19.04.2018 | Deutscher Bundestag / 19. EP / Session 26 / Tagesordnungspunkt 5

Martin GersterSPD - Jahresberichte 2016 und 2017 des Wehrbeauftragten

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter lieber Herr Wehrbeauftragter Hans-Peter Bartels! Werte Kolleginnen und Kollegen! Über 2 500 persönliche Eingaben im vergangenen Jahr zeigen: Die Soldatinnen und Soldaten vertrauen dem Wehrbeauftragten und seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Über 2 500 Eingaben verdeutlichen, welch hohes Ansehen sich der Wehrbeauftragte mit seinem Team erarbeitet hat, aber auch, wie notwendig, wie wichtig seine Arbeit ist. Ich möchte mich im Namen der Soldatinnen und Soldaten, aber auch im Namen der SPD-Fraktion und persönlich ganz herzlich bei Hans-Peter Bartels und seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für die geleistete Arbeit bedanken.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Der Bericht des Wehrbeauftragten – eigentlich stehen zwei Berichte zur Diskussion, aber ich will mich vor allem auf den Bericht mit Bezug zum letzten Jahr konzentrieren – spricht viele Punkte an. Ich will zwei besonders herausstellen. Da ist zum einen die Außenwahrnehmung der Truppe in den Medien. Diese prägt auch das Meinungsbild in der Bevölkerung. Die Darstellung in den Medien ist leider oft – ich finde, viel zu oft – von Skandalen geprägt. Schlagzeilen macht die Bundeswehr vor allem mit Verfehlungen. Da sind die Misshandlungsvorwürfe in Pfullendorf und Sondershausen, der tödliche Marsch von Munster, das bizarre Doppelleben eines Franco A. und die Kaserne in Illkirch, eine deutlich gestiegene Zahl an rechtsextremistischen Verdachtsfällen, unangemessenes Führungsverhalten und sexuelle Belästigungen. Über all das hat der Wehrbeauftragte berichtet. Über all das haben auch die Medien berichtet. Nun kann man die Vorfälle, die es bei der Bundeswehr unstrittig gibt, kleinreden und verharmlosen und sagen, dass es sich um Leute handelt, die verweichlicht sind. Man kann diese Vorfälle auch skandalisieren, alles pauschalisieren und alle Soldaten über einen Kamm scheren. Ich kann verstehen, dass sich unsere Soldaten darüber sehr aufregen; denn weder sind alle unsere Soldaten strukturell rechtsextrem, noch sind sie allesamt verweichlicht.

(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Eine differenzierte Herangehensweise ist angebracht. Hier hilft der Wehrbeauftragte auch uns Abgeordneten ungemein. Er nimmt auf, sammelt, hakt nach, bewertet und hilft uns bei der Einordnung von Vorfällen und Missständen. Natürlich dürfen diese Vorfälle nicht unter den Tisch gekehrt, vertuscht, verharmlost oder verschwiegen werden. Das wäre den einzelnen Vorfällen und insbesondere den Geschädigten gegenüber weder angemessen noch fair. Wie der Wehrbeauftragte selbst gesagt hat, ist jeder dieser Vorfälle einer zu viel. Ich nehme aber wahr, dass die Bundeswehr diese Vorfälle in einem sehr transparenten, offenen und rechtsstaatlichen Verfahren behandelt. Wir im Bundestag werden – so ist mein Eindruck – gut und zeitnah unterrichtet. Das haben auch die letzten Sitzungen des Verteidigungsausschusses gezeigt. Dieses offene Vorgehen begrüßen wir ausdrücklich. Vorfälle werden disziplinarrechtlich geahndet und, wo nötig, auch strafrechtlich aufgearbeitet. Das ist gut so und wichtig.

Es wäre weltfremd, von einer Organisation mit 175 000 Angehörigen zu erwarten, dass sie ohne Fehl und Tadel ist. Richtig ist aber, dass gerade vom bewaffneten Staatsbürger in Uniform ein erhöhtes Maß an Verantwortungsbewusstsein verlangt werden kann. Die Bundeswehr ist eben nicht ein Arbeitgeber wie jeder andere. Wie auch der Wehrbeauftragte kommen wir zu dem Schluss, dass die Soldatinnen und Soldaten unserer Bundeswehr mitten in unserer pluralen Gesellschaft und unserem demokratischen Rechtsstaat stehen.

Der zweite wichtige Themenblock, den der Wehrbeauftragte anspricht, ist die Mangelwirtschaft bei der Bundeswehr. Ich kann sehr gut nachvollziehen, dass dies, wie der Wehrbeauftrage berichtet, ein Megathema bei den Soldatinnen und Soldaten ist. Einige Beispiele: Bis zum Jahresende waren sechs von sechs deutschen U-Booten außer Betrieb. Zeitweise flog von mittlerweile 14 in Dienst gestellten Airbus A400M-Maschinen keine einzige. Die Ausmusterung von Schiffen klappt prima; doch es dauert Jahre, bis neue Schiffe in Dienst gestellt werden. Das nervt Soldaten, und das nervt auch uns Abgeordnete; um es einmal deutlich zu sagen.

(Beifall bei der SPD)

Der Ärger bei den Soldatinnen und Soldaten ist sehr nachvollziehbar; denn unter dieser Mangelwirtschaft leidet auch die Ausbildung. Das kann sich im Ernstfall auch bitter rächen. Deswegen ist Mangelwirtschaft beim Material ein großes Problem für das Personal. Da herrscht in der Tat großer Handlungsbedarf.

Wir als Parlament, die Koalition aus Union und SPD haben mit dem Haushalt 2017 zusätzlich 2 Milliarden Euro bewilligt. Im Finanzplan ist der erhöhte Ansatz für die kommenden Jahre verstetigt. Im Koalitionsvertrag gewährleisten wir auch für die kommenden Jahre Planungs- und Finanzierungssicherheit für Investitionen.

Die Trendwende sei eingeleitet, sagten Sie heute, Frau Ministerin von der Leyen. Ja, aber diese Trendwende muss natürlich auch bei den Soldatinnen und Soldaten ankommen. Die Verbesserungen müssen spürbar sein. Unterhält man sich mit Bundeswehrangehörigen, dann erfährt man, ganz vorsichtig formuliert, dass das bei weitem noch nicht überall so ist. Das muss sich ändern. Es ist klar, dass die Ministerin die Probleme bei unseren U-Booten, beim A400M oder bei anderen Sorgenkindern nicht von heute auf morgen lösen kann. Im Koalitionsvertrag haben wir uns daher zu Recht auf eine Beschleunigung der Prozesse verständigt. Mehr Tempo, das ist in der Tat vor allem auch beim Beschaffungswesen notwendig.

Wir wollen – das ist auch der Appell des Wehrbeauftragten –, dass die vorhandenen und zusätzlichen Gelder, die der Koalitionsvertrag in Aussicht stellt, vernünftig und zielgerichtet eingesetzt werden. Unsere Beschlüsse im Parlament müssen bei den Soldatinnen und Soldaten ganz konkret und zeitnah ankommen. Das ist vornehmlich die Aufgabe der Exekutive, zuvorderst die Aufgabe der zuständigen Ministerin. Wir wissen, Sie sind dran. Das Problem heißt nicht mangelndes Geld, sondern vor allem mangelnde Effizienz bei der Beschaffung. Deswegen sind wir natürlich sehr gespannt auf den Haushaltsentwurf, der ja in wenigen Tagen vorliegen wird. Wir können dann sehen, wie sich das im Haushalt entsprechend darstellt.

Ich hoffe sehr, dass der Wehrbeauftragte in seinem nächsten Bericht, lieber Hans-Peter Bartels, sehr viele Punkte aufzählen kann, bei denen unsere Beschlüsse hier im Parlament zu deutlichen Verbesserungen für unsere Soldatinnen und Soldaten geführt haben. Dafür zu sorgen, das ist unsere dringende Bitte, unser Appell an Sie, Frau Ministerin von der Leyen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Kollege Gerster. – Nächste Rednerin: Dr. Marie-Agnes Strack-Zimmermann für die FDP-Fraktion.

(Beifall bei der FDP)

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Electoral Period 19
Session 26
Agenda Item Jahresberichte 2016 und 2017 des Wehrbeauftragten
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