Christoph MatschieSPD - Aktuelle Stunde zu dem UN-Regelwerk "Global Compact for Migration"
Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Angesichts des Titels der von Ihnen beantragten Aktuellen Stunde, in dem es heißt: „Keine Verlagerung nationaler Zuständigkeiten bei der Zuwanderung auf transnationale Ebene“, und angesichts Ihrer Rede, Herr Hebner, in der Sie sagen, es geht um einen „Pakt zur Aufhebung der Grenzen“, erkennt man auf den ersten Blick: Hier drin steckt nichts als die Verdrehung der Wahrheit. Sie operieren wieder ganz offen mit Lügen über das, was tatsächlich passiert.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP – Lachen bei der AfD)
Dabei reicht ein einziger Blick in die Unterlagen. Ich weiß nicht, ob Sie das einmal gemacht haben.
(Zuruf von der AfD: Sie müssen es lesen!)
Dann wird Ihnen zum Beispiel klar, dass es hier um einen rechtlich nicht bindenden Pakt geht. Wie kann denn ein rechtlich nicht bindender Pakt, der Ziele und Leitlinien formuliert, zur Aufhebung von nationalen Zuständigkeiten führen? Das geht überhaupt nicht.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Sie unterstellen hier bewusst falsche Tatsachen, um Menschen zu verängstigen und sie aufzuhetzen. Das ist schäbig, werte Kolleginnen und Kollegen von der AfD.
(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, der FDP, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Worum geht es denn eigentlich wirklich in diesem Global Compact for Migration? Es geht darum, zunächst einmal anzuerkennen, dass Wanderungsbewegungen, dass Flucht, dass Wanderungen aufgrund von ökonomischen Hintergründen zur Geschichte der Menschheit dazugehören,
(Dr. Bernd Baumann [AfD]: Das hat doch jetzt nichts mit Grenzöffnung zu tun!)
dass das nichts ist, was plötzlich über uns kommt, sondern dass das etwas ist, das die Geschichte der Menschheit immer mit geprägt, mitbestimmt hat und dass es darauf ankommt, mit dieser Tatsache international verantwortungsbewusst und kooperativ umzugehen, nach gemeinsamen Regeln für Wanderungsbewegungen zu suchen, anstatt Ängste zu schüren und die Schotten dichtzumachen.
(Beifall bei der SPD und der LINKEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Schauen Sie sich einmal die 22 Ziele dieses Paktes an. Dazu gehört auch, dass man die Gründe für Wanderungsbewegungen zu reduzieren versucht. Es geht um Menschen, die gezwungen werden, ihre Heimatländer zu verlassen: aufgrund von Umweltzerstörung, aufgrund instabiler politischer Situationen, aufgrund sozialer Probleme. Solche Aufgaben sollen gemeinsam und in internationaler Kooperation angepackt werden. Da geht es um den Kampf gegen das Schlepperunwesen. Da geht es auch und natürlich um bessere Bedingungen für die Integration von Zugewanderten. Da geht es um Menschenrechte von Zugewanderten. Wer sich dagegen ausspricht, bei dem frage ich mich: Welches Menschenbild vertritt er denn eigentlich?
(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Uwe Witt [AfD]: Es geht um die Behandlung im Bundestag! – Weitere Zurufe von der AfD)
– Werte Kolleginnen und Kollegen, Sie berufen sich so oft auf das christliche Abendland. Zu diesem christlichen Abendland gehören zwei ganz wichtige Prinzipien: Erstens. Du sollst nicht falsch Zeugnis reden. Zweitens. Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst. – Gegen beide Prinzipien verstoßen Sie auch heute wieder ganz klar und deutlich.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der FDP, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Es waren im Übrigen insbesondere die Zielländer von Fluchtbewegungen, von Wanderungsbewegungen, die darauf gedrungen haben, dass wir gemeinsam internationale Regeln finden, dass wir über Instrumente reden, wie wir mit Zuwanderung umgehen.
Ich will es noch einmal deutlich sagen, da von Ihnen Zuwanderung oder Wanderungsbewegungen immer als Angstmacher benutzt werden: Dies gehört auch zur deutschen Geschichte. Deutschland war immer auch Einwanderungsland.
(Beifall bei der SPD und der LINKEN – Widerspruch bei der AfD)
Deutschland war immer auch Auswanderungsland. Schauen Sie doch einmal in die Geschichte zurück: im 17. und 18. Jahrhundert die Zuwanderung der Hugenotten nach Preußen,
(Dr. Alexander Gauland [AfD]: Kommen Sie nicht immer mit dem Zeug!)
im Zuge der Industrialisierung des Ruhrgebietes die Zuwanderung polnischer Arbeitskräfte,
(Dr. Alexander Gauland [AfD]: Das war aus demselben Kulturkreis, Herr Matschie! Das wissen Sie doch auch!)
ab Mitte der 50er-Jahre die Zuwanderung aus Jugoslawien, aus Italien, aus der Türkei und Anfang der 90er-Jahre die Spätaussiedler. Dieses Land hat immer mit Zuwanderern zu tun gehabt.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Dieses Land hat davon profitiert und diese Zuwanderung hervorragend bewältigt. Auch das muss man hier einmal deutlich sagen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der FDP, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Deutschland war auch immer ein Auswanderungsland. Allein im 19. Jahrhundert sind rund 7 Millionen Deutsche in die USA ausgewandert. Im Jahre 2016 – aus diesem Jahr stammt die neueste verfügbare Zahl, die wir dazu statistisch haben – waren es immerhin 280 000 Deutsche, die ausgewandert sind. Wir haben also eine Einwanderungs- und Auswanderungsgeschichte.
Werte Kolleginnen und Kollegen, machen Sie doch nicht die Augen vor der Wirklichkeit zu.
(Dr. Alexander Gauland [AfD]: Sie machen die Augen vor der Wirklichkeit zu! Sie, Herr Matschie, machen das!)
Versuchen Sie doch nicht, Ängste zu schüren, sondern halten Sie sich an die Tatsachen. Halten Sie sich an die Tatsachen, anstatt Lügen zu verbreiten.
(Beifall bei der SPD und der LINKEN sowie bei Abgeordneten der FDP – Dr. Alice Weidel [AfD]: Wir haben einen Braindrain! Sie lassen die Unqualifizierten rein, und die Hochqualifizierten wandern ab!)
Schämen Sie sich für den Antrag, den Sie hier gestellt haben. Es kommt darauf an, ein Miteinander zu organisieren und nicht ein Gegeneinander. Davon wird unser Land profitieren.
(Dr. Alice Weidel [AfD]: Illegale überhaupt nicht! Genau! Wertvoller als Gold! Das haben wir von Ihnen schon ganz oft gehört!)
Mit dem, was Sie machen, schaden Sie unserem Land.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der FDP, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dr. Alice Weidel [AfD]: Unglaublich!)
Das Wort hat die Kollegin Linda Teuteberg für die FDP-Fraktion.
(Beifall bei der FDP)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7219154 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 26 |
Tagesordnungspunkt | Aktuelle Stunde zu dem UN-Regelwerk "Global Compact for Migration" |