20.04.2018 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 27 / Tagesordnungspunkt 19

Bernhard DaldrupSPD - Freibetrag bei der Grunderwerbssteuer

Lade Interface ...
Anmelden oder Account anlegen






Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Immer wenn ich Herrn Glaser höre, schafft er eine Steuer ab. Neulich war es die Grundsteuer, heute ist es die Grunderwerbsteuer. Neulich ging es um Steuereinahmen in Höhe von 14 Milliarden Euro, heute sind es 13 Milliarden Euro. Das kann man ja mal so locker machen; wir haben es ja.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Irgendwie müssen wir seriös miteinander reden; so geht das nicht.

Wenn die FDP in einem Antrag warnt, dass etwas „nicht zum Luxusgut werden“ sollte, dann werde auch ich hellhörig. Ich finde, es geht schon um eine ernsthafte Fragestellung, nämlich darum: Wie kann man eigentlich die Bildung von Wohneigentum erleichtern? Die FDP verfolgt dabei ein – wie soll ich sagen? – ideologisches Ziel: Sie möchte uns sozusagen zu einer Eigentümernation machen.

(Otto Fricke [FDP]: Was ist denn daran Ideologie? Da gibt es doch einen Artikel 14 in der Verfassung!)

– Ja, man folgt einer Idee. Das ist eine Ideologie.

(Beifall bei der SPD)

Wenn Sie etwas vortragen, ist das immer Ausdruck einer Ideologie.

(Stephan Thomae [FDP]: Sie meinen Idealismus!)

– Ja, Illusionismus auch.

Sie thematisieren die Grunderwerbsteuer. Die Einnahmen daraus, 13,1 Milliarden Euro, sind in der Tat deutlich gestiegen; das ist eben dargestellt worden. Die Frage lautet: Liegt das am Bund? Antwort: Nein. Es liegt nicht am Bund; denn die Länder entscheiden über die Höhe. Sie kriegen auch das Geld. – Kritisiert die FDP das in Wahlkämpfen? Ja, deutlich sogar. – Sie sagt: Wenn wir Verantwortung haben, wird diese Steuer gesenkt. – Macht die FDP das da, wo sie Verantwortung hat? Antwort: Nein. – Das ist komisch, finde ich jedenfalls.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Otto Fricke [FDP]: Da gibt es eine SPD in Rheinland-Pfalz! – Stephan Thomae [FDP]: Wir regieren ja auch nicht allein!)

– Nein. Das wäre auch noch schöner.

Im vorliegenden Antrag geht es ja um die Freibeträge bei der Grunderwerbsteuer bei selbstgenutztem Eigentum. Das ist schon ein ordentlicher Brocken. Das war nicht immer so. Bis 1982 lag die Grunderwerbsteuer – es ist eben gesagt worden – bei 7 Prozent. Dahinter wollen wir nicht zurück. Es gab jede Menge Ausnahmen. Aber auch für Wohneigentum wurde diese Steuer nicht fällig. Dann wurde sie erhöht, und dann kam man auf die rasante Idee, zu sagen: Jetzt bringen wir einmal den Föderalismus ins Spiel; dadurch wird diese Steuer gesenkt. – Das Ergebnis ist: Heute ist die Grunderwerbsteuer für die kleinen Leute so hoch wie nie zuvor.

(Christian Dürr [FDP]: Das war ein SPD-Ministerpräsident!)

– Na, Sie waren immer dabei. Auf der Bundesebene waren Sie bis 1982 und nach 1982 immer dabei.

(Christian Dürr [FDP]: Stephan Weil in Niedersachsen!)

Stattdessen gibt es heute bei den großen Immobilientransaktionen – Frau Tillmann hat darauf hingewiesen – durch Steuergestaltung, Steuertricks das Phänomen, dass die Grunderwerbsteuer vollständig eingespart wird. Das nennt man Share Deals. Da geht es laut hessischem Finanzministerium um 1 Milliarde Euro jährlich. Dagegen müssen wir etwas tun. Das ist eigentlich eine viel wichtigere Angelegenheit.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Jetzt komme ich noch einmal zum FDP-Antrag von gestern. Sie stellen einen Antrag zur Entbürokratisierung im Wohnungsbau, und heute legen Sie Bürokratie pur auf den Tisch. Noch ist die Grunderwerbsteuer nämlich eine einfache Steuer – das soll auch so bleiben –; aber Sie machen daraus ein, um Ihre Sprache zu verwenden, Bürokratiemonster.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Widerspruch bei der FDP)

– Ja.

Die Finanzämter müssten zahlreiche Faktoren abklären: Was sind die Gründe für den Erwerb einer Immobilie? Die spätere Nutzung müsste überprüft werden. Gibt es einen Freibetrag bei Mischnutzung? Ab welchem Grad gibt es die Mischnutzung nicht mehr? Wie ist das mit dem Freibetrag für natürliche Personen mit einem lebenslang geführten Steuerregister? Wer macht das eigentlich? Wer soll das eigentlich bezahlen? Was passiert, wenn der Freibetrag ausgeschöpft ist? Wie lange dauert eigentlich Selbstnutzung? Ein Jahr? Einen Tag? Was ist mit Umzügen? Gibt es Härtefälle? Also, viele Fragen. Ich will es nicht weiter ausbreiten.

Es gehört auf jeden Fall ein Stück Abgebrühtheit dazu, gestern Bürokratieabbau zu fordern und heute Bürokratiekosten vollkommen auszublenden.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es geht hier offensichtlich um Ideologie, um eine Idee, der Sie blind folgen.

(Christian Dürr [FDP]: Freibetrag!)

Wenn die FDP glaubwürdig sein will, glaubwürdig bleiben will, dann gibt es dafür drei Punkte:

Erstens. Senken Sie die Grunderwerbsteuer da, wo Sie Verantwortung haben und wo Sie es versprochen haben.

(Beifall der Abg. Cansel Kiziltepe [SPD] – Otto Fricke [FDP]: Macht die SPD da mit?)

Zweitens. Machen Sie weiter mit, wenn es um die Begrenzung der Share Deals geht, damit die Großen Grunderwerbsteuer zahlen und wir aus den Einnahmen vielleicht die kleinen Leute entlasten können.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Drittens. Tricksen Sie nicht rum! Wenn Sie Freibeträge in den Ländern einführen wollen, dann finanzieren Sie diese und schieben Sie die Finanzierung der Wohltaten in den Ländern nicht an den Bund.

Zum Schluss will ich sagen: Es sind viele Punkte im Koalitionsvertrag – sie sind angesprochen worden –, aber eines sollen Sie auch wissen: Für uns sind Mieter nicht weniger wert als Eigentümer.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zustimmung des Abg. Otto Fricke [FDP])

Wertvoll ist für uns das Recht auf Wohnen – eine Bedingung guter Lebensqualität. Es gehört für uns zur Heimat dazu. Das sollte bei Ihnen auch so sein.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Jetzt erteile ich das Wort dem Kollegen Jörg Cezanne, Fraktion Die Linke, zu seiner ersten Rede im Deutschen Bundestag.

(Beifall bei der LINKEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7219418
Wahlperiode 19
Sitzung 27
Tagesordnungspunkt Freibetrag bei der Grunderwerbssteuer
00:00
00:00
00:00
00:00
Keine
Automatisch erkannte Entitäten beta