23.03.2018 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 24 / Tagesordnungspunkt 3

Rainer SpieringSPD - Ernährung und Landwirtschaft

Lade Interface ...
Anmelden oder Account anlegen






Herr Präsident! Frau Ministerin! Liebe Gäste auf den Tribünen! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Lassen Sie mich heute in der Generaldebatte „Ernährung und Landwirtschaft“ einen Moment beim vermutlich größeren Bereich Ernährung verweilen. Frau Ministerin, ich habe eine große Bitte: Wir haben in diesem Bereich sehr viele Beschäftigte. Wenn wir partiell im Bereich Ernährung und Landwirtschaft gesellschaftlichen Unmut spüren, dann hat dies auch eine Menge damit zu tun, dass der Ertrag all dessen, was dort geldwert produziert wird, für die Menschen – ob es nun die Landwirte, die Bäcker, die Fleischer, vor allen Dingen aber die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Betrieben sind – nicht auskömmlich ist. Ich würde Sie dringend darum bitten, dass Sie Ihr Augenmerk auf die Arbeitsgegebenheiten der vielen Beschäftigten in diesem riesengroßen Bereich richten – wir sprechen von jedem achten Beschäftigten – und dafür sorgen, dass diese Menschen von dem Lohn, den sie bekommen, auch leben können. Das wäre mir ein großes Anliegen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Wir haben im Koalitionsvertrag viele Punkte angesprochen, die Ihnen bekannt sind: Ernährung, Tierhaltung, Tierwohl, Verbraucherschutz, ländlicher Raum – ich finde, Johann hat es eben toll dargestellt –, Landwirtschaft. Wir haben eine Art Präambel formuliert: Agrarpolitik soll sich an gesellschaftlichen Veränderungen und Wünschen orientieren. – Wir müssen uns jetzt in der Tat die Frage stellen, ob wir das wirklich tun.

Lassen Sie mich einen heimatlichen Bezug herstellen. Ich gehöre ja nicht mehr zu den Allerjüngsten.

(Artur Auernhammer [CDU/CSU]: Oh!)

– Kein Mitleid, Artur! – Ich komme aus dem klassischen Bereich einer klein strukturierten Landwirtschaft: kleine Höfe, kleine Flächen, viel Arbeit, viele Hände, Fleiß und auch Erfolg. Es ist eine Region, in der auch der Bereich der Hersteller landwirtschaftlicher Maschinen seine Heimat gefunden hat. Dieselben Landwirte, die produziert, getan, gemacht haben, stellen heute fest, dass sie im gesellschaftlichen Fokus, in der Kritik, am Pranger stehen, und fragen sich: Was ist eigentlich passiert? Ich habe doch meinen Beitrag zum Bruttoinlandsprodukt geleistet. Was passiert da? – Ich glaube, viele von uns, gerade große Verbände, haben die Macht der Medien und die Macht der Informationen bei weitem unterschätzt. Die Menschen in unserem Land wollen saubere Luft, sauberes Wasser, sauberen Boden, und darauf, Kolleginnen und Kollegen, haben sie Anspruch.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Wenn nun die Sensibilität, die Aufmerksamkeit da ist, ist jetzt die große Frage: Sollten wir das System gesundreden, oder können wir unseren Beitrag dazu leisten, dass das System in seiner Vielfalt besser wird? Die Frage, die sich übrigens auch mir stellt – ich habe sehr aufmerksam zugehört, Kolleginnen und Kollegen –, lautet: Ist es der richtige Weg, zu verharren und zu sagen: „Wir haben dies und das erreicht“? Kollegin Mortler, all das, was in den Bereichen der Düngung und des Pflanzenschutzes passiert ist, all das, was bei der Digitalisierung der Landwirtschaft passiert ist, beruht am Ende des Tages auf Gesetzgebung, also darauf, dass wir etwas gesetzlich erzwungen und damit Erfolg gehabt haben. Das muss man klar sagen.

(Beifall bei der SPD)

Die Zukunftsmusik kann nur dort spielen, wo Innovation stattfindet. Ich war in den letzten beiden Tagen beim Fraunhofer-Institut und bei Bitkom zu Besuch. Ich fand die Zahlen, die mir genannt wurden, imponierend. Das Fraunhofer-Institut kann belegen, dass sie mit 1 Milliarde Euro Forschungsgeld 20 Milliarden Euro wirtschaftlichen Umsatz generieren. Sie haben dargestellt, in welchen Bereichen sie gut sind: Maschinenbau, Automotive, Kommunikation, Logistik. Sie haben einen Bereich dargestellt, in dem gigantisch viel Luft nach oben ist: Landwirtschaft. Wir müssen also unser Augenmerk darauf legen, dass wir in diesem Bereich besser werden.

Die Ministerin hat die Digitalisierung der Landwirtschaft angesprochen. Die Landwirtschaft ist der Bereich mit dem Schlepper auf dem Acker. Wir müssen hier aber besser werden. Wir müssen darüber nachdenken – wie Johann Saathoff argumentiert hat –, ob wir die regionale Vermarktung kraft IT und kraft der Datenvernetzung nicht viel besser machen können. Sie haben zum Beispiel das Thema „Tierwohl und Tiertransporte“ angesprochen. Jetzt denke ich einmal sehr kreativ. Wie ist das eigentlich? Der Lkw wird sowieso über Toll Collect überwacht: Kann ich nicht eine Digicam hinten im Transporter installieren und auf die Tiere richten? Wenn ich den Transport dokumentiere, dann habe ich die Möglichkeit der besseren Kontrolle. Wir müssen diese Möglichkeiten nutzen. Wir sind hier noch lange nicht am Ende der Fahnenstange.

Noch eine kurze Bemerkung, Herr Präsident. – Der Haushalt für Landwirtschaft mit 350 Millionen Euro Forschungsgeld ist viel zu klein. Wir brauchen einen Verbund mit den großen Forschungseinheiten: Leibnitz-Institut, Helmholtz-Zentrum, Fraunhofer-Institut. Außerdem brauchen wir eine Umschichtung der GAP-Mittel, und zwar dingend. Zurzeit geht es bei der Berechnung der GAP-Mittel nach der Fläche, das heißt, es wird Eigentum belohnt, und nicht Innovation.

(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Artur Auernhammer [CDU/CSU])

Solange wir nicht den Mut haben, Innovation nicht fördern, so lange wird die deutsche Landwirtschaft leider unter Druck sein. Es tut mir leid.

Herzlichen Dank. Frohe Ostern und ein gutes Fest!


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7213370
Wahlperiode 19
Sitzung 24
Tagesordnungspunkt Ernährung und Landwirtschaft
00:00
00:00
00:00
00:00
Keine