20.04.2018 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 27 / Tagesordnungspunkt 19

Jörg CézanneDIE LINKE - Freibetrag bei der Grunderwerbssteuer

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Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Preise von Wohnimmobilien sind in Deutschland in den letzten fünf Jahren durchschnittlich um 32 Prozent gestiegen, in den sieben größten Ballungsräumen sogar um 66 Prozent. Nur zum Vergleich: Die Reallöhne stiegen im gleichen Zeitraum um 7 Prozent. Die Reaktion der FDP – zugegebenermaßen etwas zugespitzt –: Wunderbar, der freie Markt funktioniert. Die Grunderwerbsteuer von 3 Prozent bis 6,5 Prozent ist das zentrale Problem. – Ganz offensichtlich, meine Damen und Herren, passt hier die Lösung nicht zum Problem.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Menschen mit niedrigen Einkommen und ohne Ersparnisse werden durch steigende Wohnkosten am härtesten getroffen. Sie haben gar nicht erst die Chance, eine Wohnung zu kaufen. Diesen Menschen hilft ein Freibetrag bei der Grunderwerbsteuer überhaupt nichts.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ich erspare mir jetzt die Polemik zu Herrn Lambsdorffs Rat an die alleinerziehende Mutter, wenn sie die Miete nicht bezahlen könne, solle sie eine Wohnung kaufen.

Die Hälfte der Bevölkerung verfügt über gar kein oder über nur wenig Vermögen. Wenn Sie es ernst meinen mit der Eigentümernation Deutschland, werden Sie eine Lösung finden müssen, wie diese Hälfte überhaupt Eigentum finanzieren soll. Falls Sie mal über höhere Löhne, Abschaffung des Niedriglohnsektors, eine Vermögensteuer oder höhere Steuern auf hohe Einkommen reden wollen: Wir sind gern gesprächsbereit.

(Beifall bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren, die hohen Preissteigerungen bei Immobilien gehen in großem Umfang auf institutionelle Investoren und Immobilienspekulanten zurück. Diese sind dank des Steuerschlupflochs namens „Share Deals“ – davon war hier schon die Rede – in der Lage, die Grunderwerbsteuer komplett zu umgehen. Sie können ganze Stadtviertel aufkaufen; solange sie nur jemanden finden, der 5 Prozent der zum Verkauf angebotenen Wohnungen übernimmt und ihnen möglichst nicht in die Quere kommt, entfällt die Steuerpflicht vollständig – eine völlig absurde Regelung!

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU]: Die ist doch schon einmal bezahlt worden!)

Wir müssen die Share Deals endlich unterbinden. Die Grunderwerbsteuer für nicht selbstgenutztes Wohneigentum wollen wir erhöhen. Das hilft sogar den jungen Familien, die Eigentum kaufen wollen; denn dadurch könnte die Preistreiberei durch die großen Immobilienunternehmen zumindest gebremst werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren, wenn Mieten und Immobilienpreise in kurzer Zeit dramatisch ansteigen und gleichzeitig Hunderttausende Wohnungen fehlen, dann hat der Wohnungsmarkt offensichtlich versagt. Steuerliche Maßnahmen alleine helfen hier nicht weiter. Vielmehr brauchen wir einen kompletten Neustart beim sozialen Wohnungsbau.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir erreichen einen kompletten Neustart dadurch, dass öffentliche und private Unternehmen ohne Gewinnorientierung und steuerlich begünstigt Wohnraum zu bezahlbaren Preisen schaffen. Die Versorgung mit bezahlbarem Wohnraum muss wieder eine Aufgabe der öffentlichen Hand werden; sie muss Teil der Daseinsvorsorge sein.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Sozialwohnungen sollen auf Dauer als geförderter Wohnraum zur Verfügung stehen. „ Einmal Sozialwohnung, immer Sozialwohnung“ ist der Grundsatz, der gelten muss.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Bernhard Daldrup [SPD])

Der Bestand muss beständig erweitert werden. Der öffentliche Grund und Boden ist dafür zu nutzen und darf nicht privatisiert werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Das Beispiel der Stadt Wien zeigt, dass bei einer konsequenten Umsetzung die Verteuerung von Wohnraum und die Spekulation mit Grund und Boden zumindest in Schach gehalten werden können. Ein Freibetrag bei der Grunderwerbsteuer hilft dabei leider nicht.

Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Herzlichen Dank, Herr Kollege. – Als Nächstes für Bündnis 90/Die Grünen die Kollegin Lisa Paus.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7219419
Wahlperiode 19
Sitzung 27
Tagesordnungspunkt Freibetrag bei der Grunderwerbssteuer
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