Fritz FelgentreuSPD - Jahresabrüstungsbericht 2017
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Eine kleine Vorbemerkung mit ein paar Angaben zur Richtigstellung, weil der Kollege Gysi hier gerade ein Fake-News-Feuerwerk abgebrannt hat,
(Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Das ist eine Unverschämtheit!)
von dem Sie, Herr Gauland, und Ihre Kollegen durchaus noch etwas lernen können:
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Die Bundeswehr hat zurzeit keine 6 600 Soldaten in Einsätzen, sondern 3 700.
(Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Hat er gesagt! Er hat „3 700“ gesagt!)
Im Kosovo wird die deutsche Präsenz gerade massiv abgebaut. In diesen Tagen werden Abkommen darüber unterzeichnet, wie die ehemals militärisch genutzten Liegenschaften in Zukunft zivil genutzt werden sollen.
Wenn Sie sich von den Kollegen aus dem Verteidigungsausschuss über die gestrige Beratung dort hätten unterrichten lassen, dann hätten Sie gewusst, dass es wirklich keinerlei militärische Beteiligung Deutschlands an dem Luftschlag in Syrien gegeben hat,
(Beifall der Abg. Andrea Nahles [SPD])
aber politische Unterstützung.
Schließlich, lieber Kollege Gysi, zu Willy Brandt: Muss ich Sie wirklich daran erinnern, dass es die feste Grundlage der Westbindung war, die die Ostpolitik Willy Brandts überhaupt möglich gemacht hat, und dass das eine Westbindung war, die so attraktiv war, dass die Mehrheit der Bevölkerung der DDR gegen den Widerstand Ihrer Partei große Risiken in Kauf genommen hat, um am Ende dazugehören zu können? – Das vielleicht nur als kleiner Kommentar zu Ihren Worten.
(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der FDP – Armin-Paulus Hampel [AfD]: Da war der Mauerfall dazwischen!)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Jahresrüstungsbericht für 2017 fällt in eine Zeit, die uns alle mit Besorgnis erfüllt. Die internationalen Spannungen haben erheblich zugenommen, die NATO hat sich im Lichte des Krieges in der Ukraine entschieden, wieder ein größeres Gewicht auf Abschreckung zu legen, und auch Deutschland muss wieder mehr Geld in die Bundeswehr investieren. Wir stellen ernüchtert fest, dass wir einen weiten und steinigen Weg bis zur erforderlichen Einsatzbereitschaft vor uns haben. Dabei sprechen wir nicht von Abrüstung im engeren Sinne, sondern zunächst einmal davon, dass die Bundeswehr die Aufgaben erfüllen kann, die sie übernommen hat, und dafür das erforderliche Personal, die Waffen und das Material hat.
Auch die gefährlichsten Waffen von allen, die Nuklearwaffen, spielen in unseren Überlegungen und Debatten über die Sicherheit Europas und der Welt wieder eine größere Rolle. Der größte Erfolg der letzten Jahre war ohne Zweifel der Gemeinsame Umfassende Aktionsplan mit dem Iran. Er hat die nukleare Gefahr eingehegt und sieht eine enge Kontrolle iranischer Nuklearanlagen durch internationale Experten vor. Trotzdem wird er in den USA zunehmend infrage gestellt. Das ist gerade das Land, das für sein Zustandekommen und seine Umsetzung ganz entscheidend Verantwortung trägt. Mit Nordkorea steht ein vergleichbares Abkommen in weiter Ferne.
Am erschreckendsten ist es für uns aber, dass das Verbot von Mittelstreckenraketen, der INF-Vertrag, unter Druck geraten ist, seitdem die NATO immer mehr Zweifel an der Vertragstreue der Russischen Föderation hat und die USA ihrerseits von Russland beschuldigt werden, angeblich vertragswidrige Raketensysteme stationiert zu haben.
(Armin-Paulus Hampel [AfD]: Rumänien!)
Die Rückkehr nuklearer Mittel- und Kurzstreckenwaffen kann Europa in die existenzielle Unsicherheit der 80er-Jahre zurückwerfen, und das wollen wir nicht.
In dieser Situation ist es ein wichtiges Signal und ein wichtiger Aufruf zur Besonnenheit, dass sich die deutschen Regierungsparteien in ihrem Koalitionsvertrag ausdrücklich zum Ziel einer atomwaffenfreien Welt bekennen. Als einen ersten Schritt, um die gemeinsame Haltung deutlich zu machen, haben die Koalitionsfraktionen einen Antrag mit einem Bekenntnis zum INF-Vertrag in den Bundestag eingebracht, der in dieser Woche in den Ausschüssen beraten wird. Dieser Antrag muss der Auftakt zu einer beharrlichen Politik sein, mit der Bundestag und Bundesregierung gemeinsam durch Diplomatie, Vertrauensbildung und Überzeugungsarbeit darauf hinwirken, dass die nukleare Bedrohung der Menschheit wieder geringer wird.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Einen echten Fortschritt halten wir allerdings derzeit vor allem dort für möglich, wo nicht die Grundsatzfrage gestellt wird. Deutschland wird sich deshalb auch weiterhin für das Inkrafttreten des Vertrages über den Stopp aller Atomtests einsetzen, der schon 1996 beschlossen, aber bis heute von so wichtigen Ländern wie China und den USA nicht ratifiziert worden ist.
Ein noch kleinerer Schritt, der eine große Wirkung haben wird – der Außenminister hat darauf hingewiesen –, wenn er denn gelingt, ist das geplante Verbot der Herstellung von spaltbarem Material, um damit Waffen zu bauen. Deutschland, Kanada und die Niederlande machen sich im Rahmen der Vereinten Nationen dafür stark.
Mit großem Respekt, aber auch mit Zweifeln begleitet die SPD-Fraktion demgegenüber die Bemühungen um ein völkerrechtliches Verbot von allen Nuklearwaffen. Es kann uns ja nicht gleichgültig sein, dass die ICAN-Initiative, die sich dafür besonders einsetzt, 2017 den Friedensnobelpreis erhalten hat. Dennoch können wir nicht erkennen, dass die von über 100 Staaten unterstützte Verbotsinitiative schon ein erfolgreicher Ansatz wäre; denn solange sich so gut wie alle Nuklearmächte, die davon betroffen wären, dem Verbot entziehen und es keine wirksamen Kontrollmechanismen vorsieht, besteht die große Gefahr, dass es wirkungslos bleibt.
Die SPD-Fraktion unterstützt deshalb die Bundesregierung darin, ihre abrüstungspolitischen Ziele mit diplomatischer Beharrlichkeit weiter zu verfolgen, und zwar auf allen Ebenen, auf denen Deutschland Einfluss nehmen kann: in der NATO, in der EU, in den Vereinten Nationen. Diese haben hier die größte Bedeutung.
Ich wäre dankbar, wenn der Deutsche Bundestag der Bundesregierung dabei den Rücken stärken würde, zum Beispiel indem wir auf den Abrüstungsbericht gemeinsam in der Form reagieren, dass wir den Koalitionsantrag zum Erhalt des INF-Vertrages mit einer großen Mehrheit beschließen.
Danke schön.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Jetzt erteile ich das Wort dem Kollegen Dr. Anton Friesen, AfD.
(Beifall bei der AfD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7219087 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 26 |
Tagesordnungspunkt | Jahresabrüstungsbericht 2017 |