Gyde JensenFDP - Christenverfolgung
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Fazit gleich vorweg: Der vorliegende Antrag der AfD-Fraktion ist nichts anderes als ein Feigenblatt für die Ausgrenzung von Religionsgemeinschaften insgesamt.
(Beifall bei der FDP, der CDU/CSU, der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Alexander Gauland [AfD]: Ja natürlich! Das hätten Sie sich sparen können! Das ist ja mal was richtig Neues!)
Ich will Ihnen das auch gerne erklären. Ja, Christen werden verfolgt, aber auch Buddhisten, Muslime und Juden. Es gibt Juden, die in muslimisch geprägten Ländern verfolgt werden. Es gibt Muslime, die in buddhistisch geprägten Ländern verfolgt werden. Es gibt aber auch Christen, die in christlich geprägten Ländern verfolgt werden, sogar von Christen selbst. Die Realität ist eben komplex.
In Ihrem Antrag werden Sie der komplexen Realität einfach nicht gerecht.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Die Folge ist: Christenverfolgung wird in Ihrem Antrag einseitig als ein Problem islamischer Staaten deklariert. Damit legen Sie bewusst die Axt an die Gleichwertigkeit aller Glaubensgemeinschaften.
(Beifall bei Abgeordneten der FDP – Dr. Bernd Baumann [AfD]: Neun von zehn Verfolgten in islamischen Staaten!)
Sie sagen, Sie wollten Christen schützen. Tatsächlich aber spielen Sie Religionen gegeneinander aus. Die Forderungen in Ihrem Antrag sind so nichts weiter als Abschottungsromantik:
(Dr. Alexander Gauland [AfD]: „Abschottungsromantik“! Mein Gott, was ist aus denen geworden!)
Entwicklungshilfe kürzen, Handelsprivilegien abschaffen, Visaerteilung einschränken, wenn Austausch, dann nur für Christen.
(Jürgen Braun [AfD]: Sagen Sie das bitte mal Ihren FDP-Wählern!)
Interreligiöser Dialog? Fehlanzeige. Eine Differenzierung findet schlicht nicht statt.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Haben Sie einmal einen Blick ins Grundgesetz geworfen?
(Dr. Heribert Hirte [CDU/CSU]: Das kennen die nicht!)
Studienplatzvergabe und Flüchtlingshilfe an die Religionszugehörigkeit zu knüpfen, das ist mit unserer Verfassung nicht vereinbar, übrigens auch nicht mit christlichen Werten.
(Beifall bei der FDP, der CDU/CSU, der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Mit der Verfassung haben die nichts am Hut!)
Für die AfD-Fraktion geht es bei diesem Thema nicht um Verfolgung an sich; es geht vor allem um Ausgrenzung von Muslimen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Diese Art der Politik hat bei Ihnen Methode. An Ihrem Versuch, Religionsgemeinschaften gegeneinander auszuspielen, werden wir Freie Demokraten uns nicht beteiligen.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dr. Alexander Gauland [AfD]: Das haben wir auch nicht erhofft!)
Meine Damen und Herren, die Religionsfreiheit jedes Einzelnen ist häufig dann gefährdet, wenn Glaube und Politik miteinander vermischt werden, und die AfD macht genau das. Mit Ihrem Mantra der Islamisierung politisieren Sie jeden einzelnen Muslim. Dabei wird Deutschland heute, im 21. Jahrhundert, ebenso wenig islamisiert, wie Deutschland zu Beginn des 20. Jahrhunderts judaisiert wurde. Ab und an sollten auch Sie aus der Geschichte lernen.
(Beifall bei der FDP, der CDU/CSU, der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Alexander Gauland [AfD]: Was sind das für Vergleiche? Das fehlt gerade noch, dass Sie mir Geschichtsunterricht geben! Das ist eine Unverschämtheit!)
„Aus der Geschichte lernen“ bedeutet auch, die Verteidigung von Religionsfreiheit nicht nur rein rechtlich zu betrachten, sondern diese auch im Alltag vorzuleben. Was wir vorgestern im Prenzlauer Berg gesehen haben, zeigt: Religionsfreiheit muss jeden Tag aufs Neue verteidigt werden.
(Beifall bei der FDP, der CDU/CSU, der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Für uns Freie Demokraten steht fest: Antisemitismus darf in Deutschland nie wieder einen Platz haben, und religiös motivierte Straftaten müssen konsequent verfolgt und bestraft werden.
(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Jürgen Braun [AfD]: Es geht um Christenverfolgung!)
Auch wir als Europäer müssen Religionsfreiheit ausreichend schützen. Wenn ein Viktor Orban die Wahl in Ungarn mit einer Kampagne gegen sogenannte muslimische Invasoren gewinnen kann,
(Jürgen Braun [AfD]: So ist die FDP! Links-grünes Geschwätz! Links-grünes Geschwätz von der FDP!)
so sehen wir, wie schnell sich Vorurteile in unserer Gesellschaft verfestigen können.
(Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
Meine Damen und Herren, Deutschland und auch die Bundesregierung müssen ihren Beitrag leisten. Wir Freie Demokraten fordern eine aktive Menschenrechtspolitik, die weltweit für Religionsfreiheit und Meinungsfreiheit eintritt und die Menschenrechte auch lokal umsetzt;
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
denn Religionsfreiheit ist immer auch ein Gradmesser für die Toleranz und Integrationsfähigkeit einer ganzen Gesellschaft. Es braucht auch hier Mut zu neuen Ideen.
(Martin Hebner [AfD]: Gehen Sie mal nach Saudi-Arabien!)
Das House of One in Berlin ist so eine Idee, den interreligiösen Dialog zu stärken.
(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Jürgen Braun [AfD]: Links-Grün-FDP, das ist der Hinweis!)
Aktive Menschenrechtspolitik bedeutet auch, sich von Verfolgungssuperlativen zu distanzieren, so wie es die Evangelische und die Katholische Kirche in ihrem Bericht zum Thema Christenverfolgung getan haben. Das erwarte ich auch von jedem einzelnen Abgeordneten in diesem Parlament.
(Beifall bei der FDP, der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Dr. Alexander Gauland [AfD]: Was Sie alles erwarten! – Jürgen Braun [AfD]: Sie haben gar nichts zu erwarten! Frechheit! – Dr. Alexander Gauland [AfD]: Wer solche Reden hält, hat nichts zu erwarten!)
Ich komme zum Schluss. – Meine Damen und Herren, Anschläge auf Christen wie in Ägypten oder in Pakistan mahnen Staaten und Kirchen gleichermaßen. Religiöser Fanatismus in Verbindung mit staatlicher Gewalt muss weltweit geächtet werden.
(Beifall bei der FDP, der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Ob Christen in Ägypten, die Rohingya in Myanmar oder Jesiden in Syrien – vielerorts sind Religionsgemeinschaften unterdrückt. Staaten, Kirchen und alle friedliebenden Religionsgemeinschaften müssen miteinander die Religionsfreiheit verteidigen, anstatt sich gegeneinander ausspielen zu lassen.
(Martin Hebner [AfD]: Sie ignorieren Morde an Christen!)
Lassen Sie uns ein Stück dazu beitragen!
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der FDP, der CDU/CSU, der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Alexander Gauland [AfD]: Die Rede war fast so gut wie die von Herrn Zimmer heute! – Jürgen Braun [AfD]: 3 Prozent für die FDP sind nahe!)
Das Wort zu einer Kurzintervention hat der Kollege Dr. Anton Friesen. Bitte.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7219351 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 26 |
Tagesordnungspunkt | Christenverfolgung |