20.04.2018 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 27 / Tagesordnungspunkt 19

Albrecht GlaserAfD - Freibetrag bei der Grunderwerbssteuer

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Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordnete! Der vorgestern vorgelegte Antrag der FDP beschäftigt sich mit einem naheliegenden steuerrechtlichen Problem, das uralt ist und früher schon einmal gelöst war: der Grunderwerbsteuer als staatliche Verhinderung der Eigentumsbildung breiter Bevölkerungsschichten.

Zu Recht wird darauf hingewiesen, dass in Deutschland nur rund 45 Prozent der Einwohner Wohneigentum haben, obwohl über zwei Drittel der Menschen mit oberster Priorität dieses Ziel verfolgen, und das seit Jahren und Jahrzehnten. Zutreffend wird festgestellt, dass Deutschland damit in der EU Schlusslicht ist. Nicht erwähnt wird, dass dies einer der Gründe dafür ist, dass etwa die Bürger Griechenlands und Italiens doppelt bzw. dreimal so wohlhabend sind wie die deutschen Bürger. Es wird auch nicht erwähnt, dass die geringe Steuerlast in diesen und vielen anderen Ländern die Ursache für den Wohlstandsvorsprung in diesen Ländern gegenüber Deutschland ist.

Was tun? Die FDP kommt zu einer minimalinvasiven Lösung, die der Lage der 70er-Jahre des vorigen Jahrhunderts nicht unähnlich ist. Bis 2006 betrug die Belastung durch die Grunderwerbsteuer bundeseinheitlich 3,5 Prozent der Kaufpreise. Dies führte zu einem Aufkommen von 6 Milliarden Euro. Das sind 0,6 Prozent der damaligen staatlichen Gesamteinnahmen und 1,3 Prozent der damaligen Steuereinnahmen. 2017 betrug das Aufkommen aus dieser Steuer 13 Milliarden Euro und somit rund 1 Prozent der Staatseinnahmen und 1,75 Prozent der Steuereinnahmen. Für die Staatseinnahmen also, verehrte Frau Kollegin von der CDU/CSU, ist das ein völlig bedeutungsloses Geschehen, das aber dafür extrem verwaltungsaufwendig ist.

Wieso gab es eine Verdoppelung des Aufkommens der Grunderwerbsteuer in zehn Jahren? Dafür gibt es zwei markante Gründe: erstens die Euro-Politik der EZB und zweitens die Änderung des Grundgesetzes. Die Nullzinspolitik der EZB hat maßgeblich den Immobilienboom mit Blasencharakter herbeigeführt.

(Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU]: Das sagen Sie!)

Daher rühren die exorbitanten Preissteigerungen bei allen Immobilien und ergo die zunehmenden Einnahmen aus der Grunderwerbsteuer. Es handelt sich um Beteiligungen an spekulativen Wertzuwächsen.

Der Bundesgesetzgeber hat den Ländern die Kompetenz übertragen – Artikel 105 Absatz 2a des Grundgesetzes –, die Steuersätze ab 2006 selbst festzulegen. Das soll im Wettbewerb um siedlungswillige Bürger zu einer Absenkung der Steuerlast führen. Das war damals die Idee. So wurde argumentiert. So wenig ein Mops eine Wurst bewacht, so wenig ist die Begehrlichkeit des Fiskus nach Steuern zu zügeln.

(Beifall bei der AfD)

Das können Sie hier wunderbar austesten.

Alle Länder haben fleißig von ihrer neuen Kompetenz Gebrauch gemacht. Sie haben den Steuersatz erhöht, allein sieben Länder in den letzten Jahren auf 6 bzw. 6,5 Prozent, also um über 70 Prozent. Sie können einmal versuchen, sich zu erinnern, was sich – außer dem Wasserstand bei Hochwasser – noch in diesem Maße verändert hat. Nebenbei ist anzumerken, dass etwa in Hessen parallel zur Grunderwerbsteuer die Grundsteuer um über 50 Prozent in den letzten Jahren gestiegen ist. Wenn eine Stadt wie Berlin einen Grundsteuerhebesatz von über 800 Prozent hat, dann ist jede Klage der Politik über hohe Mieten Heuchelei. Aber das nur am Rande.

(Beifall bei der AfD)

Was nicht nur hier abläuft, ist lupenreine Konfiskatorik. Die Summe der öffentlichen Einnahmen ist seit 2010 um fast 40 Prozent gestiegen. 40 Prozent! Das Gleiche gilt für die Steuereinnahmen. Das Bruttoinlandsprodukt ist im gleichen Zeitraum um 12 Prozent gestiegen, das Volkseinkommen um gut 20 Prozent, also halb so hoch wie die Staatseinnahmen. Hier findet eine jährliche Umverteilung vom Privatsektor auf den Staatssektor statt, und zwar mit listigen Methoden.

(Beifall bei der AfD)

Der FDP-Antrag will nun die Trendwende: Man will für die Eigentümergeneration einen Lebensfreibetrag bis zu einem Höchstwert von 500 000 Euro gewähren. Zudem sollen die Länder – so steht es darin – von den Erhöhungen des Steuersatzes absehen. Das Letzte gehört, wie dargestellt, in die Kategorie „fromme Wünsche“; mit Politik hat es nichts zu tun.

Den Lebensfreibetrag gab es in den 1970er- und 1980er-Jahren aus genau den gleichen Erwägungen. Für alle, die aus welchen Gründen auch immer häufiger ihren Lebensmittelpunkt wechseln und gerne immer in ihrer eigenen Hütte wohnen, was verständlich ist, ist das eine Gemeinheit. Wer sich also bewegt und sechsmal im Leben umzieht, der muss dann fünfmal die Grunderwerbsteuer zahlen, weil er nur einmal von dieser Steuer befreit ist. Das kann keine Lösung sein. Für alle die, die in Ballungsräumen leben, ist es eine grobe Ungleichbehandlung gegenüber denen, die in der Fläche leben, weil Immobilien in Ballungsräumen viel teurer sind. Wenn man mit einem einheitlichen Steuerfreibetrag arbeitet, ist das natürlich genauso ungerecht.

Aus diesen und einigen anderen Gründen wurde bereits in den 1970er-Jahren die Abschaffung der Grunderwerbsteuer ernsthaft erwogen. Es ist höchste Zeit, diesem Gedanken wieder näherzutreten. Das hätte dann etwas von Trendwende, meine Damen und Herren von der FDP, welche diesen Namen verdient.

Die AfD neigt dieser Sichtweise zu, sieht dies allerdings als ein Thema im Zusammenhang mit einem größeren Steuerreformpaket, das auch das Grundsteuerthema, das wir an der Backe haben und mit dem wir uns sehr intensiv befassen sollen, einbeziehen sollte und insgesamt eine nachhaltige Kommunalfinanzierung in den Blick nehmen müsste. Wir fordern Sie alle auf, eine solche wirklich kausale, langfristige, seriöse und steuertheoretisch durchdachte Lösung mit uns zu finden.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Jetzt erteile ich das Wort dem Kollegen Bernhard Daldrup, SPD-Fraktion.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7219416
Wahlperiode 19
Sitzung 27
Tagesordnungspunkt Freibetrag bei der Grunderwerbssteuer
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