Logistik. Personal in diesen Spezialbereichen ist aber leider eine Mangelressource, lieben Kolleginnen und Kollegen. Die Einsatzsystematik 4/20, also der Wechsel von vier Monaten Stehzeit und 20 Monaten Regeneration, muss gerade in solch einem gefährlichen Gebiet gewährleistet sein. In der Einsatzrealität, Frau Ministerin, ist das leider nicht immer der Fall. Ausreichende Regeneration und ausreichend Personal sind die Grundlagen für die personelle Durchhaltefähigkeit bei solchen Einsätzen. Die Bundesregierung muss für beides sorgen, liebe Kolleginnen und Kollegen. Ich bin froh, dass der Parlamentarische Staatssekretär Tauber mir genau das im Verteidigungsausschuss zugesichert hat.

Damit unsere Truppe im Gastland Rechtssicherheit hat, braucht es ein Status of Forces Agreement mit der irakischen Regierung. Darauf muss die Bundesregierung achten, und wir Parlamentarierinnen und Parlamentarier werden sie dabei kontrollieren.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, in der Sitzung des UN-Menschenrechtsrates sagte Farida Abbas, die Jesiden wollten wieder in den Nordirak zurück, aber sie hätten keinen Ort, an den sie zurückkehren könnten; ohne Unterstützung und Schutz werde es deshalb im Irak bald keine Jesiden mehr geben.

Unsere Soldatinnen und Soldaten tragen dazu bei, den Menschen im Irak diese Unterstützung und diesen Schutz zu bieten. Wir stehen dabei an ihrer Seite.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Vielen Dank, Herr Kollege Hitschler. – Das Wort zu einer Kurzintervention – ich betone: kurz; das gilt aber für alle – hat Herr Hampel.

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Electoral Period 19
Session 23
Agenda Item Bundeswehreinsatz zur Stabilisierung Iraks
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