20.04.2018 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 27 / Tagesordnungspunkt 17

Lukas KöhlerFDP - Gewaltexzesse gegen Rohingya

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Vielen herzlichen Dank. – Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Präsident! Ich hatte kurz überlegt, mich so wie Sie ein wenig darüber aufzuregen, was gerade gesagt wurde. Ich möchte aber ganz anders beginnen und ein paar Sachen klarstellen.

Meine Damen und Herren, Fakt ist, dass 700 000 geflüchtete Rohingya in einer Situation leben, die für sie nicht dramatischer sein könnte. Fakt ist, dass darunter 60 Prozent Kinder sind. Fakt ist, dass es seit August letzten Jahres mindestens 6 700 Tote gab. Diese Dinge können Sie nicht ignorieren.

(Beifall bei der FDP, der CDU/CSU, der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Da können Sie noch so sehr versuchen, islamische Gruppen gegen christliche Gruppen und andere Religionen auszuspielen. Um diese Dinge kommen Sie nicht herum.

Sie kommen auch nicht darum herum – das können Sie selbst in den Regierungserklärungen vor Ort lesen –, dass Myanmar ein Vielvölkerstaat mit 160 unterschiedlichen ethnischen Gruppen ist, dass eine dieser Gruppen die Rohingya sind, die in einem Gebiet leben, in dem sie nachweislich schon mehrere Hundert Jahre leben. Ich weiß nicht, wie Sie den Begriff eines Staatsvolkes sehen und wonach Sie ihn ausrichten. Aber ich glaube, wenn die Dauer eines Aufenthalts mehrere Hundert Jahre umfasst, dann kann man schon von einem einheimischen Volk sprechen. Deswegen ist das, was Sie eben gesagt haben, leider in großen Teilen Quatsch.

In Myanmar geht es um nicht weniger als um die Würde der Menschen und damit um die Autonomie als Grundlage für ein freies und selbstbestimmtes Leben. Meine Damen und Herren, es geht nicht darum, ob einzelne Gruppierungen in irgendeiner Weise Anschläge verüben oder sonst irgendetwas in der Art. Solche Dinge werden sehr gerne über die gesamte Volksgruppe kolportiert. Uns geht es um jeden einzelnen Menschen und sein persönliches Schicksal, den wir schützen und dem wir als internationale Staatengemeinschaft helfen müssen. Das ist ein ganz zentraler Teil unserer Aufgabe.

(Beifall bei der FDP sowie der Abg. Dr. Daniela De Ridder [SPD])

Die grausame Verfolgung der Rohingya als religiöse Minderheit, die ethnischen Säuberungen, ja der Völkermord sind dramatisch und erschreckend. Aber der Anschlag auf die Würde der Menschen beginnt schon deutlich früher, nämlich dann, wenn eine extrem wichtige Rechtsinstitution fehlt. Das ist die Staatsbürgerschaft: ohne sie keine Rechte und ohne sie keine Würde; ohne sie keine Freiheit im Leben.

Meine Damen und Herren, wir freuen uns darüber, dass wir diesen Antrag gemeinsam gestellt haben. Wir freuen uns darüber, dass dies beim Thema Menschenrechte über die Parteigrenzen hinweg gemeinsam möglich ist. Es geht eben darum, dass die Würde des Menschen über parteilichem Klein-Klein steht und weitergedacht wird.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

Aber dieser Antrag kann nicht mehr als die Grundlage für weiteres Handeln sein. Wir haben lange Zeit die positive Entwicklung in Myanmar unterstützt: Wir haben 2012 wieder mit der Entwicklungszusammenarbeit angefangen; das ist richtig und gut so. Aber wenn wir in der Entwicklungszusammenarbeit einzelne Gruppen aus der Förderung der Bildung ausschließen, dann unterstützen wir deren Autonomie und deren Freiheit eben leider nicht mehr. Da müssen wir so ehrlich sein und anfangen, über solche Dinge wieder nachzudenken.

Man kann Entwicklungszusammenarbeit und humanitäre Hilfe nicht gegeneinander aufwiegen. Das sollte man auch niemals tun oder versuchen. Aber wir müssen uns, glaube ich, um die konkrete Situation kümmern. Sie, Herr Schwabe, haben schon kurz angesprochen, dass die Situation in den Flüchtlingslagern, vor allen Dingen in dem großen Lager in Bangladesch, extrem dringend ist. Sie haben eine Sache, die ich ergänzen möchte, noch nicht erwähnt: Es ist jetzt April. Das heißt, die Monsunzeit fängt an. Egal in welcher Diskussion wir stecken: Der Monsun wird gerade für die Menschen in diesem Lager eine extreme Belastung und könnte, so wie die Aussichten im Moment sind, zu vielen Toten führen. Da müssen wir als Staatengemeinschaft hin. Da hoffen wir, unter dem Dach der Vereinten Nationen und des UNHCR möglichst Schlimmeres zu verhindern.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Lassen Sie mich noch ganz kurz eine persönliche Sache anführen. Sie haben Aung San Suu Kyi angesprochen. Ich glaube, dass ein Friedensnobelpreis, meine Damen und Herren, nicht nur eine Würdigung für vergangene Leistungen ist, sondern immer auch ein Auftrag für die Zukunft sein muss.

(Beifall bei der FDP)

Deswegen ist das Schweigen in dieser Situation das größte Problem, das Schweigen um einen Völkermord. Egal wie Sie diese Situation bewerten: Das Leben und die Würde des Menschen sind unantastbar. Das darf und muss man so sehen.

Meine Damen und Herren, ich hoffe darauf, dass wir als Gemeinschaft, die sich für die Stärkung der Menschenrechte, der Autonomie und der Freiheit des Einzelnen einsetzt, weiterhin kämpfen: hier im Bundestag, aber auch weltweit.

Vielen lieben Dank.

(Beifall bei der FDP, der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Nächster Redner ist der Kollege Michel Brandt, Fraktion Die Linke.

(Beifall bei der LINKEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7219382
Wahlperiode 19
Sitzung 27
Tagesordnungspunkt Gewaltexzesse gegen Rohingya
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