Amira Mohamed AliDIE LINKE - Ernährung und Landwirtschaft
Sehr geehrter Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste! Die Regierung hält weiterhin an ihrer verfehlten Landwirtschaftspolitik fest, die darauf abzielt, dass Deutschland ein ganzes Drittel seiner Agrarprodukte exportiert. Die Linke hält das für falsch.
(Beifall bei der LINKEN)
Die Folgen dieser Politik sind nachweislich verheerend. Warum? Die EU gibt jährlich 55 Milliarden Euro für Agrarsubventionen aus, die diese Exportmenge erst ermöglichen. Das sind rund 40 Prozent ihres gesamten Budgets, also mehr Geld, als für Migrations-, Klima- und sogar Verteidigungsfragen insgesamt zur Verfügung steht. Bevorzugt werden dabei die Großbetriebe. Denn entscheidend für die Höhe der Subvention ist die Fläche. Das führt dazu, dass kleine bäuerliche Betriebe nicht mehr mithalten können und kaputtgehen.
Aber es geht noch weiter. Die staatlich geförderte Milch- und Fleischüberproduktion in Deutschland und der EU
(Albert Stegemann [CDU/CSU]: Was ist denn daran schlecht?)
überflutet die Märkte der sogenannten Dritten Welt und zerstört vor Ort die heimische Produktion. Wir, die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler, bezahlen also die Subventionen, damit die Produkte billiger exportiert werden können, und die Bauern in den Ländern, in die wir exportieren, werden damit in den Ruin und in die Armut getrieben. Und dann zahlen wir wiederum für die Entwicklungshilfe für diese Länder. Was für ein absurder, irrsinniger Kreislauf!
(Beifall bei der LINKEN)
Aber wer profitiert davon? Nicht die Menschen in den Ländern, in die wir exportieren. Das ist schon einmal klar. Profitieren die Menschen hier in Deutschland? Nein. Die kleinbäuerlichen Betriebe, die verdrängt werden, profitieren nicht. Auch nicht die Menschen, die neben den Megaställen oder neben den überdüngten Feldern wohnen, also da, wo es fast das ganze Jahr nach Gülle riecht.
Profitieren die Verbraucherinnen und Verbraucher, die billiges Fleisch kaufen können? Nein, auch die profitieren nicht. Fleisch, das unter katastrophalen Arbeitsbedingungen und unerträglichem Tierleid produziert wird, Fleisch von Tieren, die ihr kurzes Leben lang mit Antibiotika vollgepumpt werden, weil sie so dicht gedrängt im Stall stehen, dass, wenn ein Tier krank wird, gleich alle Tiere krank werden: Das wollen die Menschen nicht.
(Beifall bei der LINKEN – Albert Stegemann [CDU/CSU]: Das ist doch Populismus! – Marlene Mortler [CDU/CSU]: Das ist doch beleidigend! Schämen Sie sich für solche Aussagen!)
Hätten wir eine bessere Kennzeichnungspflicht darüber, wie die Tiere gehalten werden und ob sie mit Antibiotika oder Hormonen behandelt wurden, dann würde sich das Kaufverhalten radikal ändern. Davon bin ich überzeugt. Bei der Eierkennzeichnung hat das auch funktioniert.
(Beifall bei der LINKEN)
Der Koalitionsvertrag enthält vage Forderungen nach einem freiwilligen staatlichen Tierschutzlabel. Aber ich sagen Ihnen: Vage, unverbindliche Anforderungen reichen nicht aus.
(Hans-Joachim Fuchtel [CDU/CSU]: Jetzt warten Sie doch mal ab!)
An zwölf Stellen in Niedersachsen, wo ich lebe, wurden kürzlich an Badeseen, Flüssen und Bächen Proben entnommen. In allen Proben – ich wiederhole: in allen Proben – wurden Keime nachgewiesen, denen mindestens drei der vier Standardantibiotika nichts mehr anhaben können. Antibiotikaresistente Keime! Auch das ist ein Abfallprodukt der Megaställe, in denen mit Antibiotika herumgeaast wird, als gäbe es kein Morgen.
(Dr. Gero Clemens Hocker [FDP]: Welche wissenschaftlichen Ergebnisse gibt es darüber? Wie können Sie das einfach behaupten?)
Wenn sie so weitermachen, dann gibt es das wirklich nicht. Ihre Landwirtschaftspolitik ist auch gesundheitspolitisch absolut unverantwortlich, meine Damen und Herren von der Regierung.
(Beifall bei der LINKEN – Gitta Connemann [CDU/CSU]: Was Sie sagen, ist bar jeder Wissenschaft!)
Die Menschen sorgen sich und fragen sich zu Recht: Können unsere Kinder im Sommer noch unbesorgt im Badesee schwimmen gehen? – Das ist doch alarmierend.
(Gitta Connemann [CDU/CSU]: Auf welcher Grundlage sagen Sie das denn?)
Auf was für eine Zukunft steuern wir da hin? Und wofür?
(Beifall bei der LINKEN)
Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Hocker?
Ja.
Vielen Dank, Frau Kollegin, dass ich diese Zwischenfrage stellen darf. – Ich möchte von Ihnen gerne wissen, welche wissenschaftliche Studie Ihrem Redetext zugrunde liegt, wenn Sie behaupten, dass die Landwirte in Niedersachsen – dort fand die angebliche Studie statt, die der NDR in Auftrag gegeben hat – für die Multiresistenzen verantwortlich sind.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Herr Kollege, ich habe nicht gesagt, dass es die Landwirte sind.
(Dr. Gero Clemens Hocker [FDP]: Das steht da: Ernährung und Landwirtschaft!)
– Lassen Sie mich doch aussprechen, Herr Kollege! – Danke. Ich habe Sie doch auch ausreden lassen.
Ich habe gesagt, dass das ein Ergebnis der Megaställe und der Antibiotikaüberbehandlung ist; das ist nachgewiesen.
(Dr. Gero Clemens Hocker [FDP]: Es ging um die Ursache!)
Ich habe Ihnen doch gerade gesagt: An allen Stellen wurden antibiotikaresistente Keime gefunden. Finden Sie das nicht alarmierend? Ich jedenfalls finde das alarmierend.
(Beifall bei der LINKEN)
Die Ursache ist der Antibiotikaübergebrauch.
(Gitta Connemann [CDU/CSU]: Frage beantworten!)
Danke schön. – Ich setze meine Rede jetzt fort.
(Gitta Connemann [CDU/CSU]: Das ist schön vorbei!)
Die Menschen sorgen sich und fragen sich zu Recht, ob sie selbst und ihre Kinder im Sommer in Badeseen noch unbesorgt schwimmen gehen können. Wie ich gerade gesagt habe, finde ich das alarmierend.
Wer profitiert von dieser Politik? Wer profitiert von der Exportorientierung und der Subventionspolitik? Es sind die Großbetriebe, und das auf Kosten der Verbraucherinnen und Verbraucher, auf Kosten der regionalen Betriebe und auf Kosten der Gesundheit der Menschen.
Die Linke sagt: Damit muss Schluss sein. Die Bundesregierung kniet vor der Agrarlobby. Stehen Sie endlich auf!
(Beifall bei der LINKEN)
Die regionalen, ökologisch nachhaltig arbeitenden Betriebe brauchen unsere Unterstützung. Wir brauchen insgesamt eine deutliche Erhöhung der Mittel für die ländliche Entwicklung. Davon profitieren die regionalen Wirtschaftskreisläufe, die Kommunen, die Regionen, die Menschen und auch die Tiere.
Als Tierschützerin möchte ich hier noch etwas sagen: Es sind insbesondere der Konkurrenzkampf und der Preisdruck unter den großen Landwirtschaftsbetrieben, die zu den überlangen, qualvollen Tiertransporten führen. Tiere werden quer durch Europa und ins Ausland gekarrt, weil der eine Abnehmer zum Zeitpunkt X ein paar Cent mehr pro Kilo zahlt. Ja, wo leben wir denn? Das sind keine Pakete, das sind Lebewesen,
(Beifall bei der LINKEN)
die Hunger haben, die Durst haben, die Schmerzen fühlen und die Angst empfinden. Glauben Sie mir: All das fühlen die Tiere auf den überlangen Transporten. Da nutzt auch das Bild vom lächelnden Schwein auf den Tiertransportern nichts. Damit muss Schluss sein.
(Beifall bei der LINKEN)
Die Linke fordert daher eine Begrenzung der reinen Transportzeiten auf maximal vier Stunden. Mit dieser Maßnahme kommen wir automatisch weg von den riesigen Massenschlachtereien, wo im Akkord täglich Tausende Tiere geschlachtet werden, und hin zu einer regionalen Schlachtung in kleinen Betrieben.
(Beifall bei der LINKEN)
Ich möchte zu einem anderen Thema kommen. Als verbraucherschutzpolitische Sprecherin meiner Fraktion erreichen mich in diesen Tagen viele Anfragen zum Thema Mikroplastik in Lebensmitteln. Nachdem nun im Mineralwasser aus Plastikflaschen zum Teil Tausende Teilchen Mikroplastik pro Liter nachgewiesen werden konnten und Plastik auch in Honig und Meersalz gefunden wurde, fragen sich viele Menschen, welche Auswirkungen das auf ihre Gesundheit hat. Die Menschen sind beunruhigt, und das kann ich gut verstehen, umso mehr, weil aktuell keiner eine Antwort auf diese Frage hat. Die Linke fordert die Bundesregierung auf, sofort zu handeln und Fördermittel für die Forschung bereitzustellen. Wir müssen wissen, in welchen Lebensmitteln Mikroplastik noch enthalten ist, wie es hineingelangt, welche Auswirkungen es auf den Menschen hat und vor allem wie wir das Plastik aus unserer Nahrung heraushalten können; denn da hat es überhaupt nichts zu suchen.
(Beifall bei der LINKEN)
Dieses Land erlebt nun schon das 13. Regierungsjahr unter einer von Frau Merkel geführten Koalition. Für die Landwirtschaft und die Umwelt, aber auch für die Verbraucherrechte waren das keine guten Jahre. Wir als Linke werden weiter an der Seite der Verbraucherinnen und Verbraucher, der Verbände, der Initiativen und der Menschen in diesem Land stehen und weiter dafür kämpfen, dass die Menschen und die Natur an erster Stelle stehen und nicht der Profit der großen Konzerne.
Danke schön.
(Beifall bei der LINKEN)
Ich erteile das Wort der Kollegin Renate Künast, Bündnis 90/Die Grünen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Lassen Sie sich Zeit.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7213356 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 24 |
Tagesordnungspunkt | Ernährung und Landwirtschaft |