Michael Roth - Bundeswehreinsatz in Somalia (Atalanta)
Guten Tag, Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir beraten heute eine Mission, die bereits seit November 2008 den Seeverkehr am Horn von Afrika sichert. Die Europäische Union engagiert sich hier außen- und sicherheitspolitisch. Hauptaufgabe der Operation Atalanta ist der Schutz der Nahrungsmitteltransporte des Welternährungsprogramms der Vereinten Nationen. Diese Hilfe, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist nach wie vor überlebenswichtig für viele Menschen.
Genau diesen Auftrag, an dem auch deutsche Soldatinnen und Soldaten beteiligt sind, erfüllt die Mission zu 100 Prozent. Seit Bestehen von Atalanta ist kein einziger Transport des Welternährungsprogramms in die Hände von Piraten gefallen. Diese Bilanz kann sich wirklich sehen lassen, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der FDP)
Ganz konkret haben wir seit Beginn der Operation vor fast zehn Jahren 1 000 Schiffsladungen des Welternährungsprogramms unter den wachsamen Augen von Atalanta sicher in ihren Bestimmungshäfen ankommen lassen. Dabei wurden insgesamt 1,7 Millionen Tonnen Nahrungsmittel ans Ziel gebracht, um notleidenden Menschen in Somalia zu helfen, aber eben auch in Äthiopien, in Dschibuti, im Südsudan und im Jemen. Diese Zahlen sprechen aus Sicht der Bundesregierung für sich. Atalanta ist eine Erfolgsgeschichte.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Die Piraterie, eines der schlimmsten Übel in dieser Region, konnte weitestgehend zurückgedrängt werden. Für ein paar Jahre, von 2014 bis 2017, sah es sogar so aus, als sei sie vollständig besiegt. Ich erinnere mich noch gut: Im vergangenen Jahr haben wir hier im Bundestag darüber diskutiert, ob wir die Operation Atalanta nicht alsbald beenden könnten. Leider ist es für eine endgültige Entwarnung aber noch zu früh. Seit Frühjahr 2017 hat es wieder vereinzelte Angriffe von Piraten auf kommerzielle Schiffe gegeben. Glücklicherweise konnten diese Angriffe allesamt erfolgreich abgewehrt werden und, was mindestens genauso wichtig ist, die Piraten vor Gericht gestellt werden. Aber es bleibt gefährlich. Am 18. November letzten Jahres wurden vor der Küste Somalias gleich zwei Schiffe an einem einzigen Tag nacheinander angegriffen. Der Operation Atalanta gelang es, die Piraten festzunehmen. Ihnen wird nun auf den Seychellen der Prozess gemacht.
Dieses eine Beispiel unterstreicht die Bedeutung von Atalanta gleich doppelt.
Erstens. Nur der gemeinsame Einsatz von europäischen Fähigkeiten führt zum Erfolg. An dieser Operation sind 18 Mitgliedstaaten der Europäischen Union beteiligt, darüber hinaus Serbien und Montenegro als Beitrittskandidaten. Die Leitstelle in Großbritannien, ein spanisches Aufklärungsflugzeug und eine italienische Fregatte arbeiten hier Hand in Hand. Saisonal hilft auch ein deutscher Seefernaufklärer, der zum Einsatz kommt. Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist echtes europäisches Teamspiel. Das zeigt, dass wir gemeinsam in der Europäischen Union viel mehr erreichen, als wenn wir uns rein nationalstaatlich engagieren.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Zweitens möchte ich die Frage der Rechtsstaatlichkeit hervorheben: Was wird eigentlich aus den Piraten? Nur dadurch, dass Atalanta im Namen der Europäischen Union mit den Anrainerstaaten rechtliche Übereinkommen abgeschlossen hat, kann den Piraten ein rechtsstaatlicher Prozess gemacht werden. Seit Bestehen der Operation wurden 166 Verdächtige von EU NAVFOR Atalanta an die Justizbehörden überstellt.
Diese Erfolge müssen wir bewahren.
(Beifall bei der SPD)
Der Golf von Aden ist die Haupthandelsroute zwischen Europa, der europäischen Halbinsel und Asien. Stabilität am Horn von Afrika und freie Seewege sind also auch für uns hier in Deutschland von großer Bedeutung. Das haben auch andere Staaten, die sich unter ganz anderen Voraussetzungen ebenso engagieren, inzwischen erkannt. Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate haben ihre militärische Präsenz am Roten Meer und am Horn von Afrika ausgeweitet, die Türkei ebenfalls. China hat vergangenes Jahr seinen ersten ausländischen Militärstützpunkt in Dschibuti eröffnet. Der Unterschied ist aber ein ganz entscheidender: Die Europäische Union übernimmt auf Grundlage gemeinsamer demokratischer Werte außenpolitische Verantwortung. Das kann man von den anderen Staaten, die sich dort engagieren, nicht unbedingt und automatisch sagen. Deshalb spielen wir vor Ort eine stabilisierende Rolle, und wir engagieren uns umfassend.
Wir beraten heute hier im Bundestag zwar nur die militärische, sicherheitspolitische Komponente, aber selbstverständlich engagieren wir uns vor Ort auch diplomatisch, entwicklungspolitisch und vor allem auch humanitär. Das machen wir auch ganz konkret, und wir werden sicherlich auch in den Haushaltsberatungen noch einmal darüber streiten und diskutieren.
Wie Sie wissen, haben wir die deutsche Beteiligung an der Ausbildungsmission EUTM Somalia Ende März dieses Jahres nach acht Jahren im Einsatz beendet. Im Rahmen der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik beteiligt sich die EU neben der Operation Atalanta weiter an der zivilen Mission EUCAP Somalia, die mit rein zivilen Mitteln helfen soll, die maritime Sicherheit zu stärken.
Gerade diese zivile Mission, an der sich Deutschland ebenso personell beteiligt, macht große Fortschritte. Die Neuausrichtung, auf die wir sehr stark gedrängt haben, zeigt erste Erfolge. Die Ausbildung der Hafenpolizei in Mogadischu schreitet voran. Das zeigt sich unter anderem an den regelmäßigen Patrouillen, die zwischenzeitlich durchgeführt werden.
Das sind zugegebenermaßen kleine Schritte, aber wir reden und streiten hier ja auch über viele Einsätze, und ich finde, das sind zumindest Schritte, die in die richtige Richtung weisen. Ich will das durchaus selbstbewusst formulieren: Die EU macht das Leben vieler Menschen in Somalia sicherer, und darauf kommt es angesichts der Tragödien, die sich dort in dieser Region abspielen, vor allem an.
Hier liegt in Somalia die größte Bewährungsprobe: Wir haben es dort mit völlig instabilen staatlichen Strukturen zu tun. Diese Fragilität befördert kriminelle Netzwerke, die nicht nur für die Piraterie verantwortlich sind, sondern auch für andere schlimmste Formen organisierter Kriminalität, wie Menschenhandel und Waffenschmuggel.
Die Kritikerinnen und Kritiker – auch hier im Haus – haben sicherlich in einem Punkt recht: Die Gesamtlage am Horn von Afrika bleibt schwierig. Gerade weil sie so schwierig ist, bleibt die Mission Atalanta so wichtig für unser Engagement für Frieden und Sicherheit in der Region, und deshalb bitte ich Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, namens der Bundesregierung um Verlängerung der Mission Atalanta.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Vielen Dank, Michael Roth. – Nächster Redner: Jan Nolte für die AfD-Fraktion.
(Beifall bei der AfD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7219205 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 26 |
Tagesordnungspunkt | Bundeswehreinsatz in Somalia (Atalanta) |