23.03.2018 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 24 / Tagesordnungspunkt 3

Stephan ThomaeFDP - Recht und Verbraucherschutz

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Frau Präsidentin! Verehrte Frau Bundesministerin, zunächst möchte ich Ihnen persönlich wie auch im Namen meiner Fraktion für Ihr neues Amt viel Glück, Erfolg und Gottes Segen wünschen. Das alles werden Sie brauchen, auch schon gleich am Anfang; denn Sie müssen schon bald Ihr erstes Meisterstück abliefern, hängt doch der Haussegen in der neuen Koalition schon ein bisschen schief wegen eines Themas, das Ihr Ressort betrifft. Sie ahnen, ich spiele auf § 219a StGB an, ein Thema, das diese junge Koalition, – ich will nicht sagen, – an den Rand einer Koalitionskrise gebracht hat, aber schon auf eine Bewährungsprobe stellt.

Es geht dabei nicht etwa, wie manche intonieren, um Schwangerschaftsabbrüche, es geht eigentlich nicht einmal um Werbung dafür, sondern es geht darum, dass sich Frauen, die sich in einer Zwangslage befinden, frei informieren möchten. Sie von der SPD sollten das Einlösen des Versprechens, das der Fraktionsvorsitzende Ihres Koalitionspartners Ihrer Fraktionsvorsitzenden gegeben hat, einfordern, dass die SPD hier frei nach ihrem Gesellschaftsbild, ihrem Menschenbild abstimmen darf. Es steht der Partei Willy Brandts gut zu Gesicht, dass sie hier ein Stück Modernisierung und Emanzipation wagen darf. Ich möchte Ihnen Mut machen: Lassen Sie sich nicht auf Verzögerungen, Verschleppungen und Verschiebungen ein. Das begann ja bedauerlicherweise alles schon im Rechtsausschuss. Setzen Sie sich durch! Sonst fährt man mit Ihnen drei Jahre lang Schlitten. Das sollte in diesem Bereich nicht sein.

(Beifall bei der FDP, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Dr. Patrick Sensburg [CDU/CSU])

Denn wenn schon ein einziger kleiner Paragraf im Strafgesetzbuch eine veritable Krise auszulösen vermag, wie soll das noch werden, wenn es gar um die großen Modernisierungsprojekte dieser Amtsperiode gehen wird? Gerade die Familie ist etwas, das in einem ständigen Wandel begriffen ist, und die Familie endet auch nicht, wenn sich Eltern trennen oder scheiden lassen. Damit müssen wir uns befassen, weil auch dann die Kinder im Vordergrund stehen müssen, auch im Interesse der Eltern.

So wie das Sorgerecht zu Recht dahin gehend geändert wurde, dass mit der Scheidung der Eltern das Sorgerecht, also die Verantwortung der Eltern für die Kinder, nicht endet, so muss auch für die Betreuung etwas Neues gefunden werden. Rollenbilder ändern sich. Das Verständnis der Väter, aber auch der Mütter, was ihre Verantwortung für die Kinder angeht, ändert sich ebenfalls. Das ist ja etwas Schönes. Deswegen müssen wir von dem gesetzlichen Regelbild des Residenzmodells abkommen und etwas Neues ins BGB aufnehmen. Aus unserer Sicht ist es Zeit, ein Wechselmodell einzuführen, das beinhaltet, dass die Betreuung der Kinder auch nach der Trennung der Eltern durch beide Elternteile gewährleistet ist.

(Beifall bei der FDP)

Es geht aber auch um ein ganz anderes Thema: die Abstammungsmedizin. Die Antwort, die unser Recht hierauf gibt, nämlich alles zu verbieten – Leihmutterschaft und Eizellenspende –, wird, wenn sich rings um uns herum die Welt verändert, nicht mehr die richtige Antwort für unser Jahrhundert sein können. Es sind – ich gebe es zu – schwierigste rechtliche und ethische Fragen zu beantworten. Ich habe Respekt vor jeder Auffassung, aber dem Rad der Zeit in die Speichen zu greifen, wird auf Dauer nicht gelingen können.

(Beifall bei der FDP)

Das Thema Mietpreisbremse spielte schon eine Rolle. Sie sprachen davon, dass Sie die Mietpreisbremse verschärfen bzw. scharf machen wollen, weil sie bislang nicht gegriffen hat. Ich meine, man muss darüber nachdenken, ob dieses Instrument überhaupt das richtige ist. Sie werden die Mietpreise nicht mit dem Gesetzbuch in der Hand bremsen können. Dazu müssen Sie Ziegelsteine in die Hand nehmen.

(Dr. Johannes Fechner [SPD]: Bis jetzt noch!)

Das ist nicht unser Metier als Juristen. Ich glaube, das sollten wir den Baupolitikern überlassen. Wir haben nicht die Möglichkeit, mit dem Gesetzbuch in der Hand Wohnungen zu bauen. Das müssen andere übernehmen.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP – Zuruf von der CDU/CSU: Wir machen das!)

Als letzten Punkt, bevor meine Redezeit abläuft, will ich ein Thema erwähnen, das Sie zu Recht angesprochen haben, Frau Ministerin. Das Thema Digitalisierung betrifft jeden, auch uns Rechtspolitiker und uns Juristen.

Daten sind Macht, und Algorithmen steuern Entscheidungsprozesse immer stärker automatisiert und entziehen sich den Regeln der Rechtsstaatlichkeit. Zu Recht haben viele Leute heutzutage mehr Angst vor einem schlechten Scoring als vor dem Gerichtsvollzieher. Hier müssen wir Regeln finden, wie wir auch die Digitalisierung und damit die algorithmengestützten Entscheidungsprozesse dem Recht unterwerfen. Das ist ein großes Projekt, das wir angehen müssen, und ich bin froh, dass Sie das in Ihrer Rede so prominent vorgestellt haben.

Bevor meine Redezeit endet, wünsche ich Ihnen noch einmal Glück, Erfolg und alles Gute. Denken Sie von Zeit zu Zeit daran, wem Sie es mitverdanken, dass Sie in dieser Wahlperiode dieses Amt ausüben dürfen!

Danke schön.

(Heiterkeit und Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Für die Fraktion Die Linke hat nun der Kollege Friedrich Straetmanns das Wort.

(Beifall bei der LINKEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7213319
Wahlperiode 19
Sitzung 24
Tagesordnungspunkt Recht und Verbraucherschutz
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