Frank HeinrichCDU/CSU - Christenverfolgung
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich hatte vermutet, dass das Thema Emotionen erzeugt. Dass es so weit kommt, war mir nicht bewusst.
Ich habe dieses Liederbuch – mit Verlaub, ich möchte es nur kurz zeigen –
(Der Redner hält ein Buch hoch)
in einer Kirche in Nigeria auf dem Boden gefunden, sieben Tage nachdem das Dorf samt Kirche von marodierenden Banden und Boko Haram überfallen wurde. Es war vor der Kollekte; denn darin fand man noch einen nigerianischen Dollar. Dieses Buch ist mir in meinem Büro eine Mahnung, eine Erinnerung, dass Christen in vielen Regionen der Welt Not leiden, und da müssen wir helfen.
In der gleichen Region gibt es ein Projekt, in dem mir Christen, die mich auch dorthin geführt haben, erzählten, wie eine Moschee und ein christliches Gemeindehaus zerstört wurden, aber die Christen die Einzigen waren, die über Ressourcen und Spenden verfügten. Und so haben sie beides gemeinsam wiederaufgebaut, weshalb der christliche Prediger hinterher eingeladen wurde, beim Freitagsgebet der Moschee zu sprechen. Das ist ein deutliches, praktisches Zeichen für Religionsfreiheit; denn auch Muslime sind – das haben wir jetzt mehrfach gehört – von Boko Haram betroffen. Was gibt es Besseres oder Trotzigeres gegen das Wüten von Extremisten, die die Religion für sich vereinnahmen wollen?
(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
In vielen Fällen – gerade in denen, die Sie in Ihrem Antrag erwähnen – sind es eben nicht nur Christen, die unter der Verfolgung durch Radikale leiden müssen. In Nigeria – ich war vor wenigen Wochen im extremen Norden von Kamerun – sind es im Vergleich weit mehr Muslime, die unter den muslimischen Extremisten zu leiden haben.
Später auf dieser Reise hatte ich ein Gespräch mit verschiedensten christlichen Leitern und Bischöfen aus der nordöstlichen, von Boko Haram kontrollierten Region, die etwa 11 Millionen Christen stellvertraten. Sie haben mir am Schluss sehr ruhig, sehr sachlich zwei Botschaften mitgegeben. Sie wussten, dass ich vorher Pastor war, aber sie haben mir zuerst eine Botschaft als Politiker mitgegeben: Vergessen Sie uns hier nicht! Wir sind nicht so in den Medien wie der Nordirak. – Und sie sagten zu mir als Christ: Vergessen Sie bitte nicht, auch für Boko Haram zu beten! – Das war eine völlig andere Haltung dieser Christen als die, mit der Ihr Antrag geschrieben wurde.
(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Wir müssen uns um das Prinzip der Religionsfreiheit in diesen Ländern bemühen, für Christen, aber auch für Muslime, für Bahai und alle anderen religiösen Minderheiten, die teilweise heute genannt wurden, und weit darüber hinaus. Ich zitiere eine Pressemitteilung des Stephanuskreises unter anderem zu Ihrem Antrag heute – das ist uns schon ziemlich nah gegangen –:
Natürlich fühlen wir uns als Christen unseren Glaubensbrüdern und -schwestern ganz besonders verbunden.
Sie haben das gerade zitiert.
Anders als der AfD geht es uns im Stephanuskreis
– den wir in unserer Fraktion haben –
aber nicht darum, Christen anderen Gläubigen gegenüber zu bevorzugen. Täten wir das, würden Vorbehalte ihnen gegenüber nur weiter geschürt. Wir helfen ihnen am meisten, wenn wir in unsere Bemühungen auch andere unterdrückte Glaubensgruppen mit einschließen.
(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Das hören wir auf unseren Reisen von den Christen in diesen Ländern. Deren Stimme scheinen Sie hier eben nicht wirklich zu vertreten.
Nein, es geht um das Prinzip der Religionsfreiheit, das wir auch im eigenen Land – Kollegin Jensen hat es vorhin gesagt – einfordern müssen, wenn wir, wie gestern, hören, was jüdischen Mitbürgern passiert, was Muslimen in unserem Land geschieht, was Christen teilweise auch in Flüchtlingslagern von muslimischen Mitbürgern, von Andersgläubigen an Prügel kassieren. Das tut die Union seit langem; das muss ich nicht wiederholen, es ist mehrfach heute gesagt worden. Der Beauftragte für Religionsfreiheit sitzt hier, wir haben Konferenzen dazu, und wir setzen uns vor Ort und in den Ländern immer wieder dafür ein. Dafür stehen wir als Union. Das ist mir auch persönlich in den Ländern, die ich als Menschenrechtler bereisen darf, wichtig. Da spreche ich dann in China mit Christen in Untergrundkirchen, im Irak mit Jesiden, die unter schrecklicher Folter durch den IS zu leiden haben, und in Pakistan bemühe ich mich um die Rechte der Ahmadiyya-Muslime.
Zum Schluss noch einmal die Pressemitteilung:
Wer sich in den Ländern, in denen keine Religionsfreiheit herrscht, exklusiv für Christen einsetzt, wird keinen Frieden unter den Gläubigen bekommen, sondern nur neuen Hass säen.
Dafür stehen wir nicht.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7219363 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 26 |
Tagesordnungspunkt | Christenverfolgung |